Von Dr. Claus Becher und Thorsten Flum, Immobilien-Research der DekaBank
Als neue moderne Investitionsstandorten gelten die neuen gigantischen Städte, die sog. Megacities, wie Shanghai, Moskau oder Sao Paulo, die den etablierten ehemaligen Weltzentren London, Paris oder auch New York und Tokio zumindest von der Einwohnerzahl bereits nahe kommen. Diese neue Generation von Megacities wächst jedoch mit einer völlig neuen Dynamik. Während London noch 130 Jahre brauchte, um von der ersten Million Einwohner die 8-Millionengrenze zu knacken, benötigte Mexiko-City und Peking nur 70 Jahre.
Neben dem Wachstumstempo lassen auch weitere zentrale Eigenschaften solcher Megacities aufhorchen. Zum ersten sorgen das Bevölkerungswachstum und die Verstädterung für einen wachsenden Konsumentenpool und einen nicht endenden Strom an neuen Arbeitskräften. Bis zum Jahr 2015 erwarten die Vereinten Nationen, dass 10% der weltweiten Stadtbevölkerung in den 25 größten Städten leben wird, im Jahr 2025 bewohnen bereits zwei Mrd. Menschen diese Millionstädte rund um den Globus. Zweitens können durch die schiere Größe dieser Städte positive Agglomerationseffekte realisiert werden, was zu einer höheren Produktivität führt.
Drittens verfügen die Megacities i.d.R. über eine verhältnismäßig stark ausdifferenzierte Wirtschaft. Die wachsende Bevölkerung verspricht also sowohl Stabilität als auch Produktivität. Viertens sorgt die zentrale Bedeutung der Megacities für die politische Bereitschaft, die staatlichen Investitionen zu tätigen, die benötigt werden, um das schnelle Wachstum der Einwohner sowie der Arbeitsplätze zu gewährleisten. Auch sind die Megacities in der Regel sowohl Wissens-, und Finanzzentrale des Landes. Dadurch haben diese zentralen Städte in weniger entwickelten Ländern einen erheblichen Entwicklungsvorsprung gegenüber den restlichen Teilen des Landes und einen großen Teil der Wirtschaftskraft des Landes auf sich vereint.
Megacities haben auch ihre Schattenseiten, denn der Weg hin zur Realisierung der genannten Vorteile ist steinig. Zunächst sind es vermehrt gering qualifizierte Arbeitskräfte, die die Landflucht in die Megacities antreten, ohne dass dort ausreichend Arbeitsplätze vorhanden sind. Zusammen mit einem Mangel an adäquatem und ausreichender Infrastruktur bilden sich Slums mit einem Heer von Tagelöhnern. Oft zeigt sich das Phänomen der „First World within the Third World“ mit einer großen Lohnspreizung. Darüber hinaus entstehen soziale Unruhen unter den katastrophale Umwelt- und Lebensbedingungen. Ein dominierender informeller Sektor und die fehlende Rechtssicherheit können Investoren darüber hinaus stark verunsichern. Sind Megacities nun die neuen Wachstumsmotoren oder überwiegen die Schattenseiten?
Sicher ist, dass die Megacities starke Wachstumsaussichten bieten. Allerdings befinden sie sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und sind deshalb auch für unterschiedliche Investorengruppen mit verschiedenen Risikopräferenzen interessant. So sind z.B. London, Paris und New York Märkte, mit dem höchstmöglichsten „Reifegrad“. In diesen „Core“-Städten kann der Investor von allen Vorteilen einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft profitieren und findet in der Regel bereits fertig erschlossene Märkte mit relativ niedrigen Transaktionskosten und einer guten Informationslage vor. Sie generieren einen stabilen Einkommensstrom mit einer weiterhin guten Entwicklungsperspektive. Am anderen Ende des Entwicklungsbandes sind junge Megacities wie Mumbai und Lagos. Diese Megacities sind noch von einem starken Zuzug geprägt, adäquater Wohnraum und öffentliche Infrastruktur sind weder hinreichend vorhanden, noch kann der Aufbau mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. Hier dominieren noch die Schattenseiten der Städtebildung.
Zwischen diesen beiden extremen, also den „jungen“ und den „reifen“ Märkten existieren Städte wie Peking, Moskau oder Mexiko-City. Diese haben zwar einen unterschiedlichen Reifegrad. Ihnen ist allerdings gemein, dass sie in einer Phase sind, in der sie den Zenit ihres Bevölkerungswachstums überschritten haben, die vorhandene Infrastruktur allerdings noch nicht nachgezogen hat. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses können weitere Investitionen in die öffentliche Versorgungsinfrastruktur, etwa der Energieversorgung sowie dem Nahverkehr erwartet werden. In diesem Zusammenhang kommt es dann zu einem Aufschwung des Wohnungsbaus und einer Rückbildung der Slums, zu Investitionen in die Ausbildung der Bevölkerung und der Generierung von Wohlstand. Moskau ist hierfür ein Beispiel: In der Stadt boomt nicht nur die Wirtschaft, sondern man geht auch von einer annähernden Vollbeschäftigung aus. Insgesamt sind die Chancen für ein überdurchschnittliches Wachstum bei gleichzeitig moderaten Risiken in den Städten, die kurz vor der „Reife“ stehen, relativ gut. Sie bieten ein vielversprechendes Rendite/Risikoprofil. Darüber hinaus ist ihr wirtschaftlicher Aufschwung wesentlich stabiler und die Entwicklung besitzt eine stärkere Nachhaltigkeit als außerhalb der Agglomerationsräume.
Insgesamt sind Megacities zwar als Investmentstandorte geeignet, sind allerdings kein Selbstläufer. Es kommt vielmehr auf die Kombination von Risikobereitschaft und Timing an dort profitable Geschäfte zu realisieren.
Quelle: Der Immobilienbrief, Nr. 161, 07.03.2008