Auslands-Immobilienfonds schwimmen ins Krisenfahrwasser

Von Werner Rohmert. IVG u. a.: Auslands-Immobilienfonds schwimmen ins Krisenfahrwasser – Verursachen neue Kreditvertrags-Klauseln eine Prospekt- und Rating-Haftungsepidemie? Nur Stunden, nachdem wir unseren letzten Immobilienbrief an Sie verschickten, erfuhren wir von einer unglücklichen Entwicklung bei der IVG. Die wichtigsten Fakten konnten Sie der Tagespresse und natürlich auch dem Platow Brief entnehmen. Zur Erinnerung: Der IVG Euro Select 14 mit einer der prominentesten Londoner Landmark-Immobilien „The Gherkin“ muss die Ausschüttung einfrieren und hat geringere Erträge, da die Bank auf Grund einer sogar noch moderaten Wertanpassung an den zusammengebrochenen Londoner Büromarkt mit einer Margenerhöhung kräftig zuschlägt. Dabei kommt die IVG mit der Objektbewertung mit minus 20% noch gut davon ab; denn in Kombination von Mieten und Renditen hat Fidelity (s. Bericht und Chart unten) einen 50%igen und auf Euro-Basis noch deutlich höheren Wertverlust Londoner Toplagen festgestellt. Die Kombination aus CAP RATE und Währung lässt London-Investoren, speziell, wenn noch Mietprobleme auftreten, sich mit Freude an ihre Leipzig-Engagements erinnern.

Ein bis zwei Milliönchen kassiert die Bank Dank cleveren Vertragswerkes von den 8 verfügbaren Millionen zu Lasten der Anleger der IVG ab. So kann die gute Bonität und Liquidität des Fonds geschröpft werden. Zum Glück steuert IVG-Honorarverzicht 300 000 Pfund jährlich bei. Immobilienwirtschaftliche Probleme, um die man sich Sorgen zu machen hätte, gibt es im Fonds nicht. Sowohl auf der immobilienwirtschaftlichen Ertrags- als auch auf der Kostenseite liegt der Fonds voll im Plan.

Der Fonds selber macht uns wenig Angst. Die dürfte bei vielen anderen Fonds mit gleichen neuen Kreditvertragsbedingungen viel gerechtfertigter sein. Die Presse berichtet vom vollständigen Verzehr des Eigenkapitals der Anleger. Das ist in Kombination aus Wertentwicklung allein auf Grund heute geänderter Multiplikatoren, die auch für Topimmobilien um ein Drittel abgestürzt sein können in Verbindung mir dem Währungsverlust gegenüber Schweizer Franken rechnerisch auch richtig. Andererseits ist die Immobilie noch für über 20 Jahre erstklassig und vollständig vermietet. Bis dahin wird das Wasser der Themse noch mehrere Zyklen in die Nordsee gespült haben, so dass der rechnerische Verzehr des Eigenkapitals für die Kapitalanlage wenig bedeutsam ist.

Andererseits dürfte der Ausschüttungsstopp für einige der rd. 10 000 Anleger nicht lustig sein. Denn ein Fonds mit dieser Immobilien- und Mieterqualität ist sicherlich oft als erstklassige Chance an Anleger mit Altersversorgungsperspektive und Sicherheitsbedürfnis als krisensichere Anlage mit guter Rendite, Inflationsschutz über englische Mietverträge und Wertentwicklung als Rentenbeitrag verkauft worden. Für neue Anleger, denen die Anfangsausschüttung egal ist, ergeben sich jetzt über den Zweitmarkt neue Chancen. Angebote von Alt-Anlegern mit Liquiditätsbedarf werden den Zweitmarktpreis drücken.

Viel mehr Gedanken machen wir uns um eine Vielzahl anderer Fonds und um die Entwicklung internationaler Partner der Fonds. Oft wurden Fonds mit „Sicherheitsnetzen“ internationaler Partner ausgestattet. Wieviel die wert sind, zeigte gerade die US-Treuhand auf. Wir berichteten.

Wo liegt bei plangemäßer Entwicklung überhaupt das Problem?

