Von Ruth Vierbuchen
Fachmärkte standen seit ihrer Ausbreitung Ende der 1960er-Jahre in Deutschland heftig im Kreuzfeuer der Kritik. Die schnörkellosen Flachbauten, in der Umgangssprache gerne „Flachmänner“ genannt, siedelten sich auf Grund ihres großen Flächen- und Parkplatzbedarfs überwiegend am Stadtrand – kurz gesagt: auf der grünen Wiese an.
Die Fachmärkte – allen voran die lebensmittelorientierten SB-Warenhäuser als Vorreiter dieser Vertriebsform – symbolisierten mit ihrem breiten, tiefen und preisorientierten Sortimenten, die im Selbstbedienungsverfahren bei sparsamer Personaldecke verkauft wurden, die Wohlstandsgesellschaft mit ihrer Massen- und Überproduktion. Die Gründer dieser Fachmärkte – insbesondere im Lebensmittelbereich – bildeten eine neue Generation hemdsärmeliger Händler, deren Geschäftsmodell auf Massenkonsum, großen Einkaufsvolumina und Nachfragemacht gegenüber der Industrie basierte. Keine Vertriebsform hat den Einzelhandel dermaßen revolutioniert und das Heer der Einzelhändler so gespalten, wie die Fachmärkte.
Diese Vertriebsform zog alle Sortimente, die wachsenden Flächenbedarf hatten und die den Transport per Pkw erforderten, an den Stadtrand. Am deutlichsten spürten die Warenhäuser, die bis in die 1970er-Jahre hinein die Massenanbieter des Einzelhandels waren und das gesamte Handelssortiment unter einem Dach anboten, diesen Strukturwandel. So boten die SB-Warenhäuser der ersten Generation wie Wertkauf oder Massa neben dem umfangreichen Lebensmittelsortiment eine Drogeriemarktabteilung, Bekleidung, Schuhe, Heimwerkerbedarf und Haushalts- sowie Unterhaltungselektronik – kurz gesagt: fast alles unter einem Dach.
Es ist die Ironie des Schicksals, dass diese SB-Warenhäuser im Laufe der Zeit ihrerseits wieder wichtige Sortimente an die spezialisierten Fachmärkte wie Heimwerkermärkte à la Obi, Praktiker und Hornbach sowie die Elektrofachmärkte wie Media Markt/Saturn oder Promarkt verloren. Weitere Fachmärkte entwickeln sich.
Seither konzentrieren sich die SB-Warenhäuser mit Kerngeschäft Lebensmittel auf kleinere Sortimente und Flächen, so dass sich bei vielen Märkten der ersten Generation wie sie etwa auch die Metro-Tochter Real im Portfolio hat, heute die Frage stellt, wie diese großen Flächen sinnvoll umgestaltet und welche weiteren Handelskonzepte angesiedelt werden können. Hier eröffnet sich ein interessantes Betätigungsfeld für Entwickler.
Mit der Ausbreitung der Fachmärkte und der Verlagerung wichtiger Sortimente des täglichen Bedarfs – vor allem Lebensmittel – auf die grüne Wiese, ging in den 1980er-Jahren die „Verödung der Innenstädte“ einher und es formierte sich der massive verbandspolitische Widerstand des innerstädtischen Einzelhandels gegen die weitere Ausbreitung der aggressiven Konkurrenz.
Die Auseinandersetzung gipfelte in den 1980er-Jahren in der Novelle des § 11,3 der Baunutzungsverordnung, der es den Kommunen ermöglichte, die Ansiedlung großflächiger Märkte am Stadtrand und auf der grünen Wiese zu begrenzen. Im Umkehrschluss verhindert diese restriktive Genehmigungspraxis, dass bestehende Standorte durch die Ansiedlung weiterer Märkte entwertet werden und sie bietet einen regelrechten Bestandsschutz, was den Wert der Objekte steigert.
Seit Mitte der 1990er-Jahre die Kundenströme wieder stärker zurück in die Innenstädte fließen, der reine preisbewusste Masseneinkauf vom freizeitorientierten Erlebniseinkauf in der City abgelöst wird und die verstärkte Ansiedlung neuer Shopping-Center in den Innenstädten für neuen Zündstoff sorgen, ist der Konflikt mit den Fachmärkten in den Hintergrund gerückt. Im Gegenteil: Die Renaissance der Innenstädte erzeugt auch bei den Fachmärkten einen Strukturwandel, der in der Frage gipfelt, wie sich diese großflächige Vertriebsform im innerstädtischen Bereich ansiedeln kann. Dass der typische Grüne-Wiese-Schuhfachmarkt Reno inzwischen ein anspruchsvolleres Innenstadt-Konzept entwickelt hat, zeigt die Richtung auf.
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich im Segment Fachmärkte heute ein anderes Spannungsfeld, wie die auf den Bereich Handelsimmobilien spezialisierte BBE Handelsberatung in München in ihrem Fachmarkt Atlas 2009 aufzeigt. Denn während die Handelsunternehmen heute neben Standorten in der Innenstadt bzw. im Hauptgeschäftsbereich, in Stadtteilzentren und an Ausfallstraßen auch gerne den Standort „grüne Wiese“ nachfragen, geht laut BBE-Atlas die Nachfrage von Seiten der Investoren und Projektentwickler nach diesen Standorten stark zurück:
„Bei rund 80% der Befragten sinkt das Interesse“,
stellt die BBE fest, während 39% der Handelsunternehmen immer noch mit der „grünen Wiese“ liebäugeln. Sehr strittig ist auch der Standort Wohngebiet, der „von Handelsunternehmen überwiegend gemieden“, von der Immobilienwirtschaft aber stärker nachgefragt wird.
