Ein Immobilienbrief für die Metropolregion Ruhr

Von Dr. Gudrun Escher

Ende August wies der Index der Immobilienwirtschaft von King Sturge für Deutschland erstmals nach einer langen Phase in ruhigem Fahrwasser einen Rückgang auf sowohl beim Investitionsklima als auch in noch stärkerem Maße bei der Bereitschaft neu zu mieten. Zur gleichen Zeit behauptet das Beratungsunternehmen Brockhoff aus Essen "Das Ruhrgebiet trotzt der Immobilienkrise!" Widerspricht sich das nicht? keineswegs, denn in den Marktdaten, die internationale und auch große nationale Marktbeobachter berücksichtigen, kommen allenfalls einzelne Städte wie Essen und Dortmund vor, aber nicht das Ruhrgebiet als Ganzes und das, obgleich sich hier die größte Agglomeration von Gewerbe in ganz Europa befindet mit einer standorttreuen Unternehmerschaft, wie Eckhard Brockhoff aus Erfahrung weiß.

Hier seien die Mieten mit einer Spanne zwischen 6,50 und 12,75 Euro moderat und Mieter binden sich langfristig. Angesichts des andauernden Nachfrageüberhangs nach guten Büroobjekten in allen Großstädten des Reviers rechnet er sogar damit, dass die Mieten anziehen werden, noch ein Grund mehr für Investoren, sich hier umzusehen. Das Maklerunternehmen Cubion bestätigt diese Beobachtung. In Essen, wo der Büroflächenumsatz mit rund 104 000 qm im ersten Halbjahr 2008 auf Vorjahresniveau lag, sank der Leerstand einschließlich Untervermietungsangebot um 0,2% auf jetzt 4,2%. Bei Spitzenmieten von jetzt 13 Euro hält Markus Büchte sogar 13,50 bis 14,50 €/qm künftig für möglich, da kurzfristig keine spekulativen Neubauten auf den Markt kommen. Die Flächenumsätze laut Cubion von 36 500 qm in Dortmund und 33 500 qm in Duisburg liegen zwar etwas unter Vorjahresniveau, aber zumal der Duisburger Innenhafen biete noch Potential für Mietsteigerungen auf bis zu 13,50 €/qm. Dort konnte der Entwickler Kölbl Kruse für das laufende Bauvorhaben "Looper" erfolgreich mit dem Mieter wegen gestiegener Baukosten nachverhandeln.

Trotz solcher Einzelzahlen vergleicht Andreas Goepfert, Partner der international tätigen Societät Freshfields Bruckhaus Deringer, das Ruhrgebiet mit einem schwarzen Loch, über das man außerhalb der Region nichts weiß. Warum, das hat viele Gründe, einige davon sind diese:

  • Es gibt viele Imagebroschüren, aber kein Image.
  • Es gibt viele Mikrostandorte, aber kein Zentrum.
  • Es gibt viele Gerüchte über die demografische Entwicklung, aber kaum Gewissheit.
  • Es gibt eine steigende Zahl von Übernachtungen, aber kein Hotelkonzept.
  • Es gibt viele Studien, aber keine Markttransparenz.
  • Es gibt viele Anstrengungen für ein einheitliches Logo, aber keine Einheit …

Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Seit rund fünfzehn Jahren bemühen sich Städte, die sich der Metropolregion zurechnen, um gemeinsame Auftritte auf den Immobilienmessen in Cannes und München, aber die Vielzahl der Standpartner wird immer unübersichtlicher und Außenstehende werden in dem Eindruck bestärkt, dass sich hier nur Insider auskennen. Zwar gilt diese Beobachtung eigentlich für jede Metropole, denn sie alle haben ihre besonderen Quartiere, ihre versteckten Paradiese und geschäftigen Epizentren. Aber sie haben auch ein tatsächliches Zentrum, auf das sich die Immobilienwirtschaft meist konzentriert, das, wo Verwaltungen angesiedelt sind und wo sich in innerstädtischen Fußgängerzonen der Einzelhandel abspielt. Was soll man da von einer Metropolregion halten, deren florierende Bürostandorte sogar zu den jeweiligen Einzelstädten peripher angeordnet sind – in Essen die Weststadt, in Dortmund die Stadtkrone Ost, in Duisburg der Innenhafen? Zudem hat die Stadt Essen, wo allein zehn der im Dax notierten deutschen Konzerne ihren Hauptsitz haben, gerade die Einwohnermehrheit an Dortmund verloren. Wo leben überhaupt die vor allem dann zitierten 11 Millionen Menschen der Kernregion einschließlich Umland, wenn mal wieder ein neues großes Einkaufszentrum wie am Limbecker Platz in Essen oder noch eine Philharmonie gerechtfertigt werden soll? Und wo geben sie ihr Geld aus? Welchen Wohnbedürfnissen sehen sich die großen Wohnungsgesellschaften gegenüber, von der Deutschen Annington über THS, Evonik Immobilien oder Immeo Wohnen, die alle im Ruhrrevier ihren Schwerpunkt haben, angesichts eines demographischen Wandels nicht nur in der Altersstruktur, sondern auch in der kulturellen Vielfalt, der sich hier mit einer andauernden industriellen Umstrukturierung potenziert?

In der Geschichte hat das Ruhrgebiet mehrfach die Vorreiterrolle in der Entwicklung übernommen. Das begann im frühen 19. Jahrhundert mit der industriellen Revolution, als einer Agrarlandschaft Stück für Stück die Großindustrie übergestülpt wurde und Missverhältnisse geschaffen wurden, die die Region bis heute charakterisieren. Deshalb hat neben dem Verwerter von Bahnbetriebsgelände Aurelis und dem früheren Bergbauunternehmen Harpen z.B. die RAG Montan Immobilien GmbH, nach Übernahme der MGG erst im Juli 2008 neu gebildet, rund 120 Mio. Quadratmeter ehemalige oder noch genutzte Bergbauflächen im Bestand, die sich in der Regel nicht mit Stadt- und Gemeindegrenzen decken. Dieses Potential an gut in das dichte Schienen- und Kanalnetz der Region eingebundenen Flächen nutzt künftig die duisport AG, verantwortlich für den größten Binnenhafen der Welt, um der Nachfrage nach Logistikflächen begegnen zu können, die auf Duisburger Stadtgebiet nicht mehr befriedigt werden kann. Erst im Juni beschloss man ein Joint Venture für bis zu 400 Hektar Flächen. Die neue gemeinsame Gesellschaft stellt sich anlässlich der Expo Real erstmals vor.

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Ruhrbesetzung bis 1923 folgte ein dramatischer industrieller Innovationsschub – dafür stehen stellvertretend das Weltkulturerbe der Zeche Zollverein im Essener Norden an der Grenze zu Gelsenkirchen und ein dichtes Netz von ehemaligen Werkssiedlungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Demontage der Schwerindustrie kam der nächste Wachstumsschub, der gleich die ganze Bundesrepublik in das Wirtschaftswunder mit zog mit solcher Dynamik, dass bereits Ende der 1960er Jahre erste Kohle- und Stahlkrisen für Erschütterungen sorgten und eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik begann. Damals entstanden neue Kunstmuseen und es wurden die Universitäten gegründet, in Bochum die Ruhruniversität als die größte Deutschlands – damals auch hinsichtlich des Bauvolumens! – , die heutige Technische Universität Dortmund und die Mercator-Universität Duisburg, die inzwischen mit Essen fusionierte. Hier und an einer Vielzahl von spezialisierten Fachhochschulen gibt es 140 000 Studierende, ein Potential hervorragend qualifizierter Fachkräfte in vielen Bereichen vom Bergbau über die Medizintechnik bis zum Hotelfach.

