Nach einer aktuellen Analyse durch den Gewerbeimmobilien-Spezialisten NAI apollo hat der Transaktionsmarkt für Gesundheitsimmobilien in Deutschland im ersten Halbjahr 2022 eine dynamische Entwicklung gezeigt, ist aber hinter dem Resultat der ersten sechs Monate des Rekordjahres 2021 zurückgeblieben.
In der untersuchten Assetklasse der Healthcare-Immobilien, worunter NAI apollo Pflegeheime und Betreutes Wohnen (einschl. Tagespflegeeinrichtungen und Wohngruppenkonzepte), Ärztehäuser und Medizinische Versorgungszentren sowie Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen fasst, summiert sich das investierte Kapital auf rund 1,27 Mrd. Euro. Das Vorjahresergebnis wurde damit um rund 20 Prozent unterschritten.
„Diese Entwicklung fußt maßgeblich auf einem geringeren Transaktionsvolumen in größeren Portfolios. Entsprechend ist der Portfolioanteil von über 55 Prozent im Vorjahreszeitraum auf nun 35 Prozent gesunken, womit absolut rund 440 Mio. Euro durch Portfoliodeals gehandelt wurden. Das größte Paket der vergangenen sechs Monate war die Veräußerung von neun Senioren- und Pflegeimmobilien für rund 170 Mio. Euro aus dem Carestone-Portfolio mit insgesamt 1.000 Pflegeeinheiten, die sowohl betreutes Wohnen, Tagespflege und stationäre Pflege beinhalten“, analysiert Sebastian Deppe, Geschäftsführender Gesellschafter von NAI apollo Healthcare.
Einzelankäufe verbuchen damit in den ersten sechs Monaten 2022 einen Marktanteil von 65 Prozent bzw. rund 830 Mio. Euro, womit sich diese auch absolut über dem Vorjahresniveau bewegen. Der signifikanteste Einzeldeal ist der Kauf des „Medical Cube“ in Rosenheim durch Captiva. Das Ensemble aus Ärztezentrum und medizinischen Dienstleistungszentrum wurde für 69 Mio. Euro erworben.
Segment der Pflegeheime und Betreutes Wohnen dominieren Gesundheitsimmobilienmarkt
Innerhalb des Marktes für Gesundheitsimmobilien dominiert der Bereich der „Pflegeheime und Betreutes Wohnen“ mit einem Transaktionsvolumen von 960 Mio. Euro bzw. einem Anteil von 75,7 Prozent das Marktgeschehen. Zweitstärkste Kategorie der Gesundheitsimmobilien sind „Ärztehäuser und Medizinische Versorgungszentren“, die ein Volumen von rund 245 Mio. Euro verbuchen (19,3 Prozentanteil). „Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen“ vereinen einen Marktanteil von 4,9 Prozent auf sich.
Deutsche Investoren deutlich aktiver
Im Gegensatz zum Vorjahr entfällt der Großteil des gehandelten Kapitals auf inländische Käufer. Das Investmentvolumen internationaler Investoren ist von über 900 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2021 auf rund 410 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2022 gesunken. Damit sind ausländische Investoren nun für rund ein Drittel des gehandelten Volumens verantwortlich. Neben Großbritannien sind die Schweiz und Frankreich dabei die wichtigsten Käufernationen für deutsche Gesundheitsimmobilien mit beispielsweise Ankäufen durch Swiss Life oder Primonial REIM.
Der Marktanteil deutscher Investoren hat sich im Gegenzug deutlich auf zwei Drittel (860 Mio. Euro) erhöht. „Unter den Investorentypen ist das Bild eindeutiger als in den Vorjahren. So zeigen sich bei Deals mit bekannten Käufern „offene Immobilienfonds & Spezialfonds“ mit Ankäufen über rund 660 Mio. Euro für über die Hälfte des Gesamtvolumens verantwortlich. Dazu haben auch neue Vehikel wie der ‚Kingstone Living & Care I‘ von Kingstone Real Estate oder der Fonds ‚Senior Living‘ der DLE Living beigetragen“, so Dr. Konrad Kanzler, Head of Research bei NAI apollo.
