Atisreal – Rätselraten um den Verkauf von Hertie-Immobilien

Von Ruth Vierbuchen

Ende November – mitten in der tiefsten Finanzmarktkrise mit all ihren Unwägbarkeiten – überraschte die Atisreal Immobilien Holding mit der forschen Ankündigung, dass in die geplanten Verkäufe der Hertie-Immobilien Bewegung kommt. Mit der KTM – die Abkürzung steht für Koparal, Tschirpig, Meyer – präsentierte die deutsche Immobilien-Tochter der BNP Paribas einen mittelständischen regionalen Projektentwickler mit Schwerpunkt Handelsimmobilien aus Braunschweig, der das dreistöckige Hertie-Warenhaus im niedersächsischen Wolfenbüttel erworben habe, wie es heißt.

Dem Vernehmen nach steckt ATM aber noch mitten in weiteren Abstimmungsprozessen über den Kauf. Auch der Verkauf des Dinslakener Hertie-Hauses hat sich nach einem Bericht der „Rheinische Post“ unter Berufung auf Atisreal auf Mitte bis Ende Januar verschoben. Insgesamt will Atisreal noch 61 Warenhäuser mit zusammen 540 000 qm bei Investoren unterbringen. Davon sollten allein 10 noch in den letzten Tagen des Jahres 2008 einen neuen Eigentümer finden. Doch seither ist es still geworden in punkto Verlautbarungen aus dem Hause Atisreal und für den Verkauf besagter 10 Immobilien hat das Unternehmen bisher noch keinen Vollzug gemeldet, was nicht unbedingt überrascht, angesichts der Tatsache, dass die Finanzierungsmöglichkeit für neue Deals derzeit fast zum Erliegen gekommen ist.

Das stellt auch Atisreal selbst in seinem jüngsten Investmentmarkt- Bericht fest. Umso mehr überrascht die Branche der offensiv sportliche Ton in dem Christoph Meyer, Geschäftsführer von Atisreal und Leiter Retail Investment beim Verkauf des Hertie-Portfolios zu Werke geht. Ohne Not gehe man nicht mit einem Verkaufsmandat an die Presse, so ein Branchenkenner. Normal sei es, sich still zu verhalten, bis der Verkauf tatsächlich unter Dach und Fach sei. Überraschend kommt für viele auch die Tatsache, dass Atisreal nun einzelne Hertie-Immobilien verkaufen will. Zuvor hatte es immer geheißen, der britische Eigentümer Dawnay,Day wolle – aus Gründen des Verkaufspreises – nur das gesamte Portfolio veräußern. Dabei ist das Interesse an einzelnen Hertie-Standorten bisher recht groß.

So hatte auch Europas führender Shopping-Center-Spezialist ECE, der seinerzeit in Braunschweig eines der ersten Hertie-Warenhäuser zum Center umgewidmet hatte, sein Interesse bekundet. Dieses Auseinanderfallen von öffentlicher Wahrnehmung der Käufer einerseits und die jüngste Verkaufsoffensive von Atisreal andererseits, spricht für das Durcheinander, das nach Beobachtung von Branchenkennern derzeit bei der insolventen Dawnay,Day herrscht. Doch für den Käufer birgt die Übernahme von Hertie-Immobilien auch ein gewisses Risiko, da sich Hertie als operative Gesellschaft seit Juli 2008 bekanntlich in der Insolvenz befindet. Und die seit 1999 geltende Insolvenzordnung gibt Hertie- Insolvenzverwalter Biner Bär, Partner der internationalen Anwaltskanzlei White & Case, weitreichenden Handlungsspielraum.

