Der Markt für Gewerbeimmobilien ist in Phlegma verfallen

Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin Handelsimmobilien Report

Der Zusammenbruch der Indy-Mac-Bank in Kalifornien und die spektakuläre Rettungsaktion für die beiden Hypothekenbanken Fanny Mae und Freddy Mac lassen erahnen, dass uns die US-Immobilien- und Kreditkrise noch eine ganze Weile begleiten wird. Auch in Europa, das zeigen die jüngsten Halbjahreszahlen von Jones Lang LaSalle nur allzu deutlich, hat sich das Geschäft mit Gewerbeimmobilien drastisch abgekühlt. In den ersten sechs Monaten ist das Transaktionsvolumen um 44% auf 69 Mrd. Euro geschrumpft. Noch deutlicher fällt der Rückgang in Deutschland aus. Hier ging das Transaktionsvolumen – gemessen am Vorjahreszeitraum – sogar um mehr als die Hälfte (57%) auf 11,9 Mrd. Euro zurück, wobei sich Handelsimmobilien mit einem Minus von 9% auf 4,5 Mrd. Euro noch relativ gut geschlagen haben. Mit 38% entfiel auch der größte Teil der Investitionen auf dieses Segment – vor Büroimmobilien mit 33%. Bei Büros war deutschlandweit dagegen ein regelrechter Absturz um 77% zu verzeichnen. Angesichts dieses Szenarios ließ sich JLL sogar dazu verleiten, ganz plakativ festzustellen, Den deutschen Investmentmarkt hat es eiskalt erwischt.“ Und: „Die Finanzmarktkrise hat den Investmentmarkt auch in Deutschland voll im Würgegriff.“

Ganz anders dagegen das Segment Logistik- und Industrie-Immobilien, das sich laut JLL in Deutschland als „Hort der Stabilität“ erwiesen hat: „Als einzige Asset-Klasse konnten sie im Jahresvergleich sogar noch zulegen, um 15% auf aktuell rund 1,2 Mrd. Euro“, stellen die Marktforscher fest. „Auf Grund der attraktiven Renditen für die Käufer ist diese Asset-Klasse besonders interessant.“ Und auch die sechs deutschen Immobilienhochburgen zeigten Stabilität. Auf diese Standorte entfiel rund 35 % des Transaktionsvolumens oder 4,2 Mrd. Euro.

Doch generell gilt: Eingeschränkte Liquidität auf den Fremdkapitalmärkten einerseits und Eigentümer, die sich noch nicht damit abfinden können, dass der Boom vorbei ist und die Preise des Vorjahres nur noch Illusion sind, bilden eine Mischung, die zu diesem ausgeprägten Phlegma auf dem Markt für Gewerbeimmobilien geführt hat: Interessenten, denen das Geld fehlt und Verkäufer, die sich in Zurückhaltung üben. Es dauert ganz offensichtlich eine ganze Weile, bis sich die Marktteilnehmer nach der Überhitzungsphase, die fast übergangslos in die Flaute mündete, an die neuen Spielregeln gewöhnt haben.

Das spielgelt auch die Tatsache wider, dass die einzelnen Transaktionsvolumina kleiner geworden sind. Im ersten Quartal waren acht Transaktionen größer als 100 Mio. Euro, im zweiten Quartal waren es nur noch drei. Und auch die Renditen haben sich angepasst: Im 12-Monats-Vergleich sind sie laut JLL um durchschnittlich 25 Basispunkte bei Logistikimmobilien, um 50 bei Büros und um 75 Basispunkte bei Shopping Center gestiegen. Bei erstklassigen Büroimmobilien lag die Nettoanfangsrendite Ende Juni im Schnitt demnach bei 4,9%, wobei die Spanne von 4,75% in München bis 5% in Düsseldorf, Stuttgart und Berlin reichte. „Tatsächlich handelt es sich bei dem aktuellen Renditeanstieg um eine Rückkehr zur Normalität“, versucht Marcus Lemli, Leiter Capital Markets Jones Lang LaSalle Deutschland die Nerven zu beruhigen. „Beim derzeitigen Renditeniveau liegen wir bereits wieder am historischen Durchschnitt der Renditen der vergangenen 10 Jahre.“ Investoren, die zu überhöhten Preisen gekauft haben, wird das weniger trösten.

