Shopping-Center, der Motor der Globalisierung

Von Ruth Vierbuchen

Die Kreditkrise hat auf dem Investmentmarkt vieles wieder an den richtigen Platz gerückt: Die Verkäufer lernen, dass die Preise vor Beginn der Subprime-Krise im Sommer 2007 ein utopisches Niveau erreicht hatten und der Korrektur nach unten bedürfen. Und die Investoren erfahren, dass es immer schwieriger und teurer wird, die Summen für große Deals zusammen zubringen. Um dem Essener Arcandor-Konzern seinen 49 % Anteil am Highstreet-Fund abzukaufen, der die Karstadt-Immobilien hält, holte sich das Konsortium aus Deutsche Bank Rreef, Pirelli Real Estate und Borletti Group mit dem Generali Real Estate Fund im Frühjahr noch einen vierten Partner ins Boot.

Sichtbarstes Zeichen dieses Wertewandels ist hierzulande, dass das Transaktionsvolumen bei Gewerbeimmobilien im ersten Halbjahr nach Feststellung von Jones Lang LaSalle (JLL) um 57% unter Vorjahresniveau gesackt ist – europaweit um 44%. Zudem gewinnen die eigenkapitalstarken Investoren wieder die Oberhand.

In diesem Markt des Wandels bilden Einzelhandelsimmobilien, die bis vor wenigen Jahren in Deutschland ein Geschäft für Spezialisten und Insider jenseits der öffentlichen Wahrnehmung waren, mit einem Anteil von 38% des Transaktionsvolumens im 1. Halbjahr das stärkste Segment. Schon 2006 hatten Retail Assets mit einem Volumen von 18,5 Mrd. Euro das Segment Büros übertrumpft. Handelsimmobilien unterliegen geringeren zyklischen Schwankungen als Büros und sind nach dem Urteil von Degi Research „die sicherste und lukrativste Investitionsmöglichkeit“.

Es ist vor allem der Strukturwandel auf dem Warenhausmarkt, der das Geschäft mit Handelsimmobilien, die in den Portfolien vieler institutioneller Investoren noch unterrepräsentiert sind, vom Volumen her antreibt: 2005 der Verkauf der kleinen Karstadt-Warenhäuser (heute Hertie) an Dawnay Day, 2006 das Karstadt-Portfolio anteilig an den Goldman Sachs Whitehall Fund. Der Verkauf des Kaufhof-Portfolios nebst Immobilien noch 2008 oder erst 2009 wird das Geschäft weiter in Gang halten. Genauso wie die Insolvenz der Hertie-Gruppe bei den Shopping-Center-Entwicklern die Hoffnung schürt, dass sie aus dem Netz der 72 Kaufhäuser einige für die Umwandlung in Shopping-Center übernehmen können.

Denn als moderne Form des Konsumtempels bieten sich Shopping-Center als Nachfolge-Nutzung für innerstädtische Warenhäuser geradezu an. Beispiele aus der Vergangenheit, wie die Neumarkt-Galerie in Köln, ein ehemaliges Hertie-Haus, oder die Centrum-Galerie, die in Dresden gebaut wird, belegen das. Und Spitzenprodukte im Shopping-Center-Segment, die auch während der Kreditkrise kaum an Wert verloren haben, stehen z.B. bei offenen Immobilienfonds laut JLL hoch im Kurs.

Ganz generell stehen Handelsimmobilien mit einem Anteil von über 40% bei den Investoren – vor Büros mit 30% – an der Spitze der Anlagewünsche.

„Fragt man nach der weltweiten Anlagestrategie der Investoren“,

so ergänzt Stephan Jung, Vorstand des German Council of Shopping Center (GCSC),

„dann favorisiert die Branche mit rund 43% Shopping-Center als sicheres, zukunftsorientiertes Investment“.

Hierzulande erwartet DEGI 2008 eine überproportionale Wertentwicklung im Sinne der Performance des Total Return von 5%.

