Energieausweis ist seit letzter Woche Pflicht – Vermieter haben Wahl zwischen Teufel und Beelzebub

Von Werner Rohmert, Herausgeber "Der Immobilienbrief"

Seit 1. Juli ist der Energieausweis für alle Häuser, die bis 1965 fertig gestellt wurden, Pflicht. Von Denkmalschutzausnahmen abgesehen haben neuere Häuser noch eine Schonfrist bis zum Jahresende. Wir hatten uns schon 2004 kritisch geäußert, nachdem in Verbandsgesprächen festzustellen war, dass das vorrangige Motiv der Protagonisten in der Förderung ihres damals schwierigen Gutachter-, Bau- und Ausbaugeschäftes und weniger im Umweltschutz lag.

Naturgemäß wurde der Bedarfsausweis mit gutachterlichen Sanierungshinweisen präferiert. Der Gesetzgeber ließ aber auch den Sinn konterkarierenden Verbrauchsausweis, der lediglich den faktischen Verbrauch, der allerdings maßgeblich durch Mietergewohnheiten bestimmt wird, in eine bunte Skala einträgt, zu. Billig-Versionen dieses Typs gibt es laut Deutscher Mieterbund schon für 10 bis 15 Euro im Internet. Der Sinn solcher annähernd selbst gemachter Ausweise darf wohl zu Recht bezweifelt werden.

Pragmatiker fragen längst, wie der Einzelmieter die qm-Werte für das ganze Haus – nur das wird bewertet – kontrollieren soll, da der Vermieter hier leicht flexibel agieren kann. Der Mieterbund sieht hier Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Ob ein an südeuropäische Temperaturen gewohnter Mieter aus den Ausweiswerten Rück-schlüsse auf seine Dachgeschoss- oder Außenwandwohnung ziehen kann, mag auch bezweifelt werden. Dies wird noch Gerichte beschäftigen.

Wenn das Angebot an Wohnungen in den nächsten Jahren tatsächlich knapper werden sollte, wie von Verbänden befürchtet und von gebeutelten Vermietern erhofft wird, dürfte der Mieter sowieso nur eine geringe Wahl haben. Die schwächsten Mieter haben dann wie immer die höchsten Kosten.

Aber auch Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungs AG’s, Heuschrecken und klassische Vermieter, die mit ihren Zinshäusern in Deutschland immer noch die Mehrheit der Vermieter stellen, haben die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub. Nach einer sinnvollen gutachterlichen Analyse des Hauses weiß nach kurzer Zeit auch jeder Bestandsmieter sowohl bei Gewerbe als auch bei Wohnen Bescheid. Auseinandersetzungen sind programmiert.

In unserer multikulturellen Gesellschaft wäre es auch einmal sinnvoll unterschiedliches Heizverhalten nach Herkunft des Mieters zu untersuchen. Bei einem hohen Südländeranteil oder Herkunft aus Ländern mit früher staatlich gesponserten Energiekosten ist der Energieverbrauch oft grauenhaft. Auch bei deutschen Mietern, die manchmal sowieso wissen, dass sie auf Dauer Miete und Nebenkosten nicht bezahlen können, ist die Fensterregulation noch üblich. Fast in jedem größeren Mehrfamilienhaus gibt es Beispiele. Wie vor diesem Hintergrund ein aussagefähiger Verbrauchsausweis ausgestellt werden soll, bleibt schleierhaft. Der Einführung von „energetischen Herkunftsfaktoren“ dürfte das Antidiskriminierungsgesetz widersprechen. Gesunder Mietermix bedeutet so Objektentwertung.

Oft sind energetische Maßnahmen nicht rechenbar, stoßen an technische Grenzen oder münden in einer Totalsanierung. Die breite Mehrheit der Bevölkerung ist nach den Nebenkostenerhöhungen der letzten 10 Jahre auch bei geringeren Nominal-Mieten an der Belastungsgrenze. Jegliche Inflationsschutzthesen wurden in den letzten 15 Jahren ins Gegenteil verkehrt. Viele Vermieter werden die gesetzlichen Umlagemöglichkeiten nicht ausschöpfen können.

Fazit: Private Equity Gesellschaften können, wenn sich die Nichtrechenbarkeit von Sanierungsmaßnahmen und daraus resultierende Wert- bzw. Mieteinbrüche ergeben, nach Auslutschen des Portfolios ihre restlichen Wohnungsschlüssel bei der „non recourse“ refinanzierenden Bank mit dem üblichen Verweis auf „unvorhergesehende Marktveränderungen“ abgeben. Wohnungsbaugesellschaften werden wie immer um staatliche Hilfe schreien. Manche Wohnungs AG’s werden final oder durch Übernahmen vom Kurszettel verschwinden. Hart getroffen wird vor allem der Zinshausanleger, der die letzten 15 Jahre im großen Teil der Republik gegen den Wertverlust tilgte und im Zeitpunkt der geplanten Ertragsphase des Hauses mit hohen Sanierungsverpflichtungen konfrontiert wird. „Altervorsoge, ade“, wird es oft heißen.

Über konjunkturelle Effekte und über die Wirkungen eines breiten Wertverlustes des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks wollen wir hier nicht spekulieren. Diese Effekte sind viel höher als meist in der Volkswirtschaftslehre, die Immobilien meist nur als Aggregat „Bauinvestitionen“ in der VGR kennt, annimmt. Den Beweis erbringen gerade die Krisenländer, bei denen allein schon der Wegfall der eingeplanten Steigerungen zum Konsumcrash führt.

Quelle: DIB, Nr. 170, 11.07.2008