Die Unternehmensteuerreform schießt über das Ziel hinaus, die Steuerflucht ins Ausland zu unterbinden. Das neue Recht trifft vor allem die gesamte über Fremdmittel finanzierte inländische Wirtschaft. Insbesondere Wohnungs- und Immobilienunternehmen sind aufgrund ihres hohen Fremdfinanzierungsbedarfs von der Zinsschranke stark betroffen. In der Praxis werden die Auswirkungen von den Unternehmen aber selbst häufig noch unterschätzt. Die zu erwartenden ökonomischen Belastungen gehen aus einem aktuellen Gutachten von Deloitte im Auftrag des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) hervor, das heute in Berlin vorgestellt wurde.
„Nach politischen Aussagen soll die Zinsschranke nur ‚größere Konzerne’ treffen. Das Gutachten von Deloitte belegt nun, dass die Unternehmensteuerreform aber vor allem zu Lasten der mittelständisch geprägten Immobilienwirtschaft geht“,
sagte Walter Rasch, Präsident des BFW.
„Am schwersten dürften die laufenden Eingriffe ins Tagesgeschäft von Immobilienunternehmen wiegen. Denn im Grunde steht jede Finanzierungs- und Investitionsentscheidung unter dem steuerlichen Vorbehalt der ‚Zinsschrankenverträglichkeit’“,
erläutert Dr. Michael Pannen, Director im Bereich Tax Real Estate von Deloitte, die Belastungen für die Branche.
Die Immobilienbranche arbeitet anders als viele andere Branchen in der Regel mit einem hohen Fremdfinanzierungsanteil, der nicht selten die 70 Prozent übersteigt. Dies gilt insbesondere für die mittelständische Immobilienwirtschaft. Sobald jedoch die Freigrenze des Finanzierungssaldos von einer Million Euro überschritten wird, greift die Zinsschranke mit der Folge, dass nur Finanzierungskosten in Höhe von 30 Prozent des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) abziehbar sind. Zu beachten ist, dass die Freigrenze in Höhe von einer Million bei einem Zinssatz von fünf Prozent durch ein fremdfinanziertes Investitionsvolumen von 20 Millionen Euro bereits überschritten wird – ein Betrag bei dem große Modernisierungsvorhaben und Projektentwicklungen in der Regel erst beginnen.
Die Zinsschranke belastet laut Gutachten zudem vor allem renditeschwache Unternehmen. Sie führt auch in Verlustzeiten zu Steuerbelastungen, die entsprechend finanziert werden müssen. Je schlechter die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Immobilienunternehmens sind, desto eher führt die Zinsschranke zu einer Substanzbesteuerung und damit zu einer Krisenverschärfung.
„Eine Vorschrift, die die ökonomischen Strukturmerkmale der Branche hinsichtlich Rendite und Risiko ignoriert und riskante Investitionen nicht selten durch eine Besteuerung im Verlustfall sogar noch bestraft, setzt die Immobilienwirtschaft einem nicht kalkulierbaren Geschäftsrisiko aus“,
so Dr. Pannen. Auch das rückwirkende Hineinfallen in die Zinsschranke kann verheerende Folgen für Unternehmen haben. Zudem würden Unternehmen durch die Zinsschranke erhebliche administrative Kosten auferlegt beispielsweise durch das Aufstellen von Planungsrechnungen, Gesellschaftsgründungen oder die Änderungen von Darlehensbeziehungen.
„Ein grundsätzliches Überdenken der Zinsschranke ist unerlässlich. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück muss nun zeigen, dass seine signalisierte Bereitschaft, bei der Unternehmensteuerreform in einzelnen Punkten, konkret der Zinsschranke, nachzujustieren mehr als ein Lippenbekenntnis ist“,
forderte BFW-Präsident Rasch.
Unverzichtbar seien bereits kurzfristige Veränderungen von Einzelregelungen, um zumindest in Teilen den immobilienwirtschaftlich tätigen Unternehmen mehr Handlungsfreiheit und mehr Rechtssicherheit zu verschaffen. Dazu gehören unter anderem die Klärung des Konzernbegriffs, die Anhebung der 30%-EBITDA-Grenze auf eine immobilienwirtschaftlich erreichbare Grenze von beispielsweise 50 % sowie eine Anhebung der Freigrenze über eine Million Euro, um auch in der Immobilienwirtschaft einen deutlicheren Mittelstandsbezug herzustellen. Außerdem sei für eine relative Milderung der Zinsschrankenproblematik eine Umwandlung der Freigrenze – hier greift die Zinsschranke voll bei einem Betrag von 1 Mio. Euro und darüber– in einen Freibetrag – der als Steuerbemessungsgrundlage nur den Betrag ab 1 Mio. Euro berücksichtigt – unerlässlich.
Quelle: BFW, 19.06.2008