Nachgedacht! – Haben wir wirklich 10 Jahre Flaute vor uns?

Von Werner Rohmert

Die Presse suhlt sich derzeit mit Prognosen über Tiefe und Länge der bevorstehenden Rezession. Da wird von dekadenlangen Flauten berichtet. Nonsens! Wie immer unter der Voraussetzung, dass nicht unser seit langem parallel laufendes theoretisches Krisenszenario durch erneut verschobene Grenzen menschlicher Dämlichkeit in der Realität noch bei weitem übertroffen wird, unterstellen wir, dass das gesamte System eben nicht zusammen brechen wird, und gehen wir eher von einer schmerzhaften, aber nicht allzu lange währenden, Krise aus.

Unsere alten Leser werden sich erinnern, dass ich 2002 im damaligen Credit Crunch mit Basel II-Verwerfungen darauf hinwies, dass auch Banken von den Margen eines nicht gemachten Geschäftes nicht leben können. Banken sind im Übrigen ein wichtiger volkswirtschaftlicher Transmissionsmechanismus, der die volkswirtschaftliche ex post Erkenntnis I=S (Investitionen der Unternehmen = Sparen der Haushalte) in Maschinen und Steine bzw. Beton umsetzt. Damals gingen die deutschen Firmenkundenbetreuer abends frustriert nach Hause und erzählten, sie hätten der Bank viel Geld gespart und kein Geschäft gemacht. Damals haben die Banken das überraschend lange durchgehalten. Was wir völlig unterschätzten, war das Auslandsventil, das den Banken genügend Auslandsgeschäfte zuspülte. Diesmal dürfte das Szenario anders aussehen.

Deutsche Unternehmen und deutsche Immobilien sind derzeit die bonitärsten und perspektivereichsten Schuldner in Europa und befristet auch in USA. Asien rutscht gleichfalls in eine dramatische Entwicklungsdelle. Daher werden sich die Banken zur Rettung ihrer eigenen Bilanzen wieder relativ frühzeitig auf das deutsche Geschäft besinnen müssen.

Es steht dabei lediglich in den Sternen, ob die Immobilie davon profitieren wird. Bauträger mit einer paar Mitarbeitern, aber Investments im Hunderte-Millionen-Bereich stehen ganz bestimmt nicht oben auf der Agenda der Förderung des Mittelstandes. Dabei ist der ganze Non-Recourse-Wahnsinn der letzten 4 – 5 Jahre ist noch nicht bei den Banken angekommen.

Am Ende wird Deutschland mit einer Renaissance der privaten Immobilienkapitalanlage und auch als Gewinner aus der Krise herausgehen. Die Krise trifft Deutschland zum Zeitpunkt höchster relativer Wettbewerbsfähigkeit. Ob uns allen allerdings die Rolle eines Amateurboxers gefällt, der sich im Krankenhaus mit schweren Blessuren darüber freuen kann, dass er den Kampf am Ende doch noch gewonnen hat, steht zu bezweifeln. In der Antike nannte man so etwas Phyrrussieg. Sicherlich und zu Recht wird zu fragen sein, welche Idioten überhaupt die Kontrahenten in den Kampf geschickt haben.

Vor fast 30 Jahren habe ich als Assistent des damaligen Bankenpapstes Prof. Dr. Hans E. Büschgen immer gelernt und selbst unterrichtet, dass das Bankwesen einer besonderen volkswirtschaftlichen Verantwortung unterliegt und deshalb einer speziellen Regulierung und Kontrolle bedarf.

Sicher haben wir damals nicht darüber nachgedacht, dass dies nur eine Regel für Unternehmen und Menschen ist, die zu unmodern sind, mit ein paar hundert Pfund in Dublin eine Tochtergesellschaft außerhalb der Bilanz zu gründen, die mit einer Art monetärer Generalabsolution außerhalb der Bilanz Zins- und Fristendifferenz-Wetten mit hohen zweistelligen Milliardenbeträgen durchführen konnten und so Landesbanken und Dax-Konzerne an die Wand fahren durften. „Nulla poena sine lege“ gilt natürlich als Leitsatz des römischen Rechtes. Allerdings gilt für das deutsche Steuerrecht z. B. der Umgehungstatbestand, der es einfach verbietet, bestehende Gesetze unter dem Aspekt des Steuersparens zu umgehen. Dieser Grundsatz wird für viele nachträgliche Optimierungen von Finanzströmen zugunsten des Finanzamtes herangezogen. Könnte es hier Parallelen geben?

Fazit: Es wird sicherlich moralisch und menschlich zu fragen sein, dass Manager, die in Deutschland hiesigen Gesetzen verpflichtet sind und als deutscher Bankmanager sich ihrer besonderen volkswirtschaftlichen Verantwortung und dem Sinn spezifischer Gesetze für Banken und Versicherungen unterwerfen müssen, aus Deutschland heraus mit der vollen Haftung deutscher Institute alle Spielregeln der Betriebswirtschaft und des Bankwesens für wilde Spekulationen beliebig im Ausland über den Haufen werden dürfen.

Quelle: DIB, Nr. 178