Wohnmarktbericht Hamburg – Ungebremster Preisanstieg bei Mietwohnungen

Von Sabine Richter, freie WirtschaftsjournalistinWohnen in Hamburg wird immer teurer. Während die Mieten für Büroimmobilien stagnieren und die Spielräume für Verhandlungen immer größer werden, ziehen die Mieten im frei finanzierten Wohnungsbau in fast allen Hamburger Lagen und in allen Segmenten anscheinend ungebremst an. Empirica hat in einer Erhebung eine Steigerung der Durchschnittsmieten im Geschosswohnungsbau von bis zu 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr ermittelt. Damit habe Hamburg bei der Untersuchung der deutschen Großstädte den größten Sprung im Ranking gemacht. „Hamburg ist auf dem Weg in eine Wohnungsbaukrise“, sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andy Grote. „Die Elbmetropole läuft der wachsenden Wohnungsnachfrage hinterher“, so Jones Lang LaSalle in der Studie über den Hamburger Wohnungsmarkt.

Ins Auge springt vor allem der ungebremste Anstieg in allen citynahen Lagen und im Luxussegment. So erreichen die Quadratmetermieten beispielsweise in der Hafencity mit in der Spitze bis zu 25 Euro netto kalt pro Quadratmeter ein Niveau, wie man es bis nur aus den gewerblichen Märkten kennt. Aber selbst wenn man auf die Penthouse-Wohnung mit „Blick“ verzichtet – auch „normale“ Mietwohnungen kosten in der Hafencity 16 bis 18 Euro pro Quadratmeter, heißt es im Marktbericht von Grossmann & Berger.

Druck auf die Mieten geht auch von dem sich verstärkenden Trend zum innerstädtischen Wohnen aus. In Eppendorf, den Wohngegenden rund um die Alster und an der (citynahen) Elbe haben sich Mieter an Preise deutlich über 10 Euro gewöhnt, in den bevorzugten Alsterlagen, wie Leinpfad, Rondeel, Feenteich, Bellevue und Alsterufer werden Mieten von 15 Euro verlangt und bezahlt. Bei herausregenden Objekten und Lagen erreicht der Quadratmeterpreis bis 25 Euro.

Sogar in den weniger prestigeträchtigen Wohnlagen wird es teurer, wenn sie stadtnah liegen. Spürbar wird dies vor allem in den bisher als preiswert geltenden Altbaulagen von Altona, Bahrenfeld, Ottensen und im Schanzenviertel. Hier sind die Preise in den vergangenen Jahren explodiert. 10 Euro netto kalt werden inzwischen auch in diesen keineswegs feinen Gegenden verlangt, ein WG-Zimmer ist kaum noch unter 450 Euro zu bekommen.

Preiswerter ist es nur in den wenig beliebten Randlagen. In Stadtteilen wie Billstedt, Wilhelmsburg, Harburg, Lurup und Eidelstedt gibt es noch günstige freifinanzierte Wohnungen. Basis für den Preisauftrieb bietet vor allem eine mit der geringen Bautätigkeit verbundene Wohnungsverknappung – dieser Negativtrend ist in der ganzen Bundesrepublik zu beobachten. Überalterung und Einwohnerschwund in ländlichen Regionen stehen einer erheblichen Zuwanderung in Ballungsräume gegenüber, was einen erheblichen Druck auf die Wohnungsmärkte ausübt.

Während in Hamburg die Bevölkerung seit 1998 langsam aber stetig ansteigt, weist der Wohnungsneubau ebenso kontinuierlich nach unten. Wurden 1998 noch 6846 Einheiten fertiggestellt, waren es 2007 nur noch 2899. Seitdem geht es weiter bergab, in diesem Jahr wird ein Rekordtief erwartet. Die zu geringe Bautätigkeit betrifft neben Miet- auch Eigentumswohnungen sowie Ein- bis Zweifamilienhäuser. Die Leerstandsquote liegt mit 1,8 Prozent bei Wohnungen bereits unter dem Bundesdurchschnitt.
Den zusätzlichen Baubedarf schätzt die Behörde für Stadtentwicklung auf 5000 bis 6 000 Wohneinheiten jährlich. Die derzeitige Neubautätigkeit mit rund 3 000 Wohnungen jährlich deckt nur 50 bis 60% des prognostizierten Wohnungsbedarfs ab. Bis 2020 werden mindestens 30 000 bis 40 000 Wohneinheiten benötigt.

Gleichzeitig bleiben in der amtlichen Statistik viele Abgänge unberücksichtigt, da z.B. Wohnungszusammenlegungen nicht meldepflichtig sind. Das Immobilienunternehmen Jones Lang LaSalle geht in seiner Studie zum Wohnungsmarkt Hamburg von jährlichen Abgangsquoten von 0,2 bis 0,3 des Gesamtbestandes aus.

Langfristig liegt die Preissteigerung im Mietmarkt auch in einem Nachfrageüberhang aufgrund der steigenden Flächennachfrage begründet, so eine Expertise der HypoVereinsbank. Über 40% der 800 000 Haushalte in Hamburg sind bereits Singlehaushalte, Tendenz steigend. Darüber hinaus steigt die Wohnfläche von Jahr zu Jahr an, Ein- oder Zweizimmerwohnungen sind selbst bei Singles unbeliebt. Und ältere Haushalte zeigen oft keine Bereitschaft zum Umzug in kleinere Wohnungen. Empirica schätzt, dass die Wohnfläche pro Kopf bis zum Jahr 2030 jährlich um 0,4 bis 0,8 Quadratmeter steigt. Erschwerend kommt hinzu, dass Hamburg mit einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 4% bis 2025 die höchste Wachstumsrate aller Bundesländer aufweist.
Die aktuelle wirtschaftliche Lage verschärft das Problem zusätzlich: Viele kaufkräftige Mieter, darunter auch gutverdienende Zuzügler, entscheiden sich erst einmal für eine Mietwohnung und warten ab, wie sich die konjunkturelle Entwicklung auswirkt. Angesichts der seit längerem zu beobachtenden restriktiven Kreditvergabe der Banken fehlt es sowohl Kaufinteressenten als auch Bauträgern derzeit auch an der nötigen Liquidität. Innerstädtische Grundstücke sind zudem teuer und schwer zu haben.