So entfällt in der Insolvenz die Betreiberpflicht, so dass der Verwalter jeden Mietvertrag kurzfristig kündigen kann. Insofern sind die bestehenden Mietverträge für die 62 genannten Hertie-Immobilien, die Atisreal vermarkten will, nur latent gültig. Ohne Absprache mit und Bestätigung vom Warenhausbetreiber, dass er an dem Mietvertrag tatsächlich festhält, – also ohne gültigen Mietvertrag – dürfte es schwierig werden, eine Bank für die Finanzierung eines Objektes zu gewinnen. Im umgekehrten Fall kann der neue Eigentümer dem insolventen Mieter aber auch nicht ohne weiteres kündigen, wie das im alten Insolvenzrecht die Insolvenzklausel in Mietverträgen noch vorsah. Zudem dürfte es schwierig werden, für die großen Flächen kurzfristig adäquate Nachmieter zu finden, sollte der Vertrag tatsächlich kurzfristig aufgelöst werden. Und Pläne, die Immobilien zwecks Umwidmung in Shopping- Center zu übernehmen, lassen sich erst realisieren, wenn der Mietvertrag offiziell ausläuft. Insofern hängt auch die kurzfristige Zukunft der Immobilien davon ab, wie sich das operative Geschäft von Hertie entwickelt.

Vor diesem Hintergrund gibt die Tatsache, dass von den neuen Eigentümern bislang, wie der „Handelsimmobilien Report“ erfahren hat, noch keiner in der Hertie-Zentrale in Essen vorstellig geworden ist, um sich die Mietverträge bestätigen zu lassen, Raum für Spekulationen über den angekündigten Verkaufsprozess. Ein anderes wichtiges Thema mit Blick auf den groß angekündigten Verkauf ist die Frage des Kaufpreises. Als Dawnay,Day mit Blick auf den erwarteten Aufschwung in Deutschland 2005 Karstadt-Quelle-Chef Thomas Middelhoff das Paket aus 74 Kompakt- Warenhäusern (Karstadt Kompakt) nebst den Namensrechten für Hertie abkaufte, haben die Briten noch einen stattlichen Betrag hingeblättert.

Vom 15- bis 16-fachen der Nettomiete ist in der Branche die Rede. Doch angesichts der aktuell schwierigen Lage dürften solche Werte kaum mehr zu erzielen sein. Heute gehen Branchenkenner eher vom 10-fachen aus. Ob das dem Eigentümer resp. den Banken, die darauf aus sein werden, das Fremdkapital wieder reinzuholen, reichen wird, ist fraglich. Hinzu kommt, dass die Immobilien zwar vom operativen Warenhaus getrennt und jede in eine eigenständige Gesellschaft eingestellt wurde, doch da der Eigentümer von Warenhausnetz und Immobilien identisch ist, dürfte Hertie in der Insolvenz kaum Miete bezahlen. Insofern entfällt diese Einnahmequelle. So machen derzeit Spekulationen die Runde. Etwa darüber, dass die Immobilien- Kredite verbrieft und bei Investoren platziert worden sind. Die fälligen Zinsen, so die Spekulation, würden durch den Verkauf einzelner Immobilien finanziert. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte Atisreal zwei gute Hertie-Immobilien in Berlin verkauft.

Auf diese Weise könnte der Verkauf der Immobilien hinausgezögert werden – in der Hoffnung, dass sich die Preise in absehbarer Zeit wieder erholen. Aber, wie gesagt, das sind Spekulationen. Insolvenzverwalter Biner Bär dürfte diese Strategie des schleichenden Immobilienverkaufs wenig entgegenkommen. Derzeit setzt er bei der Sanierung des operativen Geschäfts in den 73 Filialen auf eine ausgefeilte Markenstrategie im Shop-in- Shop-System und auf „neue Formen der Partnerschaft mit Lieferanten wie Consignment, Concession und System-based Buy, bei der sich die Hersteller am Abverkaufsrisiko beteiligen. Das steigert die Erträge. Als mittelfristiges Ziel dürfte er die übertragende Sanierung anstreben, d. h. den Verkauf des Geschäftsbetriebs an einen Investor. Und für diese Interessengruppe stehen zweifellos auch die Hertie-Immobilien im Fokus des Interesses. Und da auch die mittelfristige Zukunft der Immobilien von der Zukunft des Warenhausgeschäfts abhängt, dürfte ein abgestimmtes Vorgehen für beide Seiten von Vorteil sein.

Quelle: HIR, Nr. 38

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