Von Frank Peter Unterreiner, Immobilienjournalist
Der Immobiliendialog Region Stuttgart am 8. Juli war ein riesen Erfolg und mit 420 Teilnehmern einer der größten deutschen Immobilienkongresse. Besonders erfreulich: etwa 150 Teilnehmer kamen von außerhalb Baden-Württembergs, sogar aus den Vereinigten Staaten und arabischen Ländern waren Interessenten angereist.
Dabei hätten es noch mehr Teilnehmer werden können. Der Kongressorganisator Heuer-Dialog musste aus Platzgründen die Anmeldeliste schließen und viele Interessenten abweisen, was zu teils heftigen Protesten führte. Ein anderer Grund für die hohe Beteiligung war die Preispolitik. Stuttgarts Wirtschaftsförderer Klaus Vogt setzte einen Teilnehmerbeitrag von 320 Euro durch. Vergleichbare Kongresse, die meist von nur wenigen Dutzend Teilnehmer frequentiert werden, kosten in der Regel zwischen etwa 1.200 und 1.800 Euro. Die Seminarveranstalter werden ob des großen Erfolgs in Stuttgart ihre Preispolitik überdenken müssen.
„Stuttgart war ein closed Shop, das beginnt sich zu ändern“,
betonte Alexander Möll, Senior Project Manager von Hines Immobilien. Sein Unternehmen erwarb jüngst die ehemalige Oberpostdirektion in der Lautenschlager Straße in Stuttgart für knapp 67 Mio. Euro, eröffnete jetzt ein Büro und will weiter zukaufen. Für ihn zählt die Stadt inzwischen zu den „Top drei Standorten in Deutschland“ – vor Jahren wäre eine solche Einschätzung noch undenkbar gewesen.
„Stuttgart wird eine der besten Städte bleiben“,
pflichtete Sven Andersen, Executive Director bei Lehmann Brothers International, bei, der die Stadt sei drei Jahren im Investitionsfokus hat.
Viel Lob von Investoren für die Stadtverwaltung:
„Stuttgart ist ein fast schon erschreckend stabiler Markt“,
sagte Roland Reimuth, Head of Acquisitions von Corestate Capital. Für ihn und die anderen Investoren ist die geringe Volatilität des Stuttgarter Immobilienmarktes inzwischen ein Investitionsgrund. In den nächsten Monaten will Corestate in der Stadt 80 Mio. Euro anlegen. Der Ankauf von zwei Büroobjekten wird gerade endverhandelt.
Alexander Garbe, Vorstand der 1st Red, möchte in Wohnimmobilien investieren und sucht dafür Grundstücke oder Bestände ab etwa 20 Wohneinheiten. Die Garbe-Gruppe ist seit rund einem Jahrzehnt in Stuttgart aktiv und errichtete das Einkaufszentrum Königsbau-Passage mit einem Stilwerk am Schlossplatz. Garbe lobte die „angenehme Marge“ in Stuttgart und strich – wie andere Referenten und Diskussionsteilnehmer auch – die gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung heraus.
Der Investmentumsatz erreichte in Stuttgart mit knapp 2,4 Mrd. Euro einen neuen Höchstwert, berichtete Siegfried Eschen, Niederlassungsleiter der Eurohypo. Davon betrafen 1,6 Mrd. Euro Gewerbeimmobilien. Zum Vergleich: 2004 betrug das gesamte Investitionsvolumen lediglich etwa 600 Mio. Euro. Der Büromietmarkt entwickelt sich prächtig, erzählte Sandro Camilli, Büroleiter von Jones Lang LaSalle, am Rande der Veranstaltung. Bis Jahresende könnten 200 000 qm Fläche vermietet sein. Zum Vergleich: 2007 waren es 169.000 qm.
Geringes Fertigstellungsvolumen als Kaufargument: Der Leerstand beträgt nur 6,3%, referierte Ulrich Nestel, Leiter Bürovermietung beim Bankhaus Ellwanger & Geiger. 2008 werden 105.000 qm Bürofläche bezugsfertig, davon sind bereits 93.000 qm vermietet. 2009 kommen 55.000 qm auf den Markt, davon sind 23.000 qm vergeben. Das geringe Fertigstellungsvolumen ist laut Sven Andersen ein weiterer Grund dafür, dass Stuttgart ein interessanter Investmentmarkt ist.
Kummer bereiten den Investoren in Stuttgart im Grunde nur die niedrigen Büromieten. 18 Euro in der Spitze, mehr wird nicht erlöst. Es fehlen internationale Dienstleister, die höhere Mieten gewohnt sind, analysierte Eva Rometsch, Vorstandsmitglied von Bülow. Der Grund dafür ist die schlechte internationale Anbindung des Stuttgarter Flughafens, sagte Michael Bräutigam, geschäftsführender Gesellschafter von Colliers Bräutigam & Krämer. Doch der Makler geht davon aus, dass es mit den Neubauten auf Stuttgart 21 gelingt, die Grenze von 20 Euro Höchstmiete nachhaltig zu durchbrechen.
Beim Vorabendauftakt, dem Eurohypo-Talk, war Stuttgart 21 das Diskussionsthema unter der Moderation von Peter Brenner, Leiter Kundenbetreuung Stuttgart der Eurohypo. Wirtschaftsförderer Klaus Vogt und der City-Manager Hans Pfeifer bezogen unterschiedliche Positionen zur Einzelhandelsfläche auf dem sogenannten Galeria Ventuno-Areal (mit Spannung wird die Entscheidung der Deutschen Bahn erwartet, an wen sie das Grundstück nach dem Konkurs des ursprünglichen Investors verkaufen will). Vogt wies darauf hin, dass Stuttgart unterdurchschnittlich wenig Verkaufsfläche pro Kopf ausweist und beschwor die Vision, dass sich dort bis in etwa 25 Jahren ein „1a-Quartier“ entwickeln werde.
„Stuttgart 21 wird keine 1a-Einzelhandelslage“: Pfeifer konterte, dass die Verkaufsfläche in der Innenstadt innerhalb von acht Jahren bereits um 100.000 qm gewachsen sei. Die Königstraße könne einen Solitär auf dem Teilareal A1 vielleicht verkraften, doch viele Nebenlagen hätten heute schon Probleme. Er forderte, auf den Ventuno-Grundstücken entlang der Wolframstraße, die seiner Ansicht nach niemals ein 1a-Standort werden, statt 50.000 qm Verkaufsfläche nur ein Nahversorgungszentrum mit 15.000 qm zuzulassen. Eine Änderung des Bebauungsplans kommt laut Vogt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Stadt sich dann schadensersatzpflichtig machen würde.
Stuttgart steht vor dem größten Bau- und Investitionsboom seiner jüngeren Geschichte – auch dies hat viele der Kongressteilnehmer angelockt. So startet bald der Bau des Verkehrs- und Stadtentwicklungsprojekts Stuttgart 21. In der Innenstadt werden 100 Hektar Gleis- und Bahnhofsfläche geräumt und zu Stadtquartieren und Grünflächen umgewandelt. Auf dem ersten Teilareal haben sich zahlreiche Investoren von auswärts Parzellen gesichert. So plant das Bankhaus Wölbern ein Wohnhochhaus, die Mannheimer Fay-Gruppe ein Bürogebäude und Reiß & Co Real Estate aus München Mietwohnungen.
Auf der Anhöhe Pragsattel, hier scheiterte vor einigen Jahren der Trump-Tower, sind vier Grundstücke für ein Hochhaus ausgewiesen. Eine der Parzellen davon erwarb Bülow. Auch Porsche kaufte sich auf dem Pragsattel ein, Europas größte Waschanlage ist im Bau und die Münchner Gieag plant ein Bürogebäude mit markanter Glasfassade.
Quelle: DIB, Nr. 171, 25.07.2008