Investoren reagieren derzeit vor allem auf Engpässe bei hochwertigen und großen Eigentumswohnungen. „Vor allem im Bereich des Premium-Segments entsteht ein Wohnungsangebot, das es in den vergangenen Jahren in dieser Größenordnung und Preislage noch nicht gegeben hat“, heißt es in einer Studie von BulwienGesa. Von den sich im Bau befindlichen 929 Wohnprojekten mit einer Gesamtwohnfläche von rund 95 000 Quadratmetern liegt mehr als die Hälfte in den teuren citynahen Stadtteilen Winterhude, Hafencity, Eimsbüttel und Harvestehude. Im Teilbereich Elbe/City werden derzeit neun Projekte mit insgesamt 332 Eigentumswohnungen realisiert. Dagegen gibt es im preiswerten Osten mit Quadratmeterpreisen ab 2 240 Euro (Hammer Hofquartier) nur geringe Neubauaktivitäten. Der Markt ist deutlich zweigeteilt. In Hamburgs besten Lagen sind hohe Preissteigerungen zu verzeichnen, während die Peripherie stagniert oder absinkt. In der Hafencity wird keine Wohnung trotz Preisen deutlich über 6 000 Euro pro qm lange angeboten.

Zu den prominenten Beispielen gehören die von Karl Lagefeld designten Sophienterrassen, ein Ensemble aus Alstervillen und Luxuswohnungen, das auf dem Grundstück der ehemaligen Standortkommandantur zwischen Harvestehuder Weg und Mittelweg entsteht. 340 Mio. Euro investiert die Frankonia Eurobau mit ihren Partnern Provinzial Nordwest und SV Sparkassen-Versicherung in das Großprojekt. Käufer müssen für die noble Lage mit Alsterblick zwischen 7 000 und 15 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bezahlen – neben dem Marco-Polo Tower in der Hafencity sind das die teuersten Wohnungen in der Hansestadt.

Der Markt ist deutlich zweigeteilt. In Hamburgs besten Lagen sind hohe Preissteigerungen zu verzeichnen, während die Peripherie stagniert oder absinkt. In der Hafencity wird keine Wohnung trotz Preisen deutlich über 6 000 Euro pro Quadratmeter lange angeboten
„Der nicht ausreichende Wohnraum ist längst ein Wachstumshemmnis für Hamburg“, sagt SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andy Grote und fordert eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wohnungspolitik.“ Die Sozialdemokraten fordern die Bereitstellung städtischer Flächen für rund 2 000 Wohnungen, eine „Bauoffensive“ der städtischen Wohnungsbauunternehmen und eine „maßvolle Verdichtung bebauter Flächen. Die Linke Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft glaubt, dass die Mietmisere zur Vertiefung der sozialen Spaltung beitrage. Ein wichtiger Faktor für die steigenden Wohnungspreise sei der Abbau von Sozialwohnungen insbesondere im Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA. Von den 1970er Jahren bis heute sei die Zahl der Sozialwohnungen von 400 000 auf 115 000 gesunken. In den kommenden zehn Jahren würden weitere 50 000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen. Die Linke fordert deshalb, die bestehenden Sozialwohnungen zu erhalten und den sozialen Mietwohnungsbau wieder auf 8 000 bis 9 000 Wohnungen, davon mindestens 6.000 Sozialwohnungen, pro Jahr anzukurbeln.
Die Verbände fordern höhere Investitionen in den Wohnungsbau, auch um die Baubranche zu beleben. Das sei das denkbar beste Konjunkturprogramm, sagte Frank Vierkötter, stellvertretender BFW-Präsident auf einer Veranstaltung in Hamburg. Die Zahl der Baugenehmigungen sei 2008 auf einen historischen Tiefststand gesunken. Angesichts fehlender Investitionsimpulse im Neubausegment, verschärften Finanzierungskonditionen im Projektbereich sowie kostentreibenden Anforderungen im Neubau durch die Verschärfung der Energieeinsparverordnung in 2009 werde sich die Lage in diesem Jahr kaum entschärfen. Der BFW fordert daher die Wiedereinführung einer degressiven Afa in Höhe von vier Prozent für die ersten acht Jahre sowie eine vertretbare Energiepolitik im Gebäudebereich.

„Die Finanzbehörde in Hamburg vergibt zur Zeit städtische Grundstücke zum Höchstgebot und fordert im Wohnungsbau zudem einen Passivhausstandard, zumindest jedoch ein KfW 40-Haus“, verdeutlicht Vierkötter. In manchen Gebieten werden darüber hinaus noch besondere Lärmschutzfenster verlangt. Damit steigen die Baukosten aufgrund der Hamburgischen Sonderanforderungen um bis zu zehn Prozent oder 700 Euro pro Quadratmeter. Der BFW fordert daher neben einer Kombinierbarkeit der Förderprogramme eine Zurückstellung der EnEV 2012 bis zur Evaluierung der EnEV 2009 und die Entwicklung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Berücksichtigung des Investoren-Nutzer-Dilemmas. Zudem müsse der Klimaschutz im Mietrecht verankert werden, um umweltfreundliche Modernisierungen wirtschaftlich zu machen.  (gi24/DIB, Nr. 199)

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