Je steiler der Einbruch, desto dynamischer der Aufschwung

Von Werner Rohmert

Nach der Devise „Sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit“ schlagen wir uns mit der Hoffnung auf einen dynamischen Aufschwung am Ende des tiefen Tals auf die Seite der Optimisten. Wenn das System hält, wird es so sein. Wenn es nicht hält, ist unsere dann eingetretene Fehlprognose sicherlich das Geringste unserer Probleme.

Wir lassen es ganz einfach sein, Ihnen Zahlen vorzurechnen. Wir können für 2009 jede Rezessionsvariante vorrechnen und begründen. Die Hoffnung von vielen Prognostikern auf eine Trendwende im 2. Halbjahr hat lediglich religiöse Züge. Das 200, 300 oder sogar 1 000 Milliarden-Gerede von Regierung und Presse können wir nur schwer nachvollziehen. Allerdings ist eine self fullfilling prophecy auch im Abschwung nicht auszuschließen. Das Finanzsystem hat in beide Richtungen die Rationalität verloren. Die Euphorie um Barack Obama macht Angst. Denn wenn das Momentum nicht ausreicht, die USA aus der Krise zu führen, wird die Enttäuschung umso schlimmer.

Seit über 20 Jahren erarbeite ich für „Der Platow Brief“ und unsere Medien Konjunkturbücher und Kurzprognosen. Nie war ich so hilflos. Im Januar letzten Jahres schrieb ich im Immobilien Jahrbuch 2008: „Neben der klassischen volkswirtschaftlichen Prognose, … , gibt es ein realistisches und logisches Stör-Szenario mit einer Art globalem „Domino Day“, bei dem die weltwirtschaftlichen Dominostein-Felder ausgehend von den USA mit einer Verzweigung nach Asien und Europa der Reihe nach fallen.“ Das Krisen-Szenario, das wir seit mehreren Jahren mitführen, weil uns die Erfahrung lehrte, dass Softlanding nach Euphoriephasen eher eine Ausnahme ist, wollten wir aber nicht wahrhaben. Wir blieben optimistisch und wurden rechts überholt. Dieses Jahr sind wir noch unsicherer. Das Störgefühl erreicht mittlerweile klinische Ausmaße. Aber trotzdem bleiben wir optimistisch.

Kaum hat die Marktwirtschaft den Kampf der Systeme gegen den Kommunismus gewonnen, steht sie auch schon unter Suizidverdacht. Der Selbstmordkandidat hat sich aber schwer verletzt in volkswirtschaftlichen Rettungsnetzen verfangen. Er lebt noch, aber wie er herauszuholen ist, bleibt Gegenstand der Diskussionen – meist, ob es nicht besser gewesen wäre, nicht zu springen. „Fliegen lernen“ ist auch ein gern diskutierter Vorschlag.

Es ist nicht nur alles schief gegangen, was schiefgehen konnte, sondern die Realität hat auch noch den Möglichkeitsrahmen gesprengt. Der Geldschöpfungsprozess ist gebrochen. Regierungen verteilen derzeit Geld mit dem Hubschrauber, aber speziell die Deutschen fliegen so hoch, so dass es zu spät ankommt. Aber das ist egal. Konjunktur ist Psychologie.

Wie geht es weiter? Klar, die „Realwirtschaft“ muss wieder dominieren. Aber dann fehlt ein riesiger Batzen des volkswirtschaftlichen Gewinnpotentials. Rechnen Sie doch einmal die US-Wirtschaft der letzten 10 Jahre ohne zinsgetunte Immobilienbubble, ohne immobilienfinanzierte Konsumbubble, ohne Dollarangst induzierte Assetbubble oder ohne Gewinne des Finanzsektors durch, der bei 12% BIP-Anteil 40% der Unternehmensgewinne machte und über Megagehälter Stimmung brachte. Da kommt man leicht auf ein echtes Nullwachstum. In vielen Ländern Westeuropas war es nicht anders. Rechnen Sie doch mal Spanien oder Großbritannien durch. Was geschieht mit der Verschuldung der privaten Haushalte, wenn Immobilienpreisverfall den Schulden die Sicherheit nimmt. Mobilitäts-, Konsum- und Konjunktureffekte sind unvermeidlich. Wie sollen wir da wieder heraus? Die Antwort macht Angst. Eine neue Bubble muss her! Oder Inflation!

Was bedeutet das für die deutsche Immobilienwirtschaft? Das Gute zuerst: Geld ist mit Vertrauen bedrucktes Papier. Was bleibt, wenn das Vertrauen weg ist? Papier. Das reanimiert Urängste. Während der Autor und die Bevölkerung vor einem Jahr noch bedenkenlos ihre Altersvorsorge auf ein Versicherungs- und Wertpapierdepot des deutschen privaten Finanzsystems aufgebaut hätten, würden heute wieder Immobilienaspekte eine wichtige Stellung einnehmen.

