Von Ruth Vierbuchen. Der Insolvenzfall Hertie wird immer mehr zum Verwirrspiel – und es besteht die Gefahr, dass am Ende alle verlieren. Auf der einen Seite steht der Insolvenzverwalter Biner Bähr, der dem Wirtschaftministerium in NRW eine Investorengruppe präsentierte, die eine neue Auffanggesellschaft für das operative Hertie-Geschäft finanzieren wird, dafür aber eine Landesbürgschaft benötigt. Den Antrag dafür dürften sie so schnell wie möglich stellen. Auf der anderen Seite steht die niederländische Mercatoria Acquisitons B.V., Mutter der vielen rechtlich selbstständigen Gesellschaften, in die die Hertie-Immobilien eingestellt wurden.
Sie beklagt, dass alle Versuche, mit dem Insolvenzverwalter Konzepte für die Fortführung von Hertie auszuarbeiten, gescheitert seien. Hauptstreitpunkt der Kontrahenten: Die Höhe der Mieten und die Tatsache, dass Insolvenzverwalter Bähr die Mietzahlungen, die er für überhöht hält, eingestellt und die Eigentümerin daraufhin alle Mietverträge gekündigt hat. Mittendrin der Immobilienvermarkter Atisreal, der damit begonnen hat, die 62 Warenhausstandorte der Mercatoria zu vermarkten. Etwa sechs hat er offenbar schon veräußert, die meisten muss er aber – trotz der schwierigen Zeiten noch verkaufen. Und schließlich die Deutsche Bank, die der britischen Dawnay Day das Darlehen für die Übernahme der ehemaligen Karstadt-Kompakt-Warenhäuser (heute Hertie) gewährt und die Hypothek über das Finanzierungsvehikel „Karstadt Kompakt Loan“ verbrieft hatte.
Dieses erhält seit einiger Zeit keine Mieten mehr und ist darauf angewiesen, dass die Immobilien schnell verkauft werden, um Geld für die Bedienung des „Karstadt Kompakt Loans“ zu bekommen. Im Zuschauerraum dieses Trauerspiels sitzen die potenziellen Käufer, die viel Zeit haben, darauf zu warten, dass die Kaufpreise in den Keller gehen. Jedem nüchternen Betrachter ist klar, dass Insolvenzverwalter, Immobilieneigentümer und Kreditgeber Deutsche Bank nur dann gewinnen, wenn Hertie als Ganzes an einen Investor verkauft und Einvernehmen über die Mieten erzielt werden kann. Denn bei der Liquidation eines Handelskonzerns ohne eigene Immobilien bleibt für die Hertie-Gläubiger fast nichts übrig.
Und ob Atisreal wirklich in der Lage ist, die Immobilien schnell zu verkaufen und den ursprünglichen Kaufpreis wieder herein zu holen, wenn die Filialen leer stehen, dürfte auch in Frage stehen. Deshalb ist es dringend geboten, dass sich ein neutraler Mediator – womöglich aus der Politik – einschaltet, um mit den Kontrahenten endlich eine tragfähige Lösung auszuarbeiten. Sonst werden allein die Käufer als Sieger vom Platz gehen, die die besten Hertie-Immobilien zu Schnäppchenpreisen ergattert haben.
gi24/HIR, Nr. 41
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