Der IVG-Fonds gerät in das Fahrwasser geänderten Bankenverhaltens und der Krisenanfälligkeit „neuer“ Vertragsklauseln, die eigentlich Sicherheit und Einflussnahmemöglichkeit der Banken bei Änderung der Rahmenbedingungen erhöhen sollten. Dagegen ist sicherlich nichts einzuwenden. Ähnliche Regelungen gab es auch früher, waren aber meist eher zahnlos. Im Zuge von Rating-Erfordernissen und non recourse Finanzierung mit Angleichung internationaler Usancen änderte sich die Operationalität der Regeln. Das macht ihre prozyklische Wirkung jetzt deutlich. Unternehmen und Fondsanleger werden es zu spüren bekommen.

Schneller als gedacht bestätigt sich die Gefahr der von uns schon seit letztem Jahr monierten „Financial Covenants“. Speziell in Bezug auf Reits und Immo AG’s wiesen wir Sie auf die Bewertungs-Spirale hin. Die besondere Gefahr, die von den Klauseln ausgeht, besteht darin, dass ausgerechnet die besten Bonitäten getroffen werden. Bei schwachen Bonitäten haben die Banken sowieso keine andere Chance als durchzuhalten oder die Objekte in den eigenen Bestand zu übernehmen.

Auch bei Geschlossenen Fonds trennt sich Spreu vom Weizen. Anders als bei dem US-Treuhand-Fonds, dessen Probleme wir Ihnen vorstellten, und bei dem auch das Investment selber ausgesprochene Sorgen bereitet, hat der betroffene IVG Euro Select 14 keine Immobilienprobleme. „LTV“ (Loan To Value) heißt hier der Fonds-Virus. Als wir erstmalig von operativ funktionsfähigen und für die Bank verbindlichen LTV-Klauseln hörten, ergriff uns tiefe Hilflosigkeit. Können Sie sich vorstellen, was geschehen wäre, wenn bei allen gewerblichen Ost-Investitionen der 90er Jahre die Investoren und Banken bei Wertveränderungen zur Offenlegung ihrer Situation gezwungen worden wären.

Prospekt und Rating: Wurden die Anleger richtig informiert? Gibt es Haftungsrisiken?

Die Covenance Regeln könnten zum „gefundenen Fressen“ für Anlegerschützer werden. Denn Initiatoren, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer und natürlich auch der engagierte Fonds-Verband VGF haben anscheinend die Wirkung neuer Finanzierungsklauseln nicht hinreichend berücksichtigt. Das könnte eine Menge Haftungspartner ergeben. Wir haben einmal in Richtung Prospekt und Rating geschaut.

Was sagt uns der Prospekt?

Der Blick in den IVG Fondsprospekt eröffnet zum Beispiel den Blick auf rund 20 Erwähnungen eines möglichen Totalverlustes bei wahrscheinlich ähnlich vielen Risiken – an anderer Stelle. Zur jetzt bösartigen Klausel gibt der Prospekt lediglich bekannt:

„Der langfristige Darlehensvertrag sieht vor, dass … jederzeit ein Loan to Value (LTV, Verhältnis Darlehen / Immobilien-Verkehrswert) aufrechterhalten wird, der zu keiner Zeit den Wert von 67 Prozent überschreiten darf. Für den Fall, dass sich der Verkehrswert nach dem von dem finanzierenden Kreditinstitut erstellten Verkehrswertgutachten deutlich verschlechtert und der vorstehende Wert, gegebenenfalls auch durch eine negative Wechselkursentwicklung, unterschritten wird, ist das Kreditinstitut berechtigt, die Erhöhung von Rücklagen oder eine Sondertilgung zu verlangen.“

Auf der einen Seite haben wir natürlich volles Verständnis aus der damaligen Situation heraus, in der eher niemand davon ausging, dass die Klausel je ernst genommen würde und alternativ der Kredit wohl auch nicht verfügbar gewesen sein dürfte.

Auf der anderen Seite muss jeder sorgfältige Leser des zitierten Risikohinweises zu dem Schluss kommen, dass jemand, der so eine Klausel unterschreibt, entweder von Immobilien keinerlei Ahnung hat oder als Kind von den Eltern mit der Klobürste gepudert worden ist. Allein schon Begriffe wie „jederzeit … zu keiner Zeit“ müssen Alarmglocken klingeln lassen. Berücksichtigt man noch, dass auch noch die Bank selber das Wertgutachten machen kann, stellen sich – zumindest im innerdeutschen Verhältnis – durchaus Fragen nach der Sittenwidrigkeit der Klausel oder der Zurechnungsfähigkeit der Vertragspartner, die Unmögliches anscheinend blind unterschreiben.