Grenzenlose Gier und Risikobereitschaft im Umgang mit anderer Leute Geld und Altersvorsorge hinterlässt Vertrauenslöcher. Zum ersten Mal seit 15 Jahren, in denen immobilienwirtschaftlich in der privaten Kapitalanlage alles schiefgegangen ist und Demografie-Ängste dominierten, fühlt sich der Anleger mit Zinshäusern wieder wohl. Das wird vielen anderen auch so gehen. Eine Wohnung zum Wohnen im Alter und eine Wohnung für die Nebenkosten verhindert Altersarmut.

Zum anderen haben die deutschen Immobilienmärkte die weltweite Inflationierung realer Assets nur im internationalen Investmentgeschäft mitgemacht. Niedrige Zinsen nach Reanimierung des Systems können manche Schwachsinnsportfolios oder Immobilien AG’s retten. Auf breiter Front der Kapitalanlage des privaten Sektors kann so die Immobilie eine Renaissance erleben – außer es gibt einen Crash mit deflationären Tendenzen. Dann sieht es aber überall mau aus.

Bezogen auf die Immobilienwirtschaft bedenken Sie: Die besten Kreditverkäufer sind die dämlichsten Immobilieneinkäufer. Die Konsequenz für das doch relativ solide Deutschland bedeutet: Die Banken werden zum größten Immobilieneigentümer. Der Staat wird zum größten Banker. Laurence J. Peter dreht sich vor Lachen im Grabe herum. Jetzt erreichen sogar Systeme die Stufe ihrer Unfähigkeit.

Fazit: Bedenken Sie bei aller Trauerstimmung: Je tiefer das aktuelle Konjunkturtal wird, desto steiler wird der anschließende Aufschwung. Das ist allein schon mathematisch unvermeidbar – es sei denn, der Potentialpfad dreht! Wenn Sie jetzt noch bedenken, wie viele Billionen Dollar weltweit in Investitionsprojekte gesteckt werden, die erst mit starker Zeitverzögerung wirksam werden, ist klar, dass der nächste Aufschwung steil sein wird. Wenn Sie dann noch bedenken, wie viele Hundert Milliarden aktuell in die Finanzsysteme gepumpt werden und aufgrund des Abbrechens des Geldschöpfungsprozesses nur eine „1:1“-Verwendung finden oder komplett in der Liquiditätshortung verschwinden, ist klar, dass hier Billionen darauf warten, dass der Hebel wieder funktioniert. Weltweit ist es zum Überleben des Mittelstandes und der Wählerschichten nötig, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben bzw. wieder niedrig werden und die Risikomargen der Banken wieder Realitätsnähe spiegeln. Bislang gehen alle geldpolitischen Maßnahmen im Bankensystem unter. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch an guten Standorten wieder Immobilien mit 7,5 oder auch 10% Rendite und stabilem cash flow verfügbar sein werden, die sich dann wieder mit 4-5% und einem riesigen Hebel finanzieren lassen. Damit ist übrigens schon klar, wer die Gewinner des nächsten Aufschwungs sein werden. Das sind unter anderem die Finanzjongleure, die der Weltwirtschaft den Schubs ins Tal versetzt haben.

Die Welt sieht am Ende der Krise etwas anders aus. Ob der Weg ein sozialistischer wird oder ob uns ein neuer zinsgetunter Turbokapitalismus in die nächste, dann noch stärkere Krise reißt, wissen wir nicht. Dann hätten wir nur ganz gerne Immobilien. Ob wir 2009 zwei oder vier Prozent BIP-Absturz haben, ist eher müßig. Beides können wir rechnen. Das ist doch sowieso nur der best case, der unterstellt, dass die Krise im Griff ist und den Unsicherheitshöhepunkt überschritten hat. Dafür sprechen zwar keine rationalen Zahlenanalysen. Die zeigen sogar noch eher Grauen auf. Für eine Beendigung der Krise steht nur der Glaube, dass die Staaten bei Bedarf Geld mit dem Hubschrauber verteilen und glaubwürdig deutlich gemacht haben, dass kein systemrelevantes Finanzhaus mehr scheitert und seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Wie lange die kleineren Staaten das durchhalten sollen, wird besser nicht diskutiert. Über Großbritannien, Spanien oder die jungen Staaten Osteuropas wagen wir nicht nachzudenken. Den worst case einer anhaltenden Systemstörung hat noch niemand durchgerechnet. Wir tun das auch nicht. Erstmals in deutscher Nachkriegsgeschichte bleibt eine ökonomische Restangst. Lassen Sie uns am nächsten steilen Aufschwung verdienen – und von dem Geld eine Arche bauen!

Quelle: DIB, Nr. 184

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