Infrastruktur enttäuscht Anleger von Indexfonds

Von Maximilian Pisacane, Wirtschaftsjournalist

Glänzende Augen bekommen zahlreiche Anleger und Investoren beim Begriff „Infrastruktur“. Er taucht seit einiger Zeit immer wieder auf, in Zeitungen und TV-Börsensendungen oder in Broschüren und Studien. Meist ist von einem Megatrend die Rede – geht es doch um sehr viel Geld. So schätzte die Weltbank das jährliche Investitionsvolumen in Infrastruktur von 2005 bis 2010 auf 850 Mrd. Dollar. Doch mittlerweile schätzt die American Society of Civil Engineers, dass alleine in den USA 1,6 Billionen Dollar investiert werden müssten. Vor allem China und Indien, aber auch andere Schwellenländer dürften demnach einen enormen Nachholbedarf haben: Für Indien werden schätzungsweise 500 Mrd. Dollar benötigt, und China braucht etwa eine Billion Dollar.

Aber auch Europa hat Bedarf. So schätzt die Europäische Investitionsbank die Ausgaben für Aus- und Ne ubauten bis 2010 auf 500 Mrd. Euro. Allein Deutschland müsste mindestens 70 Mrd. Euro ausgeben, um seine Infrastruktur wie etwa Straßen und Schulen auf dem neuesten Stand zu halten, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) ermittelte. „Industrienationen unterschätzen das Thema Infrastruktur. Der Ausbau und die Modernisierung von Flug-, Seehäfen, Autobahnen, Brücken, Pipelines und Kommunikationsnetzen wurde über viele Jahre vernachlässigt und müsste in den nächsten Jahren nachgeholt werden", so Portfolio-Manager Perry Lucas von UBS Global Asset Management.

Infrastruktur – Auf Xetra gehandelte Indexfonds
Zur Vergrößerung bitte auf die Graphik klicken!

Doch in den entsprechenden Börsen-Indizes findet sich davon keine Spur – was auch Interessenten, die in entsprechende Indexfonds investieren, schmerzlich spüren, notieren diese doch nahe ihren Tiefstständen. So machte der DB X-Tracker S&P Global Infrastructure ETF seit Anfang Juni fast 10% Minus, und der den NMX Infrastructure Europe Index abbildende Indexfonds von EasyETF verlor gar 12 %. Etwas stabiler zeigt sich der IShares FTSE/Macquarie Global Infrastructure 100 mit minus 5%. Zum Vergleich: Der Dax und der EuroStoxx 50 verloren im gleichen Zeitraum jeweils etwa 8%.

Der Grund ist aus Sicht von Marktbeobachtern recht simpel: Es fehlt das Geld. Wie oben gesagt, müsste sehr viel Geld in Infrastruktur-Projekte fließen – theoretisch. Doch in der Praxis sieht das ganz anders aus als Studien berechnen. So müssten eigentlich Schwellenländer nach den Kalkulationen der Weltbank jedes Jahr 7% ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) in den Ausbau ihrer Straßen, Schulen, Schienen, Krankenhäuser, Wasser- und Energieversorgung und weitere Infrastruktur-Maßnahmen stecken. Die Erfahrung zeigt aber: In Lateinamerika werden seit Jahren weniger als 3% des BIP investiert. Und auch hierzulande quellen die kommunalen Kassen nicht gerade über. „Derzeit wird nur annähernd ein Drittel von dem investiert, was nötig wäre“, sagt Michael Janetschek, Immobilienexperte und Partner bei Ernst & Young Real Estate. Er erwartet jedoch trotz der leeren Kassen einen Boom: „Es muss ja investiert werden, es wird ja ansonsten immer schlimmer.“

Vor allem seit die politischen Rahmenbedingungen vorschreiben, dass 15 % der Investitionen über Public-Private-Partnerships (PPP) abgewickelt werden müssen. In diesem Bereich erwartet der Ernst & Young-Manager daher auch Wachstumsraten von 15 %. Für Thomas Beyerle, Leiter des Bereichs Research & Strategie bei der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds mbH (DEGI) ist dies jedoch nur ein kleiner Anfang: „Das wird den Bereich am köcheln halten, ihn aber nicht beschleunigen.“ Laut Beyerle ist nun die Phase des Geld-Einsammelns abgeschlossen, aber noch fehle es an geeigneten Projekten. „Noch immer sind die Vorbehalte der öffentlichen Verwaltung gegenüber Privatinvestoren groß“, meint der DEGI-Manager. Erst wenn ein paar Projekte zur Zufriedenheit beider Seiten abgewickelt würden, „dürfte der Knoten platzen – aber wohl nicht mehr in dieser Dekade“.

Da der Begriff Infrastruktur vieles zusammenfasst und somit recht diffus ist, lohnt sich eine sektorale Sicht der Dinge. Gemeint sind damit beispielsweise die Sektoren Bauwirtschaft, Energie- und Wasserversorgung, aber auch Telekommunikation. So entwickelt sich auch das Thema Wasser, welches als das „blaue Gold des 21. Jahrhunderts“ gilt, für Anleger enttäuschend. „Der Markt hat das Potenzial von Wasser-Investments eben noch nicht voll realisiert“, erklärt Frank Henze, Leiter Produktmanagement bei Barclays Global Investors (Deutschland) AG. Die Indexfonds auf Energie oder Versorger haben die Anleger ebenfalls in der jüngeren Vergangenheit frustriert – und das bei steigenden Energiepreisen.

Ferner kühlt sich laut Deutsche Bank Research die deutsche Bauwirtschaft gleichfalls ab, sofern sie nicht durch Dienstleistungen und Auslandsgeschäfte die Eintrübung auf dem deutschen Markt ausgleicht. Selbst der australische Weltmarktführer Macquarie hat seine Renditeerwartungen nach Kosten runtergeschraubt auf bis zu 8,5 %. Immerhin gelten Infrastruktur-Investment ja als langfristige Anlage mit regelmäßigen Cash-flows und damit einer vergleichsweise ausgeglichenen Risiko-Rendite-Relation. Schließlich laufen die meisten Infrastruktur-Projekte über mehrere Jahre. Daher raten Experten zu einem Anlagehorizont von mindestens vier Jahren.

Quelle: DIB, Nr. 171, 25.07.2008