Das Leitbild der Kultur gewann eine neue Dimension, als ab 1989 die Internationale Bauausstellung Emscherpark den "Umbau einer alten Industrieregion" beispielhaft in Angriff nahm mit Erfolgen, die weltweit für Aufmerksamkeit sorgten. Hier wurde "Industriekultur" als ein neuer Begriff geprägt. Eines der Leitprojekte war der Innenhafen Duisburg, heute ein gesuchter Bürostandort, wo einige Objekte bereits mehrfach mit Gewinn weiter veräußert werden konnten, und wo derzeit Orco Germany und Kölbl Kruse als Projektentwickler die letzten verfügbaren Grundstücke für Büroneubauten nutzen. Auf den Anstrengungen der IBA, gemeinsam über Stadtgrenzen und Unternehmensgrenzen hinweg zu agieren, konnte inzwischen aufgebaut werden mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Metropole Ruhr der 36 Städte und Kreise. Sie wirkte federführend bei der schwierigen Erarbeitung eines Strategieplanes. Konzept Ruhr heißt die 2008 vorgelegte "Strategie zur nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung in der Metropole Ruhr" und listet 274 Einzelprojekte in fünf Themenfeldern auf nicht zuletzt als Leitfaden für Investitionen. Dies macht deutlich: Hier wurstelt nicht mehr jeder für sich in Konkurrenz zum Nachbarn, denn man hat sich einvernehmlich auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Sonst wäre es auch nicht gelungen, sich als "Kulturhauptstadt Europas" für das Jahr 2010 zu qualifizieren, hier tritt Essen gemeinsam mit dem Ruhrgebiet an.

Inzwischen zeichnet sich ein neuer Innovationsschub ab, denn die geopolitische Lage des Reviers im Fadenkreuz der internationalen Warenströme sorgt für Wachstum nicht nur im Bereich der Logistik selbst, sondern auch bei dem produzierenden und weiter verarbeitenden Gewerbe. So groß ist die Nachfrage nach geeigneten Flächen, dass die drei Städte Duisburg, Oberhausen und Mülheim an der Ruhr im August die Erklärung zu einer Interkommunalen Gewerbeflächenkooperation unterzeichneten. Jetzt sucht man gemeinsam nach Lösungen, wenn etwa 800 000 Quadratmeter Fläche am Stück benötigt werden, und partizipiert nach gelungener Ansiedlung anteilig an der Gewerbesteuer. Zwar kooperieren auch Essen und Mülheim bereits sowie Herne und Gelsenkirchen, aber die steuerrechtliche Genehmigung des Verfahrens wurde für die drei Nachbarstädte des westlichen Ruhrgebiets erstmalig erreicht.

Das alles klingt ein bißchen nach Imagebroschüre, nach dem Motto: Ist ja alles großartig! Aber was bedeuten all‘ diese Entwicklungen, all‘ diese Maßnahmen und Einzelprojekte tatsächlich? Sind sie wirtschaftlich tragfähig oder eher an der Verteilung von Fördergeldern orientiert? Wo öffnen sich Chancen für die Immobilienwirtschaft und wo klaffen Traum und Wirklichkeit auseinander? Was bedeutet es, wenn in einer Mittelstadt wie Recklinghausen Karstadt/Arcandor und Multi Development 135 Mio Euro investieren in ein Einkaufszentrum mit 30 000 qm Verkaufsfläche plus 12 000 qm für ein Karstadt Warenhaus? Und welches Signal geht von den ersten Vermietungserfolgen aus, die Comfort bereits vor dem Umbau des ehemaligen Hertie-Kaufhauses in Castrop-Rauxel vermeldet, das ein privater Investor aus Süddeutschland zu einem modernen Geschäfts- und Bürohaus ausbauen lässt?

Antworten liefert künftig der neue Immobilienbrief Ruhr. Wir beobachten in zweiwöchigem Tournus nicht nur wohlwollend, sondern auch kritisch die weitere Entwicklung und werden zu mehr Transparenz beitragen: Damit sich nicht nur die lokalen Akteure in der Metrople Ruhr auskennen!

Quelle: DIB, Nr. 176

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