Von Dr. Thomas Beyerle, Degi Research
Eines vorne weg: Jede Zahl ist besser als keine Zahl. Und Transparenz ist die Monstranz, die jeder Analyst oder Researcher vor sich her tragen muss. Wenn man von einem Boommarkt innerhalb der Immobilienmärkte sprechen kann, dann ist es zweifelsfrei auch das Angebot an Marktdaten bzw. Marktmeinungen. Kostenpflichtige oder gar kostenfreie Angebote, das Angebot an solchen Produkten trifft gegenwärtig auf eine sehr hohe Nachfrage.
Weltweit lassen sich gegenwärtig rund 3.300 Immobilienindizes registrieren, davon knapp 45% in Nordamerika, 40% in Europa, 5% Asien. In Deutschland sind es aktuell 112 Immobilienindizes, davon rund 49% Immobilienmarktindizes und 51% Immobilienaktienindizes. Gerade in dem aus internationaler Sicht so semitransparenten Deutschland hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Besonders Immobilienindizes scheinen in den letzten Monaten kräftig für Transparenz zu sorgen.
Doch was soll ein Index können, damit er „Sichtbarkeit“ herstellt? Er soll die Entwicklung von z.B. Immobilienpreisen oder Immobilienrenditen widerspiegeln. Und das mit einer möglichst breiten Marktabdeckung. Mit anderen Worten: je mehr Immobilienobjekte, Mietverträge oder Bewertungen in einen solchen Index einfließen, desto besser. Besonders wichtig: wie lange sind die Datenreihen welche integriert werden? Mit anderen Worten: zeig mir deine Grundgesamtheit und die Länge der Zeitreihen und ich gebe dir eine erste Einschätzung zur Qualität und zum Nutzernutzen des Ganzen. Der Boom hat einen rationalen Grund: Die zunehmende Verzahnung der Kapital- und Immobilienmärkte sorgt für diese Genese der datenbankgestützten Produkte. Zwar lassen sich diese nur mittelbar vergleichen, schließen dafür aber große Lücken von Nachfragern auf der Investorenseite und bei Fondsmanagern.
Neben den harten Werten von Indizes zum Total Return oder zur Mietpreisentwicklung ist ein weiteres Transparenzvehikel am Markt aufgetaucht: Investor Sentiments, also Stimmungswerte. Vielleicht ist es ja reiner Zufall, dass sie in der Immobilienwirtschaft zeitgleich mit der Kreditkrise aufgetaucht sind, schließlich kennt man diese Stimmungsbilder im Finanzsektor schon viel länger. Und Stimmungen sind in der aktuellen Umbruchphase eminent wichtig. Bei diesen kurzfristigen Einschätzungen geht es um die Stimmung von Marktteilnehmern über die zukünftige Erwartung der Märkte. Dahinter verbirgt sich die jeweilige, teils gefühlte Informationslage, die Stimmungen, Erwartungen der Marktteilnehmer oder Einschätzungen zum Immobilienmarkt widerspiegelt, die hauptsächlich auf Fundamentalinformationen, z.B. Marktberichten, Zeitungslektüre, Fachgesprächen, beruhen.
Zusammenhänge zwischen den Fundamentaldaten und den damit einhergehenden verhaltensorientierten Prozessen der Marktteilnehmer sind schnell hergestellt. Innerhalb der Sentimentanalyse wird versucht, die Emotionen beziehungsweise die vorherrschende Stimmung hinter einer Kursbewegung zu messen und zu interpretieren. Zwar liefern diese Analysen alleine selten konkrete Handlungssignale. Vielmehr weisen sie auf eine Über- oder Untertreibung der Märkte sowie die Stimmung einzelner Marktteilnehmer hin. Gerade die Phasen, in denen die Märkte zