Von Christine Scharrenbroch
Trotz Finanzmarktkrise und obwohl die Lage im deutschen Textileinzelhandel nicht einfach ist, hat Insolvenzverwalter Frank Kebekus für die insolvente Aachener Modekette Wehmeyer in dem indischen Unternehmer Rajive Ranjan einen neuen Eigentümer gefunden, der sich in der Branche gut auskennt. Ranjan sieht für das Unternehmen mit nunmehr noch 23 Standorten und etwa 500 Mitarbeitern gute Chancen in Kleinstädten. Dort gebe es kaum Mono-Marken-Shops, so sein Kalkül, und hier könne Wehmeyer die Kunden mit Marken wie Esprit, S. Oliver, Street One, Gerry Weber und Mac anlocken.
Ab Frühjahr 2009 sollen weitere Marken hinzukommen. Und über den Ausbau des Eigenmarken-Sortiments will sich Ranjan seine Marge holen, wie er vor der Presse in Düsseldorf sagte. Deutschland ist dem Inder nicht unbekannt. In der DDR hatte er Maschinenbau studiert. Anfang der 90er-Jahre hatte er sich in Indien mit einer Fabrik für Blusen selbstständig gemacht. 1994 zog es ihn zurück nach Deutschland. Seine Techno-Gruppe, die mit der Techno-Lifestyle GmbH ihren Hauptsitz in Willich hat, entwirft Mode, kauft Stoffe ein und lässt die Bekleidung im Auftrag in Asien fertigen. In Deutschland beliefert Ranjan etwa den Kaufhof, Adessa, Adler und die CBR-Gruppe. In den Vereinigten Staaten zählt Wal-Mart zu den Kunden.
Die Strategie des neuen Eigentümers spiegelt sich schon in der Tatsache wider, dass vor allem die Mode-Filialen in den Großstädten geschlossen wurden. So wurden insgesamt 16 Standorte, darunter Köln, Mainz und Münster, zugemacht. Für Großstädte sei Wehmeyer angesichts der großen Konkurrenz nicht geeignet, so Ranjan. Ab 2010 will er bereits wieder in kleinen Städten expandieren. Wo die bisher in Aachen ansässige Zentrale mit ihren insgesamt 50 Mitarbeitern künftig ihren Sitz haben wird, ist noch nicht entschieden.
In den nächsten zwei Jahren will Ranjan die bestehenden Filialen für 12 bis 15 Mio. Euro modernisieren. In Düren, Grevenbroich, Hückelhoven und Koblenz wurde das neue Konzept mit dem orangefarbenen Logo bereits umgesetzt. Die Abteilungen der Modehäuser werden jetzt nicht mehr nach einzelnen Artikeln (Hosen, Blusen, Röcke) sortiert, sondern nach Modewelten. Zielgruppe bleiben nach wie vor Frauen und Männer ab 35 Jahren. Die Kindermode wird aufgegeben. Das Geschäft mit Eigenmarken soll von bisher 45 auf 60% ausgebaut werden. Die Warenbeschaffung für Wehmeyer will Ranjan weitgehend über die Techno Gruppe abwickeln. Dadurch, und durch das Ausschalten von Zwischenhändlern lassen sich aus Sicht von Wehmeyer-Geschäftsführer Serge Brugger jährlich mehrere Millionen Euro sparen. Zudem könne jetzt schneller auf Trends reagiert werden.
„Wir starten in einer schwierigen Phase“,
räumt Brugger ein. Vom Markt werde nicht viel Rückenwind kommen. Er ist trotzdem überzeugt, dass das neue Konzept gut funktionieren wird. Derzeit sei Wehmeyer bei der Belieferung der Filialen etwas im Zeitdruck. Ab Frühjahr seien die Filialen dann wieder in vollem Umfang mit Kollektionen bestückt. Für das kommende Jahr strebt Ranjan, der für Wehmeyer einen nicht näher bezifferten Betrag in Millionenhöhe bezahlt hat, einen Umsatz von rund 100 Mio. Euro und einen kleinen operativen Gewinn an. 2008 erwartet Insolvenzverwalter Kebekus jedoch noch einen Verlust von 20 bis 25 Mio. Euro.
Noch ist nicht mit allen Vermietern eine Einigung über die Fortsetzung der Mietverhältnisse zu den bisherigen Konditionen erzielt worden. Für sechs Filialen steht die Zustimmung noch aus. Kebekus will die Standorte notfalls in Eigenregie fortführen, da dem Insolvenzverwalter das Recht zustehe, die Filialen unbegrenzt auf Basis bestehender Verträgen weiter zu führen.
„Die Rechnung der Vermieter, die den Sanierungswillen dazu missbrauchen wollen, auf die Mieten noch eins draufzusetzen, wird nicht aufgehen“,
sagte der Insolvenzverwalter. Über mögliche Insellösungen für bereits geschlossene Geschäfte ist noch keine Entscheidung gefallen. Kebekus zeigte sich erleichtet, dass er die Sanierung in so kurzer Zeit mit einem neuen Eigentümer für Wehmeyer abschließen konnte.
„Es ist in diesen schwierigen Zeiten ja kaum möglich, noch einen Investor zu finden, der seriös ist.“
Nach anfänglich rund 30 Interessenten sei zuletzt noch mit einer Handvoll verhandelt worden. Wehmeyer hatte Anfang Juli Insolvenzantrag gestellt. Am 1. Oktober war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. 16 der 39 Filialen wurden geschlossen. Nahezu alle 950 Mitarbeiter wechselten in eine Beschäftigungsgesellschaft. Rund 500 von ihnen werden nun neue Arbeitsverträge angeboten, die auch erfolgsabhängige Komponenten enthalten. Wehmeyer war im August 2005 von Karstadt-Quelle an die amerikanische Schottenstein-Gruppe verkauft worden.
Quelle: HIB, Nr. 34
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