Von Olaf Petersen, GfK GeoMarketing GmbH
Rom fasziniert – nicht nur durch seine Historie, italienischem „dolce vita“ oder dem Vatikan. Auch als Einkaufsdestination für die über 3 Millionen äußerst modebewussten, überdurchschnittlich kaufkräftigen Einwohner im Großraum der Stadt und als Trendsetter für ganz Italien spielt Rom eine übergeordnete Rolle.
Dass dabei aber die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Einzelhandel ganz generell nicht allzu „rosig“ aussehen, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der italienischen Einzelhandelsumsätze (pro Kopf) in den vergangenen Jahren. So lagen diese 2004 und 2005 deutlich unter dem deutschen Vergleichsniveau, gleichzeitig aber noch über dem als Referenzwert anzusetzenden Durchschnitt der EU 27-Staaten. Im Jahr 2006 „überholte“ dann der EU 27-Durchschnitt den italienischen Wert und vergrößerte den Abstand im Jahr 2007 noch beachtlich. Es wird somit deutlich, dass Italien nur eine geringe Einzelhandelsdynamik aufweist und diesbezüglich neue Impulse und mit Blick auf internationale Projektentwicklungen bzw. Investments vor allem politische Kontinuität und Planungssicherheit benötigt, um hier den Anschluss nicht zu verlieren.
Die Metropolregion Rom spielt dabei eine herausragende Rolle und weist insgesamt eher unübersichtliche Einzelhandelsstrukturen auf. Diese sind vor allem das Resultat einer langjährigen, sehr restriktiven Genehmigungspraxis der Planungsbehörden. Allerdings zeichnet sich der italienische Facheinzelhandel auch auf Kleinstflächen traditionell durch eine grundsätzlich starke modische Aussage und eine tiefe Markendurchdringung aus.
Beispielhaft für die quirligen, kleinteiligen römischen Einkaufsstraßen sind u.a. die Via Cola di Rienzo (Konsumlage mit Boulevardcharakter), die Via de Condotti (innerstädtische Niveau-Lage), die Via del Corso (innerstädtische, „junge“ Konsumlage) oder die Via Tuscolana (langgestreckte, dichte Konsumlage im Stadtteil Don Bosco) anzuführen.
Der großflächige Einzelhandel hatte sich hingegen in der Vergangenheit typischerweise in Fachmarktagglomerationen oder hypermarkt-dominierten Einkaufszentren angesiedelt, in denen der Versorgungsaspekt im Fokus der Zielgruppenansprache steht. Diese großflächigen Standorte konzentrieren sich u.a. entlang des römischen Autobahnrings G.R.A. (Grande Raccordo Anulare).
Klassische Shopping-Center, die stärker auf das Einkaufserlebnis abstellen und mit einer großen Zahl von Anbietern eine hohe Sortimentskompetenz aufweisen, waren in Rom lange Zeit Mangelware. Bestimmt wurde die Shopping-Center-Landschaft durch ältere, aus den 70er- und 80er-Jahren stammende Anlagen, die heutzutage im Hinblick auf den äußeren Eindruck und die öffentlichen Bereiche (wie Parkplätze, Zugänge und Mall) im Allgemeinen wenig attraktiv sind.
Zudem wiesen diese oft nur eine geringe „kritische Masse“ und z.T. sehr kleine Shop-Flächen auf. Das war im Wesentlichen die Folge einer recht geringen Entwicklungsdynamik, die vermutlich mit den komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie nicht zuletzt auch mit der geringen Transparenz des italienischen Retail-Marktes zusammenhängen dürfte.
Erst in jüngerer Vergangenheit hat sich eine neue Dynamik entwickelt, die im Wesentlichen von der Realisierung von drei Großprojekten an verkehrsorientierten Standorten in der römischen Peripherie ausging und die eine neue Shopping-Center-Dimension in den Markt gebracht hat. Im Einzelnen handelt es sich dabei um:
- den Parco Leonardo, einem von Athena/Espansione Commerciale in der Nähe des Flughafens Fiumicino entwickelten neuen Stadtquartier mit einem gut 60.000 qm GLA (Bruttomietfläche) großen Shopping-Bereich. (Eröffnung: Ende 2005),
- das Roma Est-Shopping-Center mit über 90.000 qm GLA im Osten des Großraums, das von Larry Smith Italia entwickelt wurde und im März 2007 seine Pforten geöffnet hatte.
- das Shopping-Center Porta di Roma im Norden des Metropolraums. Es wurde von der Simon Property Group und der Lamaro-Gruppe entwickelt und gilt mit nicht ganz 100.000 qm GLA als größtes Einkaufszentrum Italiens. (Eröffnung war im Sommer 2007).
Durch diese „Shopping-Center-Tanker“ hat sich die Flächenverteilung der Center eindeutig in Richtung Großcenter verschoben. So entfallen auf die o.g. drei Anlagen aktuell etwa 50% der gesamten Shopping-Center-Fläche Roms, während sich die andere Hälfte auf circa ein Dutzend kleinerer Anlagen verteilt.
Fazit: Die aktuell erreichte Ausstattung mit Shopping-Centern in Relation zum hohen Bevölkerungspotenzial signalisiert auch nach den drei genannten Großeröffnungen in den vergangenen Jahren rein quantitativ betrachtet noch sehr beachtliche Entwicklungspotenziale für moderne, erlebnisorientierte EKZ-Anlagen. Unter der Voraussetzung, dass man die für Italien typischen Herausforderungen bewältigt, dürfte der römische Einzelhandel für inländische wie ausländische Investoren – trotz insgesamt keineswegs einfacher gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen in Italien – nach wie vor von sehr großem Interesse sein.
Quelle: HIR, Nr. 26, 18.07.2008