GC-Congress – Konzertierte Aktionen sind wichtiger denn je

Von Ruth Vierbuchen

Es war eine der schwierigsten Wochen für die weltweiten Finanzmärkte, als sich die Mitglieder des German Council of Shopping Centers (GCSC) Mitte September im Berliner Adlon zum alljährlichen Kongress getroffen haben. Ob es die schwierigste seit der Weltwirtschaftskrise 1929 war, wird die Geschichtsschreibung zeigen. Von den großen US-Investmentbanken haben nur Goldman Sachs und Morgan Stanley die Finanzmarktkrise überstanden. Lehman Brothers steht unter Gläubigerschutz, Merrill Lynch wurde von der Bank of America und Bear Stearns mit staatlicher Unterstützung von J.P. Morgan Chase übernommen.

Die US Investment-Banking-Szene ist überschaubar geworden. Mit einem etwa 700 Mrd. $ schweren Rettungspaket will die US-Regierung den Zusammenbruch des US-Finanzsystems verhindern und den Banken Kredite von zweifelhaftem Wert abkaufen, um wieder Vertrauen in den Markt zu bringen. Auch wenn sich die monetären Auswirkungen der US-Immobilien- und Finanzmarktkrise hierzulande womöglich in Grenzen halten, die Verunsicherung auf den Investmentmärkten ist überall spürbar – nicht zuletzt durch die steigenden Finanzierungskosten, die so manche Transaktion zum Erliegen gebracht haben. Immerhin galt das US-Finanzsystem auch hierzulande als Vor- und Leitbild und es wird vieles davon abhängigen, ob und wie es der US-Regierung gelingt, das System zu reformieren.

Fast ein wenig entrückt wirkte vor dem Hintergrund dieser dramatischen Weltereignisse das Leitthema des German Council Congresses im Berliner Adlon: „Emotion“, symbolisiert durch die Verpackungs-Box des Edel-Kaufhauses Tiffany. Und so mancher Teilnehmer hätte sich angesichts der Ereignisse auch einmal einen Vortrag über „facts und figures“ der Krise gewünscht und ihre Auswirkungen auf die deutsche Handelsimmobilien-Szene im Allgemeinen und die Shopping-Center im Besonderen, um die aufkeimende „Emotion der Angst“ zu bekämpfen.

„Die Branche ist verunsichert“, weil sie in einem Umverteilungswettbewerb steckt“, umschreibt Helmut Jagdfeld, Geschäftsführer der Fundus-Verwaltungen GmbH in Düren, die aktuelle Stimmungslage. Doch gerade vor diesem Hintergrund entwickele sich der German-Council-Congress – jenseits der Diskussionsrunden um das aktuelle Leitthema – nun zu einem wichtigen Hintergrundtreffen, so Jagdfelds Wahrnehmung. Und obwohl der Teilnehmerkreis immer größer wird, ist für ihn die wichtigste Botschaft des jüngsten Kongresses, dass die Mitglieder des größten bundesweit tätigen Verbandes der Handelsimmobilienbranche Deutschlands immer mehr zur Familie zusammenwachsen. Besonders wichtig bei diesem Meeting ist für das Gros der Teilnehmer der kommunikative Austausch. „Die Leute gehen mit einer positiven Grundstimmung hier raus“, ist Jagdfeld überzeugt, „obwohl die Lage schwer ist“.

Bilaterale Gespräche oder der Austausch in kleinen Gruppen sind zweifellos wichtig, angesichts der großen Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auch hierzulande zu bewältigen sein werden. Immerhin ist die Pro-Kopf-Ausstattung mit Verkaufsfläche mit 1,5 qm in Deutschland überdurchschnittlich hoch und vieles deutet darauf hin, dass der konjunkturelle Aufschwung am deutschen Einzelhandel dieses Mal vorbei gehen wird. Viele gute Standorte und Geld für die Entwicklung neuer Shopping-Center gebe es nicht mehr, fasst Jagdfeld zusammen. Er glaubt auch, dass die Bankenturbulenzen kleinere Entwickler, die ihre Projekte noch nicht in trockenen Tüchern hätten, „ins Mark treffen“ würden. Weitere Markttrends, mit denen sich die Branche auseinandersetzen muss, sind die steigenden Baukosten, die Projekte inzwischen um 10% teurer machen, während die Mieten nicht im selben Maße mit steigen. Auch die Einstandspreise haben sich im Zuge der Baukostensteigerung an die Verkaufspreise angenähert, was erklärt, warum das Geschäft mit Shopping-Center mehr oder weniger zum Erliegen gekommen ist.

Hinzu kommt auf der anderen Seite, dass der Einzelhandel mit sehr kritischen und gut informierten Konsumenten konfrontiert wird, wie Wolf Jochen Schulte-Hillen, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft SH Selection in Laer bei Münster aus der Beratungspraxis weiß. Der Bedarf und die Gepflogenheiten würden sich ständig wandeln. Standen früher Bekleidung in der Werteskala ganz oben, sind heute ganz andere Lifestyle-Themen relevant. Die ständig wechselnden Gepflogenheiten herauszufinden, ist eine echte Herausforderung auch für Shopping-Center-Betreiber. Klar ist, dass die Shopping-Center der Gegenwart viel Verweilqualität etwa durch eine gute Gastronomie bieten müssen, um die Kunden anzulocken. Denn bekanntlich kauft der Konsument lieber in einer Atmosphäre ein, in der er sich wohl fühlt. Damit rückt wieder das GCSC-Thema „Emotion“ in den Vordergrund.

Um die vielfältigen Probleme – vor allem im Interesse gesunder Innenstädte – zu lösen, sind aus Jagdfelds Sicht heute konzertierte Aktionen notwendig, an denen sich neben den Projektentwicklern und den Immobilieneigentümern auch der Einzelhandel und die Kommunen verstärkt beteiligen müssten. Es werde nicht mehr reichen, leer stehende Handelsimmobilen vom Künstler verschönern zu lassen, um über die bittere Realität des Leerstands hinweg zu täuschen.

Verstärkt wird der Druck auf die Beteiligten auch durch die Insolvenz von Hertie, die immerhin die Frage aufwirft, wie viele der 72 Standorte gerettet werden können und welche Kommune demnächst vor der Frage steht, was sie mit dem leer stehenden Kaufhaus machen soll. Hier sind Investoren und Projektentwickler gefragt, um für die innerstädtischen Immobilien neue Nutzungen etwa als City-Point (Handel plus Büro- und Praxis-Räume) zu konzipieren. Andere Varianten sind Umbau und Neuvermietung an Einzelhändler wie C & A oder H & M. Oder aber, in extremen Fällen, Abriss und Neubau als Shopping-Center.

Auch die Banken werden aus Jagdfelds Sicht gefordert sein. Denn manches Kreditinstitut dürfte in der nächsten Zeit zum Immobilieneigentümer werden, wenn die Käufer aus der teuren Boomphase die fällig werdende Refinanzierung nicht mehr darstellen können. Auch die dürften Rat benötigen.

Wesselings Bürgermeister ergreift die Initiative

Erste wichtige Signale zum Thema „konzertierte Aktion“ kommen inzwischen auch von Seiten der Kommunen, die sich bislang zurückgehalten haben bei den vielen Seminaren und Kongressen, auf denen Immobilien-Branche und Einzelhandel nach Lösungsansätzen für eine gesunde Stadtentwicklung gesucht haben. Beispielhaft ist die Initiative von Wesselings Bürgermeister Günter Ditgens, der die Bürgermeister der 72 betroffenen Hertie-Standorte sowie Insolvenzverwalter Biner Bähr und den Hertie-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Horn am 17. September ins Rheinforum seiner Heimatstadt nahe Köln eingeladen hatte. Ziel der Initiative war es, über Lösungsansätze zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und sich vom Insolvenzverwalter über den neuesten Stand der Dinge informieren zu lassen.

Es kamen über 70 Teilnehmer, so teilte Ditgens mit, darunter auch Vertreter der Wirtschaftsministerien und der Senate der Länder. Die Insolvenz der bekannten Handelskonzerne Hertie, Sinn-Leffers und Wehmeyer hat die breite kommunale Öffentlichkeit ganz offensichtlich aufgeschreckt. „Die Initiative von Bürgermeister Ditgens und deren bundesweites Echo sind für uns Verpflichtung und zusätzliche Motivation, für Hertie und jede einzelnen Filiale zu kämpfen“, versichert Insolvenzverwalter Bähr denn auch. Vielleicht springt hier und da auch eine Landesbürgschaft für das notleidende Unternehmen heraus. Die Wesselinger Initiative ist jedenfalls ein wichtiger Schritt der Kommunen, sich aktiv in das Thema „Erhaltung der klassischen Standortfunktionen der Innenstädte“ einzuschalten.

Quelle: HIR, Nr. 31, 26.09.2008

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