Projektentwicklung im Bestand – Chance für die Immobilienwirtschaft

Von Prof. Dr. Petra Brockhoff, Honorarprofessorin an der Universität Duisburg/Essen und geschäftsführende Gesellschafterin der Brockhoff Objekt GmbH, Essen

Nach 60 Jahren Friede und Wohlstand ist ein Land fertig gebaut. In allen Immobiliensegmenten ist der quantitative Bedarf gedeckt. Lediglich neue technologische Anforderungen, bessere ökonomische Perspektiven durch Ersatzinvestition oder Sanierung, die Suche nach Investitions- oder Marktlücken oder aber der sportliche Ehrgeiz, in einen gesättigten Markt Verdrängungsinvestitionen mit hohem Risiko zu tätigen, sind dann die wichtigsten Investitionsgründe. Städtebauliche Aspekte, Anforderungen des Denkmalschutzes oder auch rein ökonomische Überlegungen machen die Projektentwicklung in bestehender Immobiliensubstanz zu einer der wichtigsten Zukunftsaufgaben der Immobilienwirtschaft.

Immobilienprojektentwicklung verbindet die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so miteinander, dass eine einzelwirtschaftlich rentable und zugleich gesamtwirtschaftlich sozial- und umweltverträgliche Investition gewährleistet wird. Bei Neubauten dauert die Projektentwicklungsphase regelmäßig 2-10 Jahre. Im Lebenszyklus einer Immobilie ist „Projektentwicklung im Bestand“ mehrfach möglich. Sie wird zukünftig bedeutsamer werden, da die klassischen Sanierungsmassnahmen unter Beibehaltung der Nutzung und des Standards oft nicht mehr demografischen Entwicklungen oder veränderten Standortanforderungen gerecht werden. Allein unter zeitlichen Gesichtspunkten kann Projektentwicklung im Bestand deutliche Vorteile gegenüber Rückbau und Neuinvestition haben. Die Berücksichtigung der Zinsuhr kann leicht die sonstigen Investitionskriterien zu Gunsten der Bestandsentwicklung verschieben.

Blickt man zum Beispiel speziell auf das Ruhrgebiet, so ist evident, dass eine Vielzahl von Bestandsobjekten in ihrer ursprünglichen Nützung nicht mehr benötigt werden. Das Ruhrgebiet ist darüber hinaus ein B-Standort mit relativ geringen Mieten. Dem stehen jedoch um bis zu 30% gestiegene Baukosten im Hochbau gegenüber. Die Folge ist geringe Neubautätigkeit und als Megatrend „Bauen im Bestand“.

Im Rahmen eines Projektentwicklungs-Checks ist jedem Projekt zu prüfen, ob eine Umnutzung oder ein Abriss die vorteilhaftere Alternative ist. Die Alternativüberlegung betrifft noch nicht einmal vorrangig Wohnbauten oder Bürogebäude. Eine wichtige Entwicklung der Bestands-Projektentwicklung sind auch die Umnutzung alter Schwimmbäder, neue Konzepte für Kirchen oder auch für nicht mehr benötigte oder zeitgemäße Universitätsgelände. In Wuppertal wurde aus einem nicht mehr zeitgemäßen Schwimmbad der Jahrhundertwende ein Restaurant mit Veranstaltungsräumen entwickelt, das heute eine weit bessere Frequenz aufweist als zu seinen besten Schwimmbadzeiten. Das katholische Kloster St. Alfons in Aachen ist ebenso ein Bespiel wie das Universitätsgelände in der Henri-Dunant-Strasse in Essen.

Zu den wichtigsten Anforderungen an das Entscheidungsumfeld von Bestandsentwicklungen zählt die Beurteilung von

  • „Markt mit Flächenangebot- und nachfrage und qualitativen Nutzeranforderungen
  • Standort mit Lage, Umfeld, Eignung für die Nutzung und Verkehrsanbindung
  • Qualität des Bestandobjektes mit Gebäudesubstanz, Gebäudestruktur, Funktionalität, Qualität und Parkplätzen sowie
  • Rentabilität mit einer Kostenanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Optisch und städtebaulich gelungenes und ökonomisch sinnvolles Beispiel für die Projektentwicklung im Bestand ist die Restaurierung der Villa Bredeney, die heute unter anderem Firmensitz von Brockhoff und Partner ist.

