Transaktionsmarkt für Wohnportfolios mit unterdurchschnittlichem Halbjahresergebnis

Nach der Analyse des inhabergeführten Immobilienberatungsunternehmens NAI apollo hat sich der Transaktionsmarkt für Wohnportfolios in Deutschland nach Zeiten kontinuierlichen Wachstums im zweiten Quartal abgeschwächt. Mit einem Investmentvolumen von rund 3,1 Mrd. Euro wurden sowohl die Ergebnisse des Vorquartals (4,1 Mrd. Euro) als auch der Fünf-Jahresdurchschnitt der letzten zweiten Quartale (3,6 Mrd. Euro) unterschritten.

Gründe hierfür liegen vor allem im Zusammenhang des Ukrainekriegs mit zugespitzter Rohstoff- und Energieknappheit, einer rasch steigenden Inflation, sich kontinuierlich verschlechternder Finanzierungskonditionen sowie einer erhöhten Rezessionsgefahr.

„Ein Abwärtstrend auf dem Wohnportfoliotransaktionsmarkt ist mittlerweile sichtbar. Seitens der Investoren haben im Laufe des zweiten Quartals Vorsicht und Zurückhaltung deutlich zugenommen, was sich in den Umsatzzahlen des ersten Halbjahres aber noch nicht vollends widerspiegelt. Der Umsatz zur Jahresmitte liegt bei insgesamt rund 7,2 Mrd. Euro, was – infolge fehlender Mega-Deals – einen Rückgang von mehr als 25 Prozent gegenüber dem Fünf-Jahresmittel darstellt“, so Dr. Marcel Crommen, Geschäftsführer von NAI apollo.

Ein niedrigeres Halbjahresergebnis wurde zuletzt im ersten Halbjahr 2017 mit rund 6,1 Mrd. Euro registriert. Die Anzahl der gehandelten Wohneinheiten hat den Wert des umsatzstarken Vorjahreszeitraums (H1 2021: rund 57.000 Einheiten) mit einem Minus von über 44 Prozent untertroffen und liegt nun bei rund 31.700 Einheiten.

Cluster „100 – <500 Mio. Euro“ erneut mit höchstem Anteil

Großabschlüsse im Cluster „100 – <500 Mio. Euro“ haben das Investmentgeschehen im bisherigen Jahresverlauf geprägt. Deren Marktanteil beläuft sich auf rund 41,8 Prozent (H1 2021: rund 30 Prozent), womit das gehandelte Volumen im Vorjahresvergleich stabil auf rund 3 Mrd. Euro geblieben ist. Mega-Deals oberhalb der 500 Mio.-Euro-Marke haben im Jahresverlauf im Gegensatz zu H1 2021 (rund 1,8 Mrd. Euro) ganz gefehlt. Im mittelgroßen Segment („50 < 100 Mio. Euro“) wurden insgesamt 1,8 Mrd. Euro umgesetzt, was einen Rückgang um rund 400 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahreshalbjahr darstellt.

Auf kleine Investments entfallen die restlichen rund 2,4 Mrd. Euro (H1 2021: 3,1 Mrd. Euro). „Die zwei größten Portfoliodeals im dreistelligen Millionenbereich fanden in den vergangenen drei Monaten erneut im Investmenthotspot Berlin statt. So sicherte sich ein Joint Venture um PineBridge Benson Elliot die Mehrheit an einem hochwertigen Portfolio mit mehr als 1.000 Altbauwohnungen in der Hauptstadt. Ebenso im zweiten Quartal 2022 meldete die Adler Group den Verkauf eines mit einem Joint-Venture-Partner gehaltenen Portfolios, das circa 1.200 Wohn- und Gewerbeeinheiten in Berlin umfasst“, so Dr. Konrad Kanzler, Head of Research der NAI apollo.

Große Marktbedeutung von Forward Deals

Zur Jahresmitte erreichen Forward-Deals einen Volumenanteil von 47,6 Prozent (H1 2021: 34,3 Prozent). „Im Vergleich zum Rekordumsatz der ersten drei Monate 2022 mit 2,2 Mrd. Euro hat sich deren Umsatz allerdings im zweiten Quartal 2022 mit 1,2 Mrd. Euro nahezu halbiert. Hohe Baukosten und die generell steigende Inflation bei zugleich deutlich zunehmenden Kreditzinsen haben in den letzten Wochen zu einer abwartenden Haltung von Investoren aufgrund der erwarteten Verteuerung von Projektentwicklungen geführt. Auch Lieferengpässe und Bauverzögerungen verlangsamen das Transaktionsgeschehen. Dies könnte aber die Attraktivität von nachhaltigen Bestandswohnungen stärken“, erläutert Stefan Mergen, Geschäftsführer der apollo valuation & research GmbH.