Laut BBE zeigt sich daran die Problematik zwischen Baurecht und Handelsmanagement. Denn die Fachmarktbetreiber wüssten, welch hohe Rentabilität sie an peripheren Standorten erzielen würden, während bei der Immobilienwirtschaft die restriktive Genehmigungspolitik in Bezug auf die Ausweisung von Sondergebieten in peripheren Lagen eine Rolle spielt. Hinzu kommen die meist geringere Drittverwertbarkeit und die schwierige Darstellung des Exits in diesen Lagen. Ein anderes kontroverses Thema sind die Fachmarktzentren, die qua definitionem mindestens 3 000 qm Verkaufsfläche haben, autoorientierte Standorte und einen gemeinsamen Marktauftritt pflegen.
Ihre Zahl ist in Deutschland aber noch eher gering. Während angelsächsische Investoren vor dem Hintergrund ihrer guten Erfahrungen auf dem britischen Markt in Deutschland noch Nachholbedarf beim Bau solcher Center sehen, steht der Einzelhandel diesen gemanagten Anlagen – das gilt auch für Shopping-Center – eher kritisch gegenüber. Nicht zuletzt, weil sie sich hier dem einheitlichen Management unterordnen und vertraglich vereinbarte Nebenkosten beispielsweise für Marketing gezahlt werden müssen.
Agglomeration oder gemanagte Fachmarkt-Zentren?
Einzelhändler präferieren die nicht gemanagten Fachmarktgebiete (Fachmarktagglomerationen), in denen sich verschiedenen Handelskonzept in lockerer Nachbarschaft ansiedeln. Nach Einschätzung der BBE dürften sich diese Agglomerationen in Zukunft dynamisch weiter entwickeln. Mehr als die Hälfte der Handelsunternehmen zieht laut BBE auch das Center als Standort in Erwägung. Für die Immobilienwirtschaft sind gemanagte Fachmarktzentren laut BBE dagegen in vielerlei Hinsicht von Vorteil, da „der Branchenmix im Lebenszyklus optimiert werden kann und eine Kontroll- bzw. Einflussmöglichkeit bei Fehlentwicklungen und Umsatzrückgängen besteht“. Durch entsprechende Eingriffe lässt sich der Immobilienwert dauerhaft sichern. Dagegen haben Entwickler und Investoren – im Gegensatz zum Handel – an Fachmarktagglomerationen ein geringeres Interesse.
Die Umfrage der BBE ergibt weiterhin, dass sowohl der Einzelhandel als auch die Immobilienwirtschaft primär den motorisierten Kunden im Visier haben. Das ergibt sich aber bereits aus der Natur der Vertriebsform Fachmarkt, die den Massenkonsum anspricht, der den Pkw als Transportmittel benötigt. Unterschiede gibt es wieder bei den regionalen Schwerpunkten: Bayern setzen zwar beide Gruppen auf Rang 1, doch während sich der Einzelhandel in der Hansestadt Hamburg keine großen Chancen mehr ausrechnet (Platz 6), sind die Investoren scharf darauf, in der Stadt mit der hohen Kaufkraft zu investieren und setzen sie auf Rang 2 hinter Bayern. Einig sind sich beide Gruppierungen wieder in ihrer positiven Einschätzung für Baden-Württemberg und Hessen mit der Metropolregion Frankfurt sowie bei ihrem geringen Interesse an den neuen Bundesländern. Ungeachtet der schwachen konjunkturellen Rahmenbedingungen geht die BBE in ihrem Ausblick davon aus, dass sich Fachmärkte dynamisch entwickeln werden – allerdings bei verlangsamtem Tempo. Dabei gehe der Trend zur Bildung von Standortgemeinschaften.
Doch im Zuge des Strukturwandels werden auch bei den Massenanbietern auf der grünen Wiese Themen wie Erlebnisqualität, Service, „ästhetische“ sowie „grüne“ Architektur immer bedeutsamer. Zudem bieten inzwischen auch immer mehr Einzelhändler Fachmarkt-Konzepte für Innenstadt und grüne Weise. Beispiel Media Markt (grüne Wiese) und Saturn (Innenstadt). Nach Einschätzung der BBE ist der Fachmarkt „nach wie vor ein attraktives Immobilien-Produkt. Durch die starke Expansion der Handelsunternehmen im Vergleich zur Umsatzentwicklung im Einzelhandel und der Bereitschaft, bei Veränderung der Standortqualität schnell zu wechseln, ist das Risiko der Nachhaltigkeit des Investments jedoch höher als bei innerstädtischen Handelsimmobilien“, schreibt die BBE. Deshalb werde im Rahmen der Projektentwicklung die ganzheitliche Sichtweise immer wichtiger, d.h. die Anforderungen des Handels, der Immobilienwirtschaft und der Kommunen, die Fachmärkte lieber in der Innenstadt ansiedeln, müssten berücksichtigt werden.
Quelle: HIR, Nr. 33
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