Von Ruth Vierbuchen. Die USA mit ihrer großen innovativen Dynamik gelten als Trendsetter – auch wenn das Image unter der Finanzkrise stark leidet. Doch in einem Punkt wird das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht an das alte Europa heranreichen: Bei den vielen gewachsenen kleinteiligen Innenstädten mit ihrer reichen Tradition. In Deutschland besinnen sich Kommunen, Bürger und Einzelhandel seit Mitte der 1990er-Jahre wieder auf ihre Innenstädte, nachdem sie in den 1970er- und 1980ern den SB-Warenhäusern und Fachmärkten zum bequemen Einkauf per Pkw auf die grüne Wiese gefolgt sind.
„Es war leichter eine Fläche auf der grünen Wiese zu errichten, als eine innerstädtische Karstadt-Filiale auszubauen“, erinnert sich Jürgen Bohnenkamp, Geschäftsführer der Ernstings Bau- und Grund GmbH & Co KG an die Genehmigungspraxis in der Zeit, als er noch bei Karstadt war. „Die Innenstädte hatten eine schlechte Lobby, niemand fühlte sich zuständig“, ergänzt Eckhard Brockhoff, geschäftsführender Gesellschafter von Brockhoff & Partner. „Erst der Druck durch die Einkaufszentren, die den Städten das Leben richtig schwer machten, haben ein Umdenken bewirkt.“
Inzwischen zieht es Shopping-Center, Fach- und Verbrauchermärkte und sogar SB-Warenhäuser in die Innenstädte zurück. Doch die Rückkehr ist nicht einfach, denn die Ladenflächen in den Innenstädten sind meist nicht mit den riesigen Konsumgütersortimenten und Einzelhandelsformaten mit gewachsen. Vor diesem Hintergrund nahm das Thema „Zurück in die Innenstadt – Aber wie?“ auf dem „Deutschen Handelsimmobilien Kongress“ breiten Raum ein.
Der Bund hat in diesem Spiel nicht all zu viele Möglichkeiten, wie Engelbert Lütke-Daldrup, Staatssekretär im Bundesministerium für Bau und Stadtentwicklung mit Blick auf die Zuständigkeiten der Kommunen darlegte. Der Bund konzentriert sich vor allem auf die Städtebauförderung und darauf, für die Innenstädte ein schnelleres und einfacheres Baurecht zu schaffen oder mit der „Leipzig Charta“ den Prozess einer Nationalen Stadtentwicklung voranzubringen. Wie groß die Herausforderungen für die Kommunen sind, lässt sich schon daran ablesen, dass in den nächsten Jahren etwa die Hälfte der Gemeinden mit einer schrumpfenden Bevölkerung konfrontiert wird.
Doch auch wenn es laut Brockhoff viel mehr Raum gibt als man glaubt, für den großflächigen Einzelhandel ist die Ansiedlung in den Innenstädten etwa auf Brachflächen durchaus mit erheblichen Risiken verbunden, wie Joachim Tenkhoff, Geschäftsführer der Tenkhoff Properties GmbH erläutert. Gerade bei kleineren Shopping-Centern in der Größenordnung von 12 400 bis 19 000 qm wie Tenkhoff sie baut, die nicht autark existieren können wie das 30 000 qm große Center, die aus städtebaulicher Sicht aber sehr gefragt sind, ist beispielsweise der Anpassungsbedarf beim Branchenmix an den umliegenden Einzelhandel erheblich. Andere Themen sind kontaminierte Böden auf Industriebrachen, Denkmalschutz und Anpassung an die Quartiersgestaltung. Der hohe Kostendruck zwingt zudem ein 2. Obergeschoss zu bauen, das bekanntlich schwerer zu vermieten ist und die Anpassung an die umliegende Bebauung zum Bau eines 3. Obergeschosses für Büros.
Da der Anteil älterer Menschen in den Innenstädten wächst, 2050 etwa ¾ der Bevölkerung in den Städten lebt und die größeren Städte und Ballungszentren relativ schlecht mit vollsortierten Lebensmittelmärkten ausgestattet sind, stellt sich die Kölner Rewe-Gruppe dennoch den Herausforderungen, die eine Ansiedlung in der Innenstadt mit sich bringt. Denn wichtiger als der niedrige Preis als Kaufargument ist für die meisten Konsumenten die Nähe zur Einkaufsstätte, wie Stephan Koof, Leiter Vollsortiment national bei der Rewe Group berichtet. So nimmt das Unternehmen die harten Auflagen des Denkmalschutzes mit allen Restriktionen beim Bau in Kauf, um beispielsweise im ehemaligen Straßenbahndepot in Frankfurt-Sachsenhausen einen Lebensmittelmarkt zu errichten. In München baut Rewe noch Wohnungen über dem Markt, um den hohen Kaufpreis zu kompensieren.
Dass es bei der innerstädtischen Revitalisierung nie immer nur Gewinner gibt, sondern dass einige unter dem wachsenden Druck durch neue Konkurrenten leiden werden, darauf wies Jens Imorde, Geschäftsführer der Imorde Projekt- und Kulturberatung in Münster hin. Das Grundprinzip der Stadtentwicklung ist aus seiner Sicht die Public Private Partnership (PPP), die Partnerschaft öffentlicher und privater Träger.
In der Kölner Innenstadt beschäftigt sich das Neue Netzwerk Köln City Marketing mit allen Themen, die die Stadt beschäftigen. Gleichwohl beklagt Herbert Hamacher, Geschäftsführer des Kaufhof-Flaggschiffs auf der Hohe Straße, dass sich – mit einer Ausnahme – die Immobilieneigentümer der Stadt nicht an den Aktionen beteiligen. Ein Problem, dass generell immer wieder beklagt wird.
Dass jedoch viel bewegt werden kann und dass auch Destinationen jenseits der 1A-Lagen zu Top-Standorten entwickelt werden können, wenn alle – auch die Immobilieneigentümer – mitmachen, zeigte Wolfgang Schulte-Hillen u.a. am Beispiel des Stadtquartieres „The Grove“ in Los Angeles: „Man muss ein Gespür für Trends haben und zwar für die Trends von übermorgen, wenn man Immobilien baut“, ist der Experte überzeugt. In Berlin war es beispielsweise mit der Fasanenstraße gelungen, eine abgewirtschaftete Straße wieder aufzubauen.
gi24/HIR, Nr. 45
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