Handelsimmobilien: Finanzkrise – Warten auf die Rückkehr des Vertrauens

Von Ruth Vierbuchen

Die berühmte Litanei der Danksagungen ist bei offiziellen Anlässen eine wichtige Routine. Doch wenn Alexander Otto, Leiter der ECE-Geschäftsführung, bei der Eröffnungsfeier der Ernst-August-Galerie in Hannover, dem 99. Center der Hamburger ECE, bei seiner Aufzählung ausdrücklich den Banken für die langfristige Finanzierung des Projektes dankt, dann kommt der Dank in Krisenzeiten wie diesen zweifellos aus tiefstem Herzen.

Banken sind derzeit daran interessiert alle möglichen Produkte zu verkaufen, nur keine Kredite. Otto sieht hier interessante Parallelen zum Krisenjahr 2002, nach dem Börsen-Crash auf dem High-Tech-Markt, als sich die Banken bei der Vergabe von Krediten gleichfalls stark zurückhielten. Und der ECE-Chef fürchtet schwere Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft, da es für viele schwierig werde, neue Projekte zu realisieren. Auch wenn so manchem das noch nicht wirklich bewusst sei.

„Vor dem Hintergrund einer der schlimmsten Finanzkrisen seit 1929 ringt auch der deutsche Immobilienmarkt nach Luft“,

bringt auch Jones Lang LaSalle (JLL) die allgemeine Katerstimmung in der Branche plakativ auf den Punkt, angesichts der engen Verflechtung von Kapital- und Immobilienmarkt.

„Ohne Refinanzierung der Banken kein Kredit an Unternehmen, ohne Kredit keine Immobilienfinanzierung und ohne Finanzierung keine Immobilientransaktionen“.

Der Kreislauf ist bekannt. Die Schwindel erregende Berg- und Talfahrt an den Weltbörsen und die Krisensitzungen der Regierungen dokumentieren das Ausmaß der weltweiten Verunsicherung, die sich auch darin spiegelt, dass

„derzeit der gesamte Immobilienhandel über einen Kamm geschoren wird“,

wie Marcus Lemli, Leiter Capital Markets Deutschland bei JLL den totalen Mangel an Vertrauen beklagt:

„Die Frage nach der Berechtigung teilweise horrender Risikoaufschläge auf an sich gut besicherte Kredite mit guten Immobilien mag man sich stellen.“

In dem konzertierten Rettungspaket aller wichtigen Regierungen rund um den Globus sieht Lemli einen wichtigen Schritt, um den Interbankenhandel wieder anzutreiben.

„Doch wichtig ist natürlich das Vertrauen“, wie ECE-Chef Otto feststellt, „und ich fühle, dass das nicht über Nacht wieder aufgebaut werden kann – besonders bei langfristen Projekten“.

Nach seiner Einschätzung wird es ein Jahr dauern, bis wieder eine „gewisse Normalität“ erreicht wird. Letztlich werde sich bei den Banken aber die Erkenntnis durchsetzen, dass die Kreditvergabe nun einmal zu ihrem Geschäft gehöre, hofft Otto.

Die ECE selbst wird laut Otto noch einige Projekte weiter verfolgen und zur Baugenehmigung führen und durchaus einkalkulieren, dass sich einzelne auch mal um drei Monate verschieben können. Das sei kein Problem.

„Bei Projekten, die in sechs Monaten in die Realisierung gehen, da werden wir versuchen, die zu verwirklichen“,

so Otto.

Anlass zum Feiern in diesen schwierigen Zeiten gibt es für die Hamburger ECE in der nächsten Zeit auch: Am 14. November steht die Eröffnung des 100. ECE-Shopping-Centers, den Arkády Pankrác, in Prag an. Derweil hat Jones Lang LaSalle in seiner Untersuchung über die ersten drei Quartale des laufenden Jahres festgestellt, dass das Transaktionsvolumen bei deutschen Gewerbeimmobilien mit rd. 16,5 Mrd. Euro um 55 bis 60% unter den vergleichbaren Ergebnissen der Boom-Jahre 2006 und 2007 liegt.

„Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Transaktionsvolumen von 20 bis 23 Mrd. Euro“,

wagt Lemli den Blick aufs Jahresende. Doch alle Portfolio-Transaktionen bzw. größere Transaktionen jenseits der 100 Mio. Euro-Marke haben sich laut Jones Lang LaSalle in diesem Jahr – schon vor Eskalation der Finanzkrise – als schwierig erwiesen. In den ersten neun Monaten wurden nur 17 Transaktionen jenseits dieser Größenordnung registriert, 2007 waren es noch 87.

Allerdings war 2007 auch noch ein Ausnahmejahr. Auf dem Vermietungsmarkt für Einzelhandelsimmobilien hält der Vertrauensverlust an den Finanzmärkten nach der jüngsten Marktanalyse von Kemper’s Jones Lang LaSalle gut positionierte Handelsunternehmen bisher nicht davon ab, ihre Expansion voranzutreiben, was auch Comfort beobachtet hat. Gleichwohl zeige sich, dass auch auf der Einzelhandelsseite die Eigenkapitalausstattung bei Standortausweitungen an Bedeutung gewinne. Zudem hat der Vermietungsmarkt laut Kemper’s JLL im dritten Quartal an Dynamik verloren. Nur 27% aller Mietverträge seien im 3. Quartal abgeschlossen worden. Das Gesamttransaktionsvolumen bei Handelsimmobilien erreichte laut Kemper‘s JLL in den ersten drei Quartalen 2 Mrd. Euro. Bleibt die Frage, wer sich noch als Käufer auf dem Immobilienmarkt bewegt?

Laut Jones Lang LaSalle sind inzwischen die deutschen offenen Fonds wieder verstärkt auf der Käuferseite zu finden. Sie haben ihren Anteil von 5% (2004) und 12% (2005) inzwischen auf 15% ausgebaut. Immer noch hohe Mittelzuflüsse und ausreichende Eigenkapitalausstattung machten Finanzierungen möglich, stellen die JLL Experten fest.

„Dementsprechend nutzen sie die sinkenden Preise für den sehr selektiven Erwerb von attraktiven Immobilien“,

so Lemli. An führender Position stehen auf Käuferseite weiterhin die Asset/Fund Manager mit einem Anteil von 23%.

Dass die Finanzmarktkrise auch in der Realwirtschaft zu einem stark spürbaren Rückgang führen wird, davon ist Karl-Erivan Haub, geschäftsführender Gesellschafter der Mülheimer Tengelmann-Gruppe überzeugt. Der Familienunternehmer, der in der Vergangenheit auf eine konservative Finanzierungsstrategie und die Bildung von Rücklagen gesetzt hat, fürchtet, dass noch so manche Handelsunternehmen, die schlecht finanziert sind, die Segel streichen müssen.

„Diese unverantwortliche Zockerei der Banken müssen wir in der Realwirtschaft nun ausbaden“,

macht der Familienunternehmer seinem Zorn Luft. Er erwartet 2008 das schwächste Weihnachtsgeschäft seit Jahren. Allerdings hat sich die weltweite Krisenstimmung noch nicht auf dem Konsum der Bundesbürger niedergeschlagen. Laut ECE-Chef Otto hat der Einzelhandel zuletzt gute Umsätze erzielt und auch Haub hat noch keine deutliche Kaufzurückhaltung gespürt. Diesen Trend bestätigt auch der Handelsverband HDE. Händler, die sich ihren Humor noch bewahrt haben, sprechen bereits von der „Flucht in Sachwerte“.

Wolfgang Kubatzki, Partner bei Feri EuroRating Services AG, schätzt Deutschland immer noch als attraktiven Markt ein. Zwar seien die Transaktionsvolumina zurückgegangen, doch stelle das im langfristigen Vergleich nur eine Normalisierung des Marktgeschehens dar.

„Top-Objekte in zentralen Lagen werden aufgrund der Nachfrage von vor allem einheimischen institutionellen Investoren weiterhin gefragt und preisstabil bleiben“,

ist er überzeugt.

Quelle: HIR, Nr. 33

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