Spitzenrendite vorerst noch stabil
Die Kaufpreisfaktoren im ersten Halbjahr 2022 haben sich vorerst noch stabil gezeigt, wenngleich sich in den letzten Wochen ein Rückgang auch bei Gesundheitsimmobilien abzeichnet. Entsprechend konnte sich die Spitzenrendite für vollstationäre Pflegeheime zum Ende des zweiten Quartals 2022 entgegen der allgemeinen Entwicklung der Kapitalmarktrenditen und Zinssteigerungen noch beim Jahresendwert 2021 in Höhe von 3,90 Prozent halten.
Dies erklärt sich zum einem mit der weiterhin vorhandenen hohen Nachfrage nach Investmentmöglichkeiten in dieser Assetklasse, zum anderen wurden die in den letzten Monaten protokollieren Deals größtenteils noch im Jahr 2021 angestoßen. „Spannend bleibt, wie lange die durch den hohen Nachfragedruck gestützten Kaufpreisfaktoren noch den aktuellen Marktgegebenheiten Stand halten können. Die Inflation und die durch den Energiesektor und Lieferengpässe massiv gestiegenen Baupreise werden in den kommenden Monaten mit großer Sicherheit sowohl die Renditen als auch das Transaktionsvolumen beeinträchtigen“, so Deppe.
Viele Projektentwicklungen sind aktuell gestoppt und Transaktionsprozesse auch schon beendet worden. „Bereits heute scheint sicher, dass das Gesamtjahrestransaktionsvolumen im Jahr 2022 eher niedriger als 2021 ausfallen wird, auch wenn sich gerade noch einige Portfolios im Verkaufsprozess befinden“, ergänzt Kanzler.
Große Bedeutung des Teileigentumsmarktes
Eine immer noch signifikante Bedeutung für den Pflegeimmobilieninvestmentmarkt hat der Teileigentumsvertrieb. Je nach Region und Konzeption können dort für den Verkäufer – trotz des weitestgehenden Wegfalls der KfW-Förderungen im Neubau – höhere Verkaufserlöse erzielt werden als bei einem Globalverkauf.
„In diesem Bereich herrscht aber unverändert eine große Intransparenz vor, auch weil es sich häufig um kleine regionale Projektentwicklungen handelt, die vor Ort durch Bauträger, ortsansässige Makler oder die finanzierende Bank vermarktet werden und somit schwer zu ermitteln sind. Aufgrund der Ergebnisse der großen Vertriebsgesellschaften und deren Marktanteile wird die Bedeutung des Teileigentumsvertriebs auf zusätzlich ca. 35 Prozent des Transaktionsvolumens geschätzt. Gerade durch das Wachstum im Segment betreutes bzw. serviceorientiertes Seniorenwohnen kann der Anteil dieser Projekte aber auch deutlich höher ausfallen“, so Deppe.
Renditen im Teileigentumsmarkt nochmals gesunken
Die Durchschnittsrendite von ambulant betreutem Wohnen im Teileigentum ist gegenüber der letzten Analyse im September 2021 noch einmal gesunken. Zum damaligen Zeitpunkt lag diese für den Endinvestor noch bei 3,4 Prozent und damit zehn Basispunkte über dem aktuellen Wert von 3,3 Prozent. In der stationären Pflege liegt die aktuelle Durchschnittsrendite derzeit bei 3,4 Prozent.
„Die Renditespanne über beide Assetklassen hinweg für Teileigentumsinvestoren bewegt sich im Korridor von 2,9 Prozent bis 3,7 Prozent und damit deutlich niedriger als bei einem globalen Verkauf der Immobilie. Von den höheren Verkaufspreisen gehen jedoch noch die sogenannten weichen Kosten für den Vertrieb und die Aufteilung der Immobilie ab. Diese sind durchschnittlich mit 17,5 Prozent des Erlöses zu beziffern“, erläutert Deppe.