Weder Währungsschwankungsrisiken noch die Volatilität z. B. des Londoner Immobilienmarkt – speziell nach langer positiver Entwicklung mit dramatischer Wertsteigerung – sollte Immobilienspezialisten, die Milliarden einsammeln, ein Geheimnis sein. Auf die Volatilität der Immobilienmärkte mit 50% Schwankungsbreite in London wies der Autor Sie bereits 1994 im Platow Brief hin. Da dürfte wieder einmal eine kollektive Auszeit des gesunden Menschenverstandes der Branche Pate gestanden haben. Kein Fonds kann die Einhaltung der Klausel sicherstellen. Gerade in Zeiten, in denen die Klausel zieht, ist davon auszugehen, dass Sondertilgungen nicht möglich sind. Der Fonds hat das Geld nicht, die Anleger geben keines. Keine andere Bank gibt welches.

Zu Prospekthaftungs-Modellprozessen fordert die IVG-Situation geradezu heraus. Erstens: IVG und Ratingagenturen haben Geld. Wenn die verlieren, können Sie zahlen. Zweitens: Das Nachschussrisiko aus der LTV-Klausel ist existenziell und in dieser Form verständlich prospektierungspflichtig. Existenziell ist das Risiko, weil der Fonds das Geld nicht hat und dreistellige Millionenbeträge kurzfristig auch nicht beschaffen kann. Drittens: Das Risiko einer Wertänderung von Immobilien in London war immer bekannt. In London ist die Renditeerwartung der Investoren lt. Feri-Bericht der letzten Woche von 3,75% auf 5,5% eingebrochen. Das allein macht einen Wertverlust von 32% aus. In Verbindung mit Währungsrisiken eine 67%-Quote jederzeit sicherstellen zu wollen ist da „engagiert“.

Richtig „risikohinweisend“ erscheint uns der Prospekt aus Praxissicht nicht, wenn auch den rechtlichen Formalia aus unserer Sicht weitgehend genügend getan sein dürfte. Weit interessanter als eine IVG-Haftung bei eher geringem Schaden der Anleger dürfte aber die Konsequenz für andere Initiatoren sein.

Was sagen uns die Ratings?

Rating-Gesellschaften scheinen in immobilienwirtschaftlicher Ahnungslosigkeit meist die zerstörerische und prozyklische Wirkung von Covenants bei fallenden Märkten dezent übersehen zu haben. Auch beim EuroSelect wähnte sich der Anleger nach Blick auf Feri- und Scope-Rating im Internet finanzwirtschaftlich bei Langfristigkeit des Kredites sicher. Das dürfte wohl in einer Vielzahl anderer Fälle auch so sein. Die Ratings aller internationalen Immobilienfonds der letzten Jahre gehören auf den Prüfstand. Hier könnten sich Risiken auftun, die die Konjunkturwirkung potenzieren.

Eine bezahlte und beauftragte Rating-Agentur muss die Wirkung einer solchen Klausel erkennen und erwähnen. Das Lesen der Risikohinweise dürfte zu erwarten sein, ebenso wie die Kenntnis der Volatilität der Immobilienmärkte. In Zusammenarbeit mit dem Anwaltsbüro Klumpe hatte "Der Immobilienbrief" schon vor zwei Jahren Risiken gesehen und von Klumpe eine ausführliche Studie erstellen lassen und veröffentlicht.

Für Ratingagenturen könnte so leicht ein teurer Flüchtigkeitsfehler entstehen. Feri hat Dank hoher Marktdurchdringung z. B. nicht nur IVG, sondern auch problematische US-Treuhand Fonds und vielleicht auch noch andere Problemfonds beurteilt. Die Vertriebsleute sind mit Zustimmung der Analysten mit den Ratingergebnissen hausieren gegangen. „Der Immobilienbrief“ hatte sie übrigens schon seit Beginn der Rating-Euphorie bei Geschlossenen Immobilienfonds vor 4 oder 5 Jahren auf die faktische Unmöglichkeit aussagefähigen Fonds-Rating hingewiesen.

Fazit: Diese Entwicklungen sind schade, da der geschlossene Fonds sich in den letzten Jahren vom tiefgrauen Kapitalmarkt entfernt hatte. Gleichzeitig ist es verblüffend, dass der VGF, der sich als Fondsverband gerade die Seriosität der Unternehmen auf die Fahnen geschrieben hatte und sich um jedes formale Detail von Leistungsbilanz und Prospektierung mit Begeisterung kümmerte, existenzielle Probleme und Prospektierungsfehler übersehen konnte.

gi24/DIB

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