Von Stefan Heerde, Leitung Consulting, Engel & Völkers commercial Berlin
Die Einzelhandelslandschaft in den Innenstädten Deutschlands zeigt derzeit eine ambivalente Entwicklung auf:
Einerseits ist zunehmend, und das nicht nur in Großstädten, eine verstärkte Konzentration der Flächennachfrage auf die Top-Standorte festzustellen. Und es vergeht kaum eine Woche, in der nicht über neue innerstädtische Einzelhandelsprojekte berichtet wird. Das Motto „zurück in die Innenstädte“ ist für den Einzelhandel bereits seit einigen Jahren mehr als nur ein Trend. Bekannte nationale und internationale Filialisten richten bei ihrer Expansion verstärkt ihr Augenmerk auch auf die Einkaufslagen in mittelgroßen Städten und in Kleinstädten. Die Flächennachfrage von Filialisten in 1a-Lagen sowie die Entwicklung neuer bzw. umfassende Modernisierung innerstädtischer Shopping Center führt zu einer zunehmenden Erhöhung des Filialisierungsgrades in den innenstädtischen Top-Lagen.
Andererseits leiden traditionelle innerstädtische Geschäftsstraßen zunehmend und dauerhaft unter Trading-Down-Tendenzen und Leerständen. Auslöser ist der umfassende Strukturwandel im Einzelhandel und die damit verbundenen tief greifenden Auswirkungen auf die Einzelhandelslandschaft. Der Druck auf die Nebenlagen und Stadtteilquartiere hat sich durch die Konzentration und Flächenexpansion im Kernbereich der Innenstädte enorm erhöht. In den letzten Jahren sind die Flächenanforderungen des Einzelhandels gestiegen, die Unternehmen haben eine wesentlich höhere Flexibilität mit sinkender Standortbindung und agieren immer weniger standortbezogen. Zudem werden die von den Expansionsleitern der Filialunternehmen definierten 1a-Lagen häufig deutlich kleiner definiert als die umfassenderen „gefühlten“ oder gewünschten 1a-Lage der Stadtpolitiker und Bewohner. Schon in den Randbereichen der 1a-Lagen treten immer deutlicher die Auswirkungen der Trading-Down-Tendenzen zu Tage: Verfall der Mieten, Banalisierung des Angebots und zunehmender Flächenleerstand.
Was können innerstädtische Quartiere tun, um zu ihren Stärken zurückzufinden? Der wachsende Filialisierungsgrad in den Top-Lagen und innerstädtischen Shopping Centern erhöht einerseits die Attraktivität der Innenstädte und führt anderseits zu einer Uniformisierung. Die Attraktivität einer Innenstadt und ihrer innerstädtischen Shopping Center basiert jedoch nicht nur auf dem Vorhandensein der großen Mainstream-Filialisten, sondern auf dem Vorhandensein interessanter differenzierter Quartiere mit eigenständigen Profilen, die letztendlich das Besondere, das Unterscheidbare einer Innenstadt zu anderen Innenstädten ausmacht. Das haben nun auch viele Shopping Center Betreiber erkannt.
In den letzten Jahren werden überall in Deutschland neue Kooperationsformen diskutiert, die eine stärkere Einbindung von Immobilieneigentümern in die Aufwertung und Profilierung von innerstädtischen Quartieren vorsehen. Diese „Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISG)“ und „Business Improvement Districts (BIDs)“ können als eine neue Form von public-private-partnership in der Stadtentwicklung charakterisiert werden. Unter BIDs versteht man Gebiete, in denen sich Immobilieneigentümer, auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung (kommunaler Satzung), zu einer Abgabe (Selbstbesteuerung) verpflichten, mit der sie Maßnahmen zur Aufwertung und Entwicklung ihres Standortes in Eigenverantwortung umsetzen. Die Investitionsmittel werden von allen Eigentümern in Form einer Abgabe erbracht, die von den Finanzbehörden erhoben und dann an einen von den Grundeigentümern autorisierten Träger des BIDs zur Umsetzung der Maßnahmen weitergeleitet wird. Die Durchführung und Umsetzung einer Initiative ist zunächst auf drei bis fünf Jahre befristet und auf einen von den Eigentümern selbst fest zu legenden Bereich beschränkt.
Voraussetzung für die Festsetzung eines BIDs ist eine mehrheitliche Zustimmung der Grundeigentümer (hierbei gibt es unterschiedliche Quoten und Berechnungen). So werden alle Eigentümer an den Kosten der Aufwertung beteiligt, Trittbrettfahrertum ausgeschlossen und verbindliche Absprachen zwischen Eigentümern und Kommune festgelegt. Nachdem einige Bundesländer (Hamburg, Schleswig Holstein, Bremen und Hessen, demnächst Nordrhein Westfalen und das Saarland) bereits landesrechtliche Regelungen für die Einrichtung von BIDs geschaffen haben, wurde mit der Novellierung des Baugesetzbuches zum 1. Januar 2007 auch auf Bundesebene der Aspekt privater Initiativen zur Stadtentwicklung ins BauGB aufgenommen (§171ff. BauGB) und damit Rechtssicherheit für die private Initiativen zur Stadtentwicklung in den Ländern geschaffen.
Damit wurde der rechtliche Rahmen für Standortkooperationen gesetzt. Unabhängig davon müssen jedoch auch professionelle Organisationsstrukturen aufgebaut werden, die die Interessen der Immobilieneigentümer bündeln, die Umsetzung der Maßnahmen und das Management am Standort zur Steuerung des Branchenmixes und Standortqualität wie in einem gemanagten Shopping Center, betreiben können.
Über diese allgemeine Kooperation von Eigentümern, z.B. innerhalb eines BIDs oder einer ISG, hinaus gibt es im Grundsatz drei Modelle der gemeinsamen Bewirtschaftung von Immobilien: Neben der Gründung von Standortgemeinschaften durch die Eigentümer (als Verein, e.G., GbR oder GmbH), die eine Managementgesellschaft mit dem Standortmanagement beauftragen ist auch das Standort- und Flächenmanagement durch einen Generalmieter ein interessanter Ansatz. Dieser mietet alle Ladenflächen der Standortgemeinschaft an und vermarktete diese aus einer Hand.
Die Synthese aus beiden Modellen wäre ein geschlossener Immobilienfonds, an dem sämtliche Einzeleigentümer proportional ihre Anteile halten. Dies erfordert und ermöglicht gleichzeitig ein professionelles Immobilien- wie Standortmanagement, Flächenzusammenlegungen wären ebenso ermöglicht wie eine inhaltliche Steuerung von Branchenmix und Niveau der Nutzungen. Ein vierter Ansatz ist der Aufkauf von Schlüsselimmobilien durch einen Eigentümer oder Projektentwickler, der dann wie in einem Straßencenter Standortmarketing und Branchenmix gestaltet kann.
Quelle: Handelsimmobilien Report, Nr. 14, 01.02.2008