Von Ruth Vierbuchen
Die Rettungsaktion der US-Regierung hat fürs erste die Gefahr eines Supergaus in der US-Finanzwirtschaft gebannt und den Domino-Effekt auf die Weltwirtschaft verhindert. Wie nachhaltig der staatliche Eingriff umgesetzt werden kann, muss sich noch zeigen. Doch vor allem wird ein gründliches Umdenken notwendig sein. Schon seit Jahren haben Nationalökonomen die hohe Verschuldung der privaten US-Haushalte – der ausgeprägte „Konsum auf Pump“ – als eines der größten Risiken für die US-Wirtschaft und die Weltwirtschaft angesehen.
Dass ein solches System kollabiert, wenn die Banken dann noch in Zeiten des Immobilien-Booms leichtfertig Darlehen auf überhöhte Hauspreise und Hauswerte gewähren und den „erfolgreichen“ Mitarbeitern für diese Geschäftsabschlüsse noch Boni auszahlen, das überrascht niemanden.
Was bleibt ist große Verunsicherung und vielleicht die Erkenntnis, warum ausgerechnet deutsche Handelsimmobilien trotz schwacher Konsumkonjunktur für ausländische Investoren attraktiv sind: Die geringe Verschuldung deutscher Konsumenten, die zudem die vermögendsten in Europa sind. Das gibt Sicherheit. Doch dass diese Kaufzurückhaltung andere Probleme mit sich bringt, zeigt sich am deutlichsten in der Beschleunigung des Strukturwandels in der Warenhaus-Branche – die nach dem Bulwien-Gesa Lebenszyklus-Schema ohnehin schon in der Abschwungphase sind. Hertie ging bekanntlich die Luft aus und musste Insolvenz anmelden und Karstadt resp. die Mutter Arcandor musste zäh mit Dresdner Bank, BayernLB und Bank of Scotland um die Verlängerung und die Aufstockung der Kreditlinien für die Finanzierung des wichtigen Weihnachtsgeschäfts ringen. Sichtbares Zeichen dieses Problems ist der Kurs der Arcandor-Aktie, der – nach einem 52-Wochen-Hoch von 23,48 Euro – auf nunmehr um die 3,50 Euro abgesackt ist.
Doch konnte auch niemand damit rechnen, dass Karstadt nach der spektakulären Rettung durch den Verkauf der Immobilien und der Karstadt-Kompakt-Häuser schon „aus dem Schneider“ sein würden. Financial Engineering zur Entschuldung eines Unternehmens ist die eine Sache. Doch die Sanierung des operativen Warengeschäfts ist eine ganz andere – und erfordert viel Kärrnerarbeit. Karstadt hat durch die Eigentümerwechsel in den 1990er-Jahren zunächst an die Hertie-Stiftung und später an Schickedanz und während der Ära von Wolfgang Urban, der mehr auf die Hebung stiller Reserven setzte, um „Rekordergebnisse“ zu produzieren, als auf die Entwicklung eines tragfähigen Warenhaus-Konzeptes, viel Zeit verloren. Zeit, in der der Wettbewerber Kaufhof kontinuierlich sein Galeria-Konzept verfeinern konnte. Die neuen Konzepte wie z.B. in Essen und Duisburg, die Karstadt jetzt vorantreibt, sind ansprechend und folgen vor allem der notwendigen Maßgabe eines Trading-up. Doch es braucht noch viel Zeit, um all das konzernweit umzusetzen. Die eigentliche Sanierung von Karstadt hat erst jetzt begonnen.
Quelle: HIR, NR. 31, 26.09.2008