Im Bereich Handelsimmobilien – insbesondere bei Shopping Centern – bewegen sich die Renditen in stärker ausgeprägten Bandbreiten. Im Top-Segment Shopping Centern hat JLL zur Jahresmitte Spitzenrenditen von 5,25% gemessen. Doch das haben die Logistikimmobilien noch getoppt. Diese Asset-Klasse zeigte sich recht resistent gegen exogene Einflüsse. Hier hat JLL Spitzenwerte von 6,5% gemessen.

Und wer sind die Mutigen, die auf diesem verunsicherten Markt noch kaufen? Es sind Asset-/Fund-Manager, die mit 25% an der Spitze stehen, vor börsennotierten Immobilien-AGs (12%) und Private Equity/Hedge Funds (11%). Die inzwischen auf den hiesigen Markt zurückgekehrten offenen Immobilienfonds wickeln 8,5% des Transaktionsvolumens ab. Ihr Fokus richtet sich laut JLL auf Handelsimmobilien – hier insbesondere Shopping Center. Wie JLL weiter feststellt, behält der deutsche Immobilienmarkt seine Internationalität, denn das Verhältnis von nationalen zu internationalen Investoren bleibe konstant. Zwei Drittel des investierten Kapitals kam sowohl 2007 als auch in diesem Jahr aus dem Ausland.

Auf der Verkäuferseite finden sich dagegen die deutschen Player mit fast 70% Anteil am Transaktionsvolumen in der Überzahl. „Corporates bleiben auf Grund der im ersten Quartal abgeschlossenen Deals (Deutsche Post, Arcandor und Sony) mit insgesamt 42% des Transaktionsvolumens führender Investorentypus“, so die JLL-Forscher weiter.

Und wie wird sich der Markt in diesem Jahr weiter entwickeln? Da ist JLL trotz der drastischen Worte über die aktuelle Marktlage fast schon wieder optimistisch: „Spätestens bis Ende des Jahres sollten sich die Marktakteure an die neuen Gegebenheiten gewöhnt haben. Das könnte dann wieder zu etwas mehr Belebung am deutschen Investmentmarkt führen. Sobald Verkäufer ihre Preisvorstellung senken, werden auch wieder vermehrt Immobilien verkauft.“ Nach Berichten von Marktteilnehmern aus dem Bereich Handelsimmobilien ist schon seit April/Mai eine leichte Belebung spürbar.

Die Hoffnung auf eine „Jahresendrallye“ macht Jones Lang LaSalle allerdings auch schnell wieder zunichte. 2008 werde das Transaktionsvolumen weit – nämlich um 45% – unter dem Wert des Rekordjahres 2007 liegen, ist Lemli überzeugt. Der begrenzenden Faktor bleibt aus Sicht des Marktexperten die Finanzierungspolitik der Banken und die Kosten für Fremdkapital (Zins plus Margen) hielten sich auf einem hohen Niveau, so dass Deals nur dann zustande kommen, wenn die Anpassung der Preiserwartungen für die Immobilie funktioniert: „Es ist ja nicht so, dass kein Interesse an deutschen Gewerbeimmobilien vorhanden wäre. Sowohl eigenkapitalstarke Investoren als auch Opportunisten verfügen über genügend Liquidität. Und gerade die opportunistischen Investoren warten auf günstige Kaufgelegenheiten“, ist Lemli überzeugt.

Das könnte dann ganz schnell gehen, beispielsweise „wenn Kredite auslaufen, eine Anschlussfinanzierung nicht gelingt und in der Folge Notverkäufe getätigt werden müssten oder wenn andererseits die Exit-Strategien der Investoren der ersten Generation umgesetzt werden.“ Beide Szenarien könnten das Phlegma aus dem Markt vertreiben. Allerdings bleibt abzuwarten, welche Hiobsbotschaften der US-Markt noch bereit hält.

Quelle: DIB, Nr. 171, 25.07.2008

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