Der Kaufpreis je Wohneinheit hat sich gegenüber dem Vorjahreshalbjahr um rund 29 Prozent auf rund 227.000 Euro verteuert (H1 2021: rund 176.000 Euro). Der Kaufpreisdurchschnitt des ersten Quartals 2022 wird auf Halbjahressicht (Q1 2022: 236.000 Euro) nun allerdings nicht erreicht. Einen wichtigen Beitrag zum aktuell hohen Preisniveau hat zuletzt vor allem der Handel von projektierten Mikroapartmentanlagen, Studentenwohnheimen und Quartiersentwicklungen geleistet.

„Offene Immobilienfonds & Spezialfonds“ dominieren auf Käuferseite

Die größten Marktanteile auf Buy-Side haben analog zu Jahresbeginn und zum ersten Halbjahr des Vorjahres die „Offenen Immobilienfonds & Spezialfonds“ mit 41,5 Prozent (-4,3 Prozentpunkte), gefolgt von „Assetmanagern & Fondsmanagern“ mit 17 Prozent (+4,4 Prozentpunkte) und „Immobiliengesellschaften“ mit 11,3 Prozent (+1 Prozentpunkt) erzielt. „Absolut haben alle drei Gruppen unter dem Strich aber weniger als im Vorjahr eingekauft“, so Kanzler.

Auf Verkäuferseite haben zur Jahresmitte „Projektentwickler & Bauträger“ wieder den höchsten Marktanteil (56,5 Prozent bzw. 4,1 Mrd. Euro) am Transaktionsvolumen erreicht. Dies bedeutet einen Anstieg von 16,4 Prozentpunkten bei nahezu unverändertem Volumen im Vergleich zum Vorjahr (H1 2021: 40,1 Prozent bzw. 4,0 Mrd. Euro). Dies unterstreicht wiederum die bislang hohe Marktrelevanz von Projektverkäufen.

Deutsche Investoren marktbestimmend

Die große Bedeutung inländischer Investoren für den deutschen Wohnportfoliotransaktionsmarkt ist auch in den letzten Monaten bestehen geblieben. Einheimische Käufer dominieren im laufenden Jahr mit einem Umsatzanteil von rund 72,4 Prozent (-1,1 Prozentpunkte ggü. H1 2021). Parallel schlossen sie mit einem Anteil von knapp 80 Prozent die meisten Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 5,2 Mrd. Euro ab (H1 2021: 7,4 Mrd. Euro). Der Umsatzanteil der internationalen Anleger vergrößert sich dementsprechend auf 27,6 Prozent, was einem Volumen von 2,0 Mrd. Euro entspricht (H1 2021: 2,7 Mrd. Euro bzw. 26,5 %-Anteil).

Abwarten bei den Marktteilnehmern

Das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2022 ist nach den Rekordergebnissen in den Vorjahren zwar schwächer ausgefallen, aber dennoch positiv zu bewerten. Der deutsche Wohnungsmarkt hat zwar seine Widerstandsfähigkeit auch in den Hochzeiten der Corona-Krise unter Beweis gestellt, momentan setzt die Kombination der verschiedenen Einflüsse dem Markt aber zu. „Neben der nicht enden wollenden Corona-Pandemie, der steigenden Inflation und der wirtschaftlichen Ungewissheit sind es vor allem die signifikant zunehmenden Zinsen, die mittlerweile Transaktionsaktivitäten bremsen“, so Kanzler.

Verkäuferseitig wird häufig noch an bestehenden hohen Preisvorstellungen festgehalten, die im aktuellen Markumfeld von Käufern nicht mehr darstellbar sind. „Besonders betroffen hiervon ist das in den Vorjahren boomende Projektentwicklergeschäft, das durch die immer weiter steigenden Rohstoff- und Energiepreise sowie großen Material- und Lieferengpässen zusätzlich unter Druck gerät“, ergänzt Mergen.

Aus diesen Faktoren resultiert momentan eine abwartende Haltung bei den Marktteilnehmern, die zu einer Abkühlung des Marktgeschehens führt. Besserung ist hier im Verlauf des zweiten Halbjahres möglich, wenn die weitere Baukosten- und Zinsentwicklung absehbarer wird und sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern wieder annähern. Der nutzerseitige Bedarf an Wohnraum ist unverändert hoch. Dies wird – ebenso wie der Inflationsschutz, den Immobilien bieten – zu einer Marktentspannung beitragen. „Für die kommenden Monate ist zu erwarten, dass das Angebot an Notverkäufen steigt. Parallel sind kurz- bis mittelfristig auch größere Bestandsverkäufe verschiedener großer Immobilienunternehmen angekündigt“, so Crommen.

Ausgehend vom jetzigen Halbjahresergebnis, fehlender Mega-Deals und der jetzigen Markteintrübung erwartet NAI apollo ein Transaktionsvolumen für das Gesamtjahr 2022 unterhalb der 15 Mrd. Euro-Grenze, womit es sich deutlich unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt (25,1 Mrd. Euro) bzw. im Bereich der Ergebnisse der Jahre 2016 (13,9 Mrd. Euro) und 2017 (15,7 Mrd. Euro) bewegen würde.