Beim Business Improvement District ist die Eigeninitiative der Betroffenen der entscheidende Erfolgsfaktor

Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Welches ist der effizienteste Weg, eine Initiative für einen Business Improvement District (BID) ins Leben zu rufen und voranzubringen? „Am Anfang steht idealerweise eine engagierte lokale Größe aus der Wirtschaft, die von der Abwertung ihres Standorts unmittelbar betroffen ist, die zudem einen guten Draht zur lokalen Politik hat und das notwendige Engagement, sich für strategisch wirtschaftliche und gesellschaftliche Belange einzusetzen.“, zählt Diplom-Ingenieur Stefan Heerde, Sachverständiger für Immobilienbewertung bei Engel & Völkers Gewerbe Berlin GmbH & Co KG, auf.

Eine Persönlichkeit, wie etwa der Mit-Eigentümer des Schuhhauses Darre in Gießens Fußgängerzone Seltersweg, Hans-Jörg Ebert. Gießens Top-Einkaufsstraße mit 85 Fachgeschäften war durch die Konkurrenz des im Februar 2005 in der Nachbarstadt eröffneten ECE-Shopping-Centers „Forum Wetzlar“ sowie des im Oktober 2005 in Gießen am Rande der Innenstadt eröffneten Shopping Centers „Galerie Neustädter Tor“ unmittelbar betroffen.

Mit viel Elan setzte sich Ebert als Moderator und mit Unterstützung des bundesweit tätigen Beratungsunternehmens für kooperative Strategie- und Organisationsentwicklung, Heinze + Partner aus Dortmund für die Einrichtung eines solchen Stadtentwicklungsmodells nach nordamerikanischem Vorbild ein. Bei einem BID schließen sich Immobilienwirtschaft, Grundeigentümer, Einzelhandel und Gaststätten im Rahmen einer Public Private Partnership zusammen, um in einem zeitlich begrenzten Rahmen von durchschnittlich 3 bis 5 Jahren Maßnahmen zur Aufwertung ihres Quartier einzuleiten und gemeinsam zu finanzieren. Vier Business Improvement Districts gibt es heute in der oberhessischen Universitätsstadt Gießen: den Seltersweg, das Katharinenviertel, den Theaterpark und das Marktviertel.

Es war die Furcht des lokalen Einzelhandels vor der Ansiedlung eines Shopping Centers, die in den 70er-Jahren in der kanadischen Metropole Toronto zur Gründung des ersten BIDs führte, dem „Bloor West Village“. Inzwischen gibt es weltweit ungefähr 3 400 solcher Revitalisierungsprojekte. Welches Potenzial dahinter stehen kann, zeigt das Beispiel New York. Hier existieren laut BIDNews des Industrie- und Handelskammertags 55 BIDs mit einem Budget von 80 Mio. $. Davon profitieren insgesamt 70 000 Unternehmen.

In Deutschland steht die Entwicklung dagegen noch ziemlich am Anfang. Seit 2000 beschäftigen sich hierzulande etwa 30 bis 40 Fachleute intensiv mit dem Thema. Bis heute sind sechs BIDs eingerichtet worden: zwei in Hamburg mit dem Neuen Wall, der 2007 den Innovationspreis des Bundesbauministeriums erhalten hat und Hamburg Bergedorf sowie die vier genannten Quartiere in Gießen. Doch allenthalben ist in zahlreichen deutschen Bundesländern rege Aktivität zu spüren.

Solche gesetzlichen und fördertechnischen Initiativen auf Landesebene bilden die zweite wichtige Initialzündung, um die Konzeption eines BIDs auf den Weg zu bringen. So weitete beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen mit seinem Förderprogramm „Stadtmarketing der zweiten Generation“ die Förderkulisse auf Immobilieneigentümer aus und schuf mit den Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISG) die Basis für Business Improvement Districts. Denn „ohne die Eigentümer der Immobilien ist Stadtentwicklung nicht mehr sinnvoll zu betreiben“, stellt Heerde fest.

