Von Dr. Günter Vornholz, Nord/LB Immobilien Research
Der deutsche Einzelhandel sieht sich einer schwierigen Marktsituation gegenüber, die durch Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte und einen weiter voran schreitenden Strukturwandel gekennzeichnet ist. Die Probleme der traditionsreichen Häuser Hertie, Sinn Leffers und Wehmeyer zeigen dies deutlich. Alle drei sind im Jahr 2005 aus dem Karstadt-Quelle-Konzern ausgegliedert worden und erleiden nun ein ähnliches Schicksal.
Das spiegelt auch die Gesamtsituation des deutschen Einzelhandels wider. Nach dem Anstieg der preisbereinigten privaten Konsumausgaben im Jahr 2006 war bereits 2007 ein Rückgang von 0,4% zu verzeichnen. Für 2008 wird diese Entwicklung sich weiter verschärfen, da die drastisch gestiegenen Energiekosten und die davon ausgelöste Preisentwicklung die Verbraucher nachhaltig verunsichern und deren Konsumzurückhaltung weiter verstärken werden. Die Schwäche des privaten Konsums wird die Einzelhandelsumsätze von der Nachfrageseite her weiter belasten. Der Rückgang der wertmäßigen Umsätze von 1,1% im Jahr 2007 im Vergleich zum Vorjahr zeigt dies bereits. Wird vom Volumen ausgegangen, beträgt der Rückgang sogar 2,2%.
Auf der Angebotsseite ist das Bild der Branche durch einen hohen Wettbewerbsdruck geprägt. Große Filialisten agieren in einem wetbewerbsintensiven Umfeld erfolgreicher als ihre kleineren Wettbewerber. In deutschen Toplagen in Berlin oder Hamburg liegt der Anteil der Filialisten bereits mehr als 90%, wobei insbesondere große Textilhäuser vertreten sind. Der traditionelle Facheinzelhandel oder Warenhäuser verlieren dem gegenüber schon seit geraumer Zeit an Marktanteilen. Da durch die Wettbewerbssituation dem Standort der Einzelhandelsimmobilie eine entscheidende Bedeutung zukommt, sind die Mieten in den Toplagen aufgrund der hohen Nachfrage entsprechend gestiegen. Daneben wird die Flächeninanspruchnahme durch moderne Warenpräsentation immer höher, so dass die Flächenproduktivität immer weiter sinkt.
Dieser schwierigen Marktlage sehen sich auch die drei aktuellen Problemfälle gegenüber. Sinn Leffers und Wehmeyer stehen dabei in direktem Wettbewerb mit den großen Textilfilialisten und die von ihnen genutzten Immobilien befinden sich in aller Regel in guten – und damit teuren – Innenstadtlagen. Dies ist der Hintergrund des von den Geschäftsführungen angeführten Argumentes, die Probleme seien in erster Linie auf eine zu hohe Mietkostenbelastung zurückzuführen, die beispielsweise bei Sinn Leffers durchschnittlich 14,5% der Umsätze ausmache. Wettbewerbsbedingte hohe Standortkosten und sinkende Umsätze erklären diesen mehr als doppelt über dem Branchendurchschnitt liegenden Wert. Die Hertie-Warenhäuser gehören dem an Gewicht verlierenden Facheinzelhandel- und Warenhaussegment an, der an vielen Standorten bereits deutlich Flächenüberkapazitäten aufweist. Dieses Handelsformat hat in der traditionellen Form aufgrund der veränderten Konsumwünsche der Verbraucher im aktuellen Marktumfeld kaum eine Chance.
Die drei Fälle machen exemplarisch deutlich, wie wichtig es für den deutschen Einzelhandel ist, sich den kommenden Herausforderungen zu stellen und diesen aktiv zu begegnen. Wir sehen diese in der demographischen Entwicklung, der Wahl des optimalen Standortes sowie der Angebotsform. Eine abschließende Herausforderung stellen die auch in Zukunft weiter divergierenden Marktkräfte dar, die sich zum einen in einer wenn überhaupt nur schwach steigenden Nachfrage und zum anderen in einem wachsenden Angebot mit steigender Verkaufsfläche zeigen.
Quelle: DIB, Nr. 173, 22.08.2008
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