Ruhrinvest I: Das Ruhrgebiet zieht Bilanz – ein Seiltanz zwischen Understatement und Selbstüberschätzung

Von Dr. Gudrun Escher

Die Wirtschaftsförderung der Metropole Ruhr hat zusammen getragen, was in der Region an Immobilieninvestitionen seit 2006 getätigt wurde bzw. sich noch in Planung oder Abwicklung befindet und kam im ersten Anlauf auf rund 90 Projekte mit einer Bilanzsumme von 4 Mrd. Euro.

In einer Fachtagung in Mülheim an der Ruhr wurden einzelne Projekte vorgestellt. Die Liste von Projekten reicht vom ThyssenKrupp-Quartier in Essen mit allein 200 Millionen Euro Investitionssumme bis zum Produktionsgebäude der ISRA Surface in Herten für 4 Millionen oder dem Yachtclub am Harkortsee in einem historischen Fachwerkhaus, Umbausumme ungenannt.

Dies alles könnte positiv beeindrucken, gäbe es da nicht einige sehr ruhrgebiets-spezifische Schönheitsfehler, denn hier findet man selten das richtige Maß zwischen Understatement und Selbstüberschätzung.

Dabei hatte Schönrednerei noch nie einen so schlechten Ruf wie heute! Über Druckfehler wie eine falsche Jahresangabe für die letzte Fußball-Weltmeisterschaft oder die Unsumme von 200.000 Mio. Euro für ein Entwicklungsprojekt in Bergkamen könnte man hinwegsehen. Verwirrend ist die doppelte Aufzählung von Projekten unter verschiedenen Rubriken, bei Wohnen, Büro und Einkaufen, nur weil dort Mischnutzungen vorgesehen sind, und ärgerlich das Mitzählen von mindestens sechs Großobjekten wie z.B. dem RWE-Tower in Dortmund, die z.T. mehrere Jahre vor dem gesetzten Zeitrahmen ab 2006 abgeschlossen wurden.

Auch bleibt rätselhaft, warum das unter "Büros" als Stadtgalerie aufgeführte "Neue Thier-Areal" der ECE in Dortmund mit immerhin 33.000 Quadratmetern geplanter Verkaufsfläche nicht in der Kategorie "Einkaufen" steht. Außerdem dürfte sich auch dem Wohlwollendsten nur schwer erschließen, was der Neubau des Museum Folkwang in Essen mit einer Immobilieninvestition der Kategorie "Büro und Produktion" verbindet außer der Finanzierung mit 55 Mio Euro durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung!

Schließlich fehlen in der vereinheitlichten Aufbereitung der Informationen recht häufig ausgerechnet die Angaben zur Investitionssumme und die Kriterien der städtebaulichen und ökologischen Qualität, auf die in der Pressemitteilung besonderer Wert gelegt wurde, sind nur mit Mühe herauszufinden, zumal die Benennung der planenden Architekten in den allermeisten Fällen fehlt. Besonders umweltgerechte Konzeptionen weisen offenbar nur magere fünf Objekte auf, darunter das mit dem britischen BREEAM Zertifikat ausgezeichnete Einkaufszentrum "Forum Duisburg" von Multi Development, die Verwaltung des Buchungsportals hotel.de innerhalb des Öko-Zentrums Hamm und die Erweiterung der Siemens PG im Hafen von Mülheim an der Ruhr.

"ruhrinvest" selbst ist ein Projekt im Rahmen von "Konzept Ruhr", dem im Frühjahr 2008 von allen Städten und Kreisen des Rurhgebiets gemeinsam verabschiedeten Entwicklungsprogramm, und soll den Institionsstandort stärken. Für diesen ersten Überblick hat die Wirtschaftsförderung metropoleruhr mit Unterstützung der Agentur GseProjekte von Gerhard Seltmann, einem Kenner der Region seit seiner Tätigkeit für die IBA Emscherpark, sowohl die Städte als auch Unternehmen abgefragt.

So kam es, dass einige wie die Stadt Bochum überhaupt nicht vorkommen, weil die Unterlagen zu spät eingereicht wurden, andere über’s Ziel hinaus schossen, um besonders gut da zu stehen. Nicht von ungefähr mahnte Andreas Schulten, Vorstand der BulwienGesa und Verfasser einer noch aktuellen Studie zum Büromarkt im Ruhrgebiet, in seinem Eröffnungsreferat eindrücklich davor, sich falsche Etiketten anzuheften. Die Stärken des Reviers lägen gerade in der Qulifizierung als B- bzw. C-Standorte mit ihrer relativen und gerade deshalb attraktiven Preis- wie Renditestabilität und es sei sinnlos wenn nicht sogar schädlich zu glauben, aus deren Addition könne ein A-Standort erwachsen.

Dies bestätigt die Beobachtung, dass 25% der Investitionen aus dem Bundesgebiet ohne NRW stammten und weitere 15% aus NRW ohne Ruhrgebiet. Das kann man, wie hier geschehen, als positives Ergebnis werten. Im Vergleich mit den A-Regionen in Deutschland und Europa – die Metropole Ruhr vergleicht sich gerne mit Paris oder London – wäre da eher ein "nur" voranzustellen und internationale Investoren sucht man vergebens. Aber liegt nicht gerade in der mit 60% Eigeninvestments unter Beweis gestellten endogenen Wirtschaftskraft die Stärke der Region?

"ruhrinvest" ist als Prozess angelegt und soll fortgeschrieben werden. Zu den nächsten Veranstaltungen will man nur noch gezielt Berater, Projektentwickler, Fondsmanager und andere Investoren einladen. Und im nächsten Durchlauf der Erhebung klappt ja dann vielleicht auch die redaktionelle Bearbeitung besser.

Quelle: DIB, Nr. 180

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