Das Haus wurde ursprünglich als Wohnhaus für die Familie Huber, die Gründer von der Firma Raab Karcher erbaut. Diese nutzte das Objekt später als Firmensitz und baute es zunächst auf der rechten Seite an und sattelte ein weiteres Geschoss oben auf. Als das Gebäude dann für Raab Karcher zu klein wurde, wurde es von verschiedenen Gesellschaften zuletzt von der Coca Cola Eastern Europe Direktion genutzt. Im Jahre 2002 sollte es abgerissen werden, da aus Sicht des Eigentümers keine wirtschaftliche und attraktive Nutzung vorstellbar war. Dennoch gelang es den heutigen Eigentümern mit einem intelligenten Konzept und relativ geringen Revitalisierungskosten ein hoch attraktives Bürogebäude zu schaffen, in dem sich die Nutzer wohl fühlen und für das eine Warteliste in der Vermietung besteht.

Die Entwicklung eines schlüssigen Konzeptes sollte unter Beachtung der Geschichte der Immobilie stattfinden. Wie Gräfin Rothkirch, damals Kommunikationschefin des Four Seasons in Berlin am Gendarmenmarkt einem Journalisten im Backgroundgespräch sagte, wurde das bis dahin beste Berliner Hotel allein schon durch den Begriff „Wiedereröffnung“ des Grand Hotel Adlon zur Nummer 2. Allein der Begriff lies den Wettbewerb in Qualität, Service und Konzept um die Berliner Führung für das Four Seasons trotz sicherlich vergleichbarer rationaler Kriterien chancenlos werden.

Die Beachtung der nachhaltigen Vermietbarkeit und der Drittverwendungsfähigkeit sind in Verbindung mit der Chance zu einem attraktiven Nutzungsmix und der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit die ökonomischen Erfolgskomponenten der Bestandsprojektentwicklung. Ein wichtiges zusätzliches Problem der Bestandprojektentwicklung ist allerdings die oft auftretende Notwendigkeit, die Umnutzung bei laufendem Betrieb durchzuführen. Das betrifft Bürogebäude ebenso wie die pressewirksamen Bahnhofssanierungen.

Bei der Villa Bredeney galt es, weitere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Es sollte kleinteilige Vermietung möglich sein. Das erforderte vielfältige Erschließungsmöglichkeiten. Gerade bei der Analyse von Behördenobjekten ist auf die Erschließung zu achten. Manche Gebäude mit zu wenigen Erschließungskernen ermöglichen in einer Folgenutzung lediglich Mindestflächen ab 500 qm. Das führt regelmäßig zum „Aus“ für die Überlegungen zur Bestandsentwicklungen. Bei der Villa Bredeney sollte das Ergebnis im hochwertigen Bereich angesiedelt werden, da nur so die Qualitäten von Lage, großzügigem Grundstück und Bausubstanz hinreichend berücksichtigt werden konnten. Bei der angepeilten hohen Miete wurden so hochwertige Eingänge, Treppen, Aufzüge und gut gestaltete Beschilderungsanlagen notwendig. Neben der Umsetzung der technischen Anforderungen der Mieter galt es, den Aspekt einer effizienten Bewirtschaftung zu berücksichtigen.

Die Projektentwicklung sollte darüber hinaus als Marke mit eigener Identität, als „Villa Bredeney“, etabliert werden. Nur die Marke als Villa Bredeney ermöglicht eine eigene Identität für die Mieter. Das Problem bestehender Identitäten wirft besondere Probleme auf bei Gewerbegebäuden, die im Volksmund schon mit Firmennamen belegt sind. Eine Großbank tut sich eben schwer, in ein BfG-Gebäude zu ziehen. Bei den prominenten Frankfurter Entwicklungen wie z. B. dem „Eurotower“ als Sitz der Europäischen Zentralbank wurde dafür viel Aufwand getrieben. Der Name ist auch so gewählt, dass er nach dem baldigen Auszug der EZB noch marktgängig ist.

Ergebnis: Bei den aktuell hohen Baukosten kann in vielen Fällen durch Entwicklung des Bestandes die vorhandene Bausubstanz genutzt und Kosten eingespart werden. Eine gut konzipierte Bestandsentwicklung kann eine längere Restnutzungsdauer ermöglichen als ein schlecht geplanter Neubau. Speziell wenn es gelingt, über die Historie des Gebäudes einen Markennamen und damit Mehrwert zu schaffen, ist die alte Substanz wertvoller als jede Neubauvariante. Die Wirtschaftlichkeit der Revitalisierung muss natürlich beachtet und laufend kontrolliert werden. Der langfristige Erfolg der Projektentwicklungen im Bestand erfordert ständiges Arbeiten am Image der Immobilie und effiziente Bewirtschaftung.

Quelle: Der Immobilienbrief, Nr. 163, 04.04.2008