Von Leif Krägenau, GfK GeoMarketing GmbH/GfK PRISMA Institut
Die portugiesische Metropolregion Lissabon, die sich um das Tejo Delta entwickelt und neben dem Distrikt Lissabon auch die Setubal Halbinsel umfasst, ist das wirtschaftliche und kulturelle Herz des iberischen Staates Portugal mit seinen insgesamt knapp 11 Mio. Einwohnern. Nach dem Beitritt zur EU 1986 hatte Portugal Anschluss an die europäische Wirtschaft gefunden und u.a. durch massive Privatisierungen einerseits sowie auch durch EU-Hilfsmittel andererseits in den 90er-Jahren eine überdurchschnittliche Wirtschaftentwicklung erfahren.
Allerdings stagniert diese Entwicklung seit einigen Jahren deutlich, nicht zuletzt, weil Portugal u.a. als Billiglohnland in Konkurrenz zu den neuen EUStaaten steht. Diese allgemeine Entwicklung schlägt selbstverständlich auch auf die Landesmetropole Lissabon durch, die aber insgesamt immer noch eine sehr stabile Wirtschaft aufweist. Diese wird zum einen von einer hafenaffinen Industrie und zum anderen von einem stark wachsenden Dienstleistungssektor (u.a. Sitz nationaler und internationaler Banken, Versicherungen oder Telekommunikationsunternehmen) getragen. Zudem hat auch der Tourismus in Lissabon – genauso wie für ganz Portugal – eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung.
Ausgehend von dieser Mittelpunkts-Funktion der Region Lissabon und der aufgezeigten wirtschaftlichen Liberalisierung entwickelte sich seit Mitte der 80er-Jahre eine ausgeprägte Shopping-Center-Szene. Den Ausgangspunkt bildete die Eröffnung der Centeranlage Amoreiras im Jahr 1985 im gleichnamigen Büroquartier.
Dabei wird die Region Lissabon – wie auch Portugal insgesamt – von den beiden leistungsstarken Entwicklern Sonae Sierra und Multi Development geprägt. Ausgehend von dieser entsprechend professionellen „Marktbearbeitung“ erreichen Shopping Center in Lissabon (bzw. Portugal) eine im europäischen Vergleich sehr hohe Marktbedeutung und es hat sich über die Jahre und unter Berücksichtigung der entsprechenden „Kämpfe“ um Marktabschöpfungsquoten bzw. Einzugsbereiche ein sehr differenziertes räumliches Center-Muster ergeben. Konzeptionell innovative und großflächige „Highlights“ dieser Entwicklung waren u.a. das Cascai Shopping (1991) im Westen der Region, das zentral gelegene Centro Colombo (1997), das mit über 100.000 qm GLA (Bruttomietfläche) in eine neue Flächendimension vorgestoßen ist, das Centro Vasco da Gama (1999) auf dem Expo-Gelände im Nordosten der Stadt sowie das Almada Forum (2002) südlich des Tejo.
Ein Blick auf die Verteilung der Shoppingcenterfläche in den Centeranlagen zeigt auch, dass durchaus von einer Marktsättigung gesprochen werden kann und die Entwickler insofern – auch bereits in der Vergangenheit – sehr stark auf das Thema „ausreichend kritische Masse“ gesetzt haben, um sich im Wettbewerb abzuheben. So sind über 50% der Shoppingcenterflächen der Großregion in Anlagen mit über 50.000 qm GLA angesiedelt.
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung sowie teilweise auch auf die jüngere Vergangenheit lassen die aufgezeigten Sättigungstendenzen erkennen, dass perspektivisch ein deutlicherer Wettbewerb entstehen wird und „Verteilungskämpfe“ zu erwarten sind. So werden großflächige professionelle Entwicklungen wie u.a. das Forum Barreiro im Süden der Region (Setubal Halbinsel) oder Dolce Vita im Nordwesten sehr stark auf die bestehenden Centeranlagen durchschlagen. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass das Format „Fachmarktstandort und Fachmarktagglomeration“ in Portugal/Lissabon derzeit noch unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, aber stark aufgebaut wird. Es entstehen sogenannte „Retail Parks“.
Festzuhalten bleibt, dass ausgehend von der sehr hohen Attraktivität der Region Lissabon eine räumlich-strukturell sehr differenzierte und leistungsstarke Shopping-Center-Szene entstanden ist, in der zukünftig erhebliche Verteilungskämpfe stattfinden dürften. Insofern wird es für den Erfolg der Centeranlagen von fundamentaler Bedeutung sein, auf der Grundlage präziser Marktbeobachtungen eine zielgenaue Marktstrategie zu entwickeln.
Hierzu gehört auch, die eigene Position und die eigene Vorgehensweise selbstkritisch zu hinterfragen und die eigenen Center professionell weiterzuentwickeln. Eine Aufgabe, die die Großen der Szene bereits angehen. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das Refurbishment des Centro Colombo im Jahr 2008 für über 30 Mio. Euro. Wer hier die Zeichen der Zeit verschläft und nicht über eine entsprechende Konzeptstärke verfügt und keine professionellen Antworten in diesem Wettrennen findet, wird in Lissabon künftig mit erheblichen Umsatzverlusten und in der Folge mit Vermietungsproblemen zu rechnen haben.
Quelle: HIR, Nr. 24, 20.06.2008