Die Vorphase eines Business Improvement Districts zu organisieren, also die Beteiligten anzusprechen, für das Projekt zu gewinnen und von seinem Nutzen zu überzeugen, ist aus Erfahrung des Praktikers Heerde die wichtigste und weitaus schwierigste Phase. Sie dauert in der Regel 2 bis 3 Jahre und Moderatoren, die den Prozess voranbringen, spielen eine wichtige Rolle. Neben engagierten Privatpersonen vor Ort übernehmen u. a. Heinze + Partner, Dipl.-Kfm. Sebastian Binger von der Helmut Schmidt Universität Hamburg (Institut für Marketing), die BBE Unternehmensberatung, Tochter des HDE (Hauptverband des Deutschen Einzelhandels) sowie die Cima-Stadtmarketing Gesellschaft für gewerbliches und kommunales Marketing“ die Aufgabe der externen Prozessmoderation.

Auf Seiten der Kommunen sollten Verwaltungsmitarbeiter verstärkt den Kontakt zu Immobilieneigentümern und Gewerbetreibenden aufbauen und festigen, raten Experten. So ist es auch im Vorfeld eines BIDs aus Heerdes Sicht sehr wichtig, zunächst die Schlüsseleigentümer im jeweiligen Quartier einzeln anzusprechen und auszuloten, wer sich mit welcher Kompetenz und Motivation in eine Interessengemeinschaft einbinden lässt. Großveranstaltungen mit allen Betroffenen des Quartiers, wie sie von Kommunen gerne organisiert werden, sind dagegen wenig Erfolg versprechend. Außerdem sollte man sich auch neue Verbündete suchen. So können Maklerunternehmen, die sowohl die Einzelhändler und ihren Bedarf an Verkaufsflächen als auch die lokalen Eigentümer der Immobilien gut kennen, den Kommunen bei der Planung wertvolle Informationen liefern.

Die Hoffnung, dass BIDs durch den Erlass von Gesetzen vorangetrieben werden, wird laut Heerde dagegen zu hoch gesteckt. Zweifellos sind Gesetze wichtig, um rechtliche und organisatorische Sicherheit zu gewährleisten, immerhin verpflichten sich die Grundstückseigentümer zur finanziellen Beteiligung an der Quartierentwicklung. Mittels Gesetze ist es auch notwendig, festzulegen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Mehrheitsquoten ein BID entstehen kann, denn nicht alle Anrainer eines Quartiers sind bereit, in die Aufwertung zu investieren.

Nach nordamerikanischem Vorbild müssen in Deutschland mindestens 60 Prozent der Betroffenen der Festsetzung eines BIDs zustimmen. In den meisten Fällen existiert ein „negatives Quorum“, d.h. es dürfen nicht mehr als 30 Prozent dagegen sein, damit ein BID entstehen kann. Das Gesetz schafft Grundvoraussetzungen für ein BID, das persönliche Engagement, das notwendig ist, um eine Mehrheit für eine derartige Revitalisierungsidee zu begeistern, ersetzt es indes nicht.

Zu den wichtigsten Aufwertungsmaßnahmen gehört laut Heerde das Standort- und Flächenmanagement, das heißt, die Steuerung des Branchenmixes, mit dem sich das Quartier gegen das Einzelhandels- und Gastronomie-Angebot in anderen Stadtteilen und vor allem gegen die Angebote der Shopping Center abheben kann. Sehr wichtig ist auch die Entwicklung einer Quartiersmarke, um ihm das notwendige Profil zu geben. Durch Poolangebote für Immobilieneigentümer und Gewerbetreibende wie Gemeinschaftsbezug von Energie, Telekommunikation, Sicherheitsdienstleistungen oder Reinigungsdiensten lassen sich zudem wirksame Zusatzangebote für Standortgemeinschaften schaffen, mit der sich die Kostenbelastung jeden einzelnen Eigentümers deutlich senken lasse. Eine messbare Wertsteigerung der Immobilien hervorgerufen durch die Aufwertung eines Standortes lässt sich laut Stefan Heerde erst im Laufe von mehreren Jahren nachweisen.

Quelle: Handelsimmobilien Report, Nr. 3, 17.08.2007