In einigen Lagen der Hamburger Innenstadt gingen 2016 sowohl die Mietpreisforderungen als auch die erzielbaren Mieten für Einzelhandelsflächen erstmals seit Jahren zurück. Die Hamburger Vermieter waren wieder häufiger zu Verhandlungen bereit, so dass sich die Vertragsparteien deutlich schneller einigten als in den Vorjahren. „Die Rückgänge betreffen insbesondere Flächen über 300 m² oder mit Einschränkungen beim Flächenzuschnitt. Angesichts der Umsatzeinbußen des stationären Einzelhandels durch das wachsende Onlinegeschäft war der Kurswechsel vieler Vermieter mehr als überfällig“, sagt Sven Bechert, Bereichsleiter Einzelhandel bei dem Hamburger Immobiliendienstleister Grossmann & Berger, Mitglied von German Property Partners (GPP).
Wirtschaftlichkeit statt Marktpräsenz
Statt sich um jeden Preis Standorte zu sichern, müssen sich Einzelhandels- und Gastronomieflächen heute wesentlich genauer rechnen. Andernfalls geben Mieter Standorte konsequent auf oder verlängern ihre Mietverträge nicht.
Maximalmieten in Spitalerstraße und Neuer Wall möglich
Für Top-Flächen zwischen 80 und 120 m² in der frequenzstarken Spitalerstraße und am luxusgeprägten Neuen Wall lassen sich Bechert zufolge weiterhin Maximalmieten erzielen. Diese zogen 2016 gegenüber 2015 nochmals leicht von 280 auf 300 €/m²/Monat an.
Mehr Verträge, weniger Flächenumsatz
Durch die zunehmende Verhandlungsbereitschaft der Vermieter kam deutlich Bewegung in den Markt. 2016 zählte Grossmann & Berger 11 % mehr Verträge (56) in der Hamburger Innenstadt als 2015. Jedoch wurden 10 % weniger Fläche (knapp 19.000 m²) umgesetzt. Während mit 26 am meisten Verträge im kleinflächigsten Segment bis 150 m² abgeschlossen wurden, entfiel mit 34 % der Löwenanteil des Flächenumsatzes auf die Größenklasse zwischen 1.001 und 2.000 m².
Keine neuen Einzelhandelsprojekte
Anders als 2015 mit der Entwicklung des ehemaligen Vattenfall-/HEW-Hauses zur Shoppingpassage „Perle Hamburg“, der angrenzenden Einkaufspassage der HSH Nordbank und dem Umbau des „Streit’s Hauses“ kamen 2016 in der Innenstadt keine neuen Einzelhandelsprojekte auf den Markt. Die Großprojekte „Alter Wall“ und „Stadthöfe“ werden voraussichtlich ab Ende 2018 fertiggestellt.
Textiler hauptsächlich in der City West
Größter Flächenabnehmer in der Hamburger Innenstadt waren mit 28 % die Bekleidungsunternehmen. 2015 waren sie mit einem Anteil von 52 % jedoch wesentlich aktiver. Größte Neuanmietung der Branche war mit 1.150 m² der von Grossmann & Berger vermittelte Vertrag von Globetrotter in den „Girardet Hoefen“ (Gerhofstraße 19). Hier eröffnet der Outdoor-Spezialist voraussichtlich im März sein erstes City-Konzept. Bis auf wenige Ausnahmen konzentrierte sich der Flächenumsatz der Textiler auf die City West. „Hier haben sie eine größere Flächenauswahl mit erschwinglicheren Mieten als in der Mönckebergstraße, Spitalerstraße oder angrenzenden Straßen und Passagen“, erläutert Bechert.
Investitionen in eigenes Zuhause beflügeln Einrichter
Die verwandten Branchen Möbel/Einrichtung (26 %) und Wohnen/Haushalt (7 %) kamen zusammen auf einen Anteil am Flächenumsatz von 33 %. Gegenüber 2015 mit 19 % verdoppelte sich ihr Anteil nahezu. „Aufgrund der extrem niedrigen Zinsen investieren viele ihr Geld in ihre Wohnung und deren Ausstattung“, sagt Bechert dazu. „Das spiegelt sich in der Ansiedlung entsprechender Anbieter in der Hamburger Innenstadt wider.“ Nachdem 2015 der schwedische Haushaltsstore Clas Ohlson im „Streit’s Haus“ am Jungfernstieg 1.800 m² für seine erste Deutschlandfiliale anmietete, fand 2016 auch das dänische Wohndesign-Kaufhaus Illums Bolighus mit der Unterstützung von Grossmann & Berger seinen ersten deutschen Standort in der Hamburger Innenstadt.
Am 11. November 2016 eröffnete Illums Bolighus in der ehemaligen, rund 1.500 m² großen Habitat-Fläche am Neuen Wall 54. Hierbei handelte es sich um den größten Mietvertrag der Branchen Möbel/Einrichtung und Wohnen/Haushalt. 2017 kehrt BoConcept nach längerer Abwesenheit in die Hamburger Innenstadt zurück. Grossmann & Berger vermittelte der dänischen Einzelhandelskette für Designermöbel und Wohnaccessoires rund 320 m² in den ehemaligen Flächen von Pepe Jeans am Gänsemarkt 33.
Nachholbedarf bei Health Food
Neben den Textilern und Einrichtern interessieren sich immer mehr Gastronomiekonzepte für die Hamburger Innenstadt, was sich bisher jedoch kaum in den Zahlen widerspiegelt. 2016 kam die Branche auf einen Anteil von 13 % am Flächenumsatz. Gegenüber 2015 mit 15 % blieb der Anteil nahezu stabil.
„Es wird immer mehr unterwegs statt zu Hause gegessen. Gleichzeitig sind Kunden heute bereit, für gute Zutaten und Produkte mehr zu bezahlen“, so Bechert. „Das beflügelt Konzepte für Health und hochwertiges Fast Food. Gerade in diesem Segment hat die Hamburger Innenstadt im internationalen Vergleich deutlichen Nachholbedarf.“ Hierzu passt der 2016 von Grossmann & Berger vermittelte Mietvertrag für die zweite Juicebar von Mad about Juice im „Metropolis-Haus“ in der Dammtorstraße 29-32.