Alle drei Wochen, so hat Prof. Wolfgang Christ von der Bauhaus Universität in Weimar vor einiger Zeit errechnet, wird in Deutschland im Schnitt ein Shopping-Center eröffnet. Im selben Rhythmus war zwischen dem 11. und der Mitte des 14. Jahrhunderts – angetrieben vom Handel – laut Christ eine Stadt gegründet worden. In Deutschland gibt es nach Angabe des Instituts für Gewerbezentren in Starnberg über 560 Shopping-Center mit einer Mindestfläche von 8 000 qm. Dabei liegt Deutschland mit einer Pro-Kopf-Centerfläche von 116,4 qm GLA (Bruttomietfläche) gleichauf mit Polen und Ungarn aber deutlich unter Ländern wie Dänemark (250 qm), Finnland (154,9 qm), Frankreich (242,4 qm), Großbritannien (256,3), Irland (305,8) oder Norwegen mit 783,9 qm, wie dem Degi-Bericht „Perspektiven europäischer Einzelhandelsimmobilien“ zu entnehmen ist. Dass Deutschland auf Grund seines ausgeprägten innerstädtischen Einzelhandels mit einer Verkaufsfläche von gut 1,4 qm pro Kopf europaweit an der Spitze steht, ist dabei ein anderes Thema, das bekanntlich viel Zündstoff in die Shopping-Center-Diskussion bringt.

Umgekehrt zeigen die niedrigen Shopping-Center-Werte in den Wachstumsmärkten des Ostens oder Südostens wie Rumänien (16,8 qm), Bulgarien (15,6 qm), Russland (13,4 qm) oder Türkei (25,1 qm), welches Potenzial hier mittel- bis langfristig besteht, vorausgesetzt der Investor prüft den Markt genau und wägt die Risiken ab. Denn wie die Marktberichte von GfK Geomarketing über die Shopping-Center-Metropolen des Ostens zeigen, fehlen moderne Shopping-Center-Flächen zwar vielfach, doch wird sich erst mit der Zeit zeigen, welcher der Standort aus der ersten Stunde auch langfristig Bestand haben. Hier steckt das Risiko der Pionierphase; allerdings locken auch „überdurchschnittliche Renditen“, die Degi in den Ländern Ukraine, Russland, der Türkei, Rumänien und Bulgarien erwartet.

Haupt-Zielmärkte sind aktuell Moskau und St. Petersburg, wo nach Beobachtung von Thomas Beyerle, Bereichsleiter DEGI Research & Strategy, die politische Krise auf dem Kaukasus das Investitionsklima bisher nicht tangiert hat: „Denn beide Seiten wollen Geschäfte machen.“ Es stelle sich nur die Frage, ob man die Risikovorsorge erhöhe. Laut Jones Lang LaSalle wurden 2007 europaweit 6 Mio. qm Shopping-Center-Fläche fertig gestellt. Dabei war Russland mit 40 Neueröffnungen und 1 Mio. qm neuer Center-Fläche europaweit der aktivste Markt.

So wie im Mittelalter unter dem Einfluss des Handels immer wieder neue Städte gegründet wurden, so geht die Expansion der Shopping-Center Hand in Hand mit der Globalisierung des Einzelhandels und der internationalen Markenhersteller. Denn beide profitieren bei ihrer Internationalisierung davon, dass sich die Konsummuster bei der jüngeren Generation z.B. in punkto Mode angleichen. Die Verfügbarkeit von adäquaten modernen Verkaufsflächen und die Qualität der Handelsimmobilien spielen dabei nach Auskunft des Beratungsunternehmens CB Richard Ellis die entscheidende Rolle, wenn sich Einzelhändler für die Expansion auf einem wachstumsstarken Schwellenmarkt entscheiden. Da es mühselig ist, auf unbekannten Märkten einzelne Filialen zu finden und sich mit den rechtlichen Bedingungen auseinander zu setzen, bieten Shopping-Center, die meist von international bekannten Unternehmen geführt werden, das ideale Tor für den neuen Auslandsmarkt.

Quelle: HIR, Nr. 30, 12.09.2008

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