Gute Stadtentwicklung zeichnet sich durch gute B-Lagen aus

Von Ruth Vierbuchen. Shopping-Center werfen bekanntlich ihre Schatten voraus – und vor allem überschatten sie mit ihrem zusätzlichen Einzelhandelsangebot oft die Nebenlagen. Oder sie verändern die Laufrichtung der Passanten, so dass 1A-Lagen im schlechtesten Fall zu B-Lagen mutieren können. Diese langen Schatten verspürten auch die Einzelhändler in den Heilbronner Innenstadtstraßen, als die neue „Stadtgalerie Heilbronn“ mit 13 000 qm Verkaufsfläche (Eröffnung 2008) und der Kaufhaus-Komplex „Klosterhof- Areal“ mit etwa 10 500 qm (Eröffnung 2009) angekündigt wurden.

Die direkt an die Fußgängerzone Fleiner Straße angebundene Stadtgalerie und der 100 m entfernte Klosterhof werten die Innenstadt zwar grundsätzlich auf, wie etwa der Immobilienmakler Comfort aus Düsseldorf urteilt, weil dadurch Raum für die noch fehlenden Marken in der City geschaffen werden konnte, doch solche Veränderungen führen immer auch dazu, dass es Verlierer gibt. Und Nebenlagen sind nach Einschätzung von Deutschlands Immobilienmaklern – auch vor dem Hintergrund der Krise – aktuell nur noch schwer zu vermarkten. Dieser Beurteilung stellt Daniel Schnödt, Inhaber der Unternehmensberatung TeamScio im westfälischen Steinheim, eine ganz andere Sichtweise entgegen: „Kundenbindung schaffen nur die 1B-Lagen.“ Und: „Gute Stadtentwicklung zeichnet sich durch gute 1B-Lagen aus.“ Deshalb geht es laut Schnödt beim Thema Stadtentwicklung letztlich auch darum, den inhabergeführten Einzelhandel in den Nebenlagen zu stärken: „Denn wenn der gut ist, dann profitiert die gesamte Stadt davon.“

Um den Mittelstand zu stützen, hatten sich denn auch die Verantwortlichen in Heilbronn zu gleich mehreren Initiativen entschlossen. In Berührung mit der Stadt am Neckar kam Schnödt 2007 auf Betreiben der Stadtinitiative Heilbronn, die im Rahmen ihres Programms „Fit für die Zukunft“ für den inhabergeführten Facheinzelhandel ein Schulungsprogramm über moderne Ladenund Schaufenstergestaltung sowie Beleuchtung ausrichten wollte. Denn die 70 neuen Geschäfte in der Stadtgalerie Heilbronn würden hier ganz neue Maßstäbe setzen, so die Befürchtung. „Wir wollten etwas für die kleinen Händler tun, die sich die teuren Kongresse über diese Themen nicht leisten konnten“, berichtet Florian Baasch, Mitarbeiter der Stadtinitiative Heilbronn. Zudem hatte die Stadt, um die Auswirkungen der Stadtgalerie Heilbronn einschätzen und um die Lagen identifizieren zu können, die durch den Flächenzuwachs negativ betroffen sein könnten, ein Verträglichkeitsgutachten erstellen lassen. Und sich danach entschlossen, im Rahmen des vom Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung geförderten Programms „Soziale Innenstadt“ bis 2012 die Entwicklung der Immobilien rund um die kompletten B-Lagen – insgesamt 60 Objekte – zu fördern, damit sie für einen „wertsteigernden Einzelhandel“ attraktiver werden. Sprich: Damit sich auch hier attraktive Handelskonzepte ansiedeln.

So begann Schnödt 2008 im Rahmen der Initiative mit der Beratung von Immobilieneigentümern: „Im Prinzip geht es darum, dass man Immobilieneigentümer und Einzelhändler zusammen an einen Tisch bekommt, damit sie ein gemeinsames Konzept entwickeln“, berichtet er. Bei diesem Prozedere bot Heilbronn den großen Vorteil, dass in dem betroffenen Areal noch über 50% der Fläche im Privateigentum ist und ein großer Teil inhabergeführte Geschäfte sind. Das Einzelbeispiel Kaiserstraße 27 zeigt, wie die Aufwertung der Immobilie als ganzes einschließlich der Wohnungen und der Außenfassade auch zu einer optischen Aufwertung der Einzelhandelsfläche geführt hat. Laut Schnödt beziehen sich die Änderungsvorschläge auf die gesamte Neugestaltung der Immobilie (inkl. Außenfassade), die Gestaltung der Verkaufsfläche und des Verkaufskonzepts: „Uns geht es darum, die 1B-Lage gut zu besetzen“.

Dabei gibt er im Rahmen des Programms „Soziale Innenstadt“ nur Handlungsempfehlungen ab, es bleibt den Eigentümern und Einzelhändlern dann selbst überlassen, ob sie diese auch umsetzen. Auftraggeber ist die Stadt Heilbronn. Die Finanzierung erfolgt gemeinsam durch Bund, Länder und Kommunen. „Förderfähig sind Vorhaben, welche die Ziele des integrierten Entwicklungskonzepts unterstützen und ohne die Förderung nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang verwirklicht werden können“, schreibt das Bundesbauministerium. Dieses Städtebauförderungsprogramm, das mit vollem Namen „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt“ heißt, wurde „1999 mit dem Ziel gestartet, die Abwärtsspirale in benachteiligten Stadtteilen aufzuhalten und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend zu verbessern“. Begonnen wurde das Projekt in 161 Stadtteilen in 124 Gemeinden. Bis 2008 wurden laut Bundes-Bauministerium 523 Gebiete in 326 Gemeinden gefördert. Von der Gestaltung der Immobilien mit ihren Wohnungen und Einzelhandelsflächen führt das Thema Stadtentwicklung laut Schnödt weiter zur Gestaltung des öffentlichen Raums, oder der öffentlichen „Bestuhlung“, wie es im Fachjargon heißt.

Denn es geht hier letztlich um die Aufenthaltsqualität, die – neben der Gastronomie – durch ansprechend gestaltete Plätze geschaffen wird als Aufenthaltsraum für Kinder und junge Leute. Gerade bei dieser Klientel ist es den Kommunen wichtig, Anreize zu setzen, um junge Familien in den Innenstädten zu halten. Ein weiteres Projekt betreut die TeamScio viele Kilometer weiter nördlich, im niedersächsischen Einbeck. Hier geht es um die Zertifizierung von Einzelhändlern und Gastronomiebetrieben im Rahmen der öffentlich geförderten „Quartiers-Initiative Niedersachsen“ (QIN) unter der Überschrift „Pro Einbeck“. Im Wettbewerb mit den umliegenden größeren Städten wie Hameln, Göttingen und Hannover, die stetig Kaufkraft aus der 25 000-Einwohner-Stadt abziehen, hat die Stadt eine Offensive gestartet, um die Kaufkraft im heimischen Einzelhandel zu halten. Laut Schnödt nehmen 40 Betriebe daran teil. Dazu gehört die Ansiedlung eines kleinen Shopping-Centers in der Innenstadt, die Einführung einheitlicher Öffnungszeiten, damit die Kunden größere Planungssicherheit haben und die Förderung von örtlichen Einzelhändlern sowie die Schulung der Mitarbeiter.

Deren Konzepte werden von TeamScio überprüft und bei Verbesserungsbedarf wird eine Handlungsempfehlung ausgesprochen. Wollen die Betriebe eine Zertifizierung haben, müssen sie eine verbindliche Handlungserklärung abgeben, dass sie die Vorschläge auch umsetzen. Die Imorde Projekt- & Kulturberatung in Münster überprüft, ob die empfohlenen Veränderungen umgesetzt wurden und entscheidet, ob der jeweilige Betrieb zertifiziert und finanziert werden kann.

gi24/HIR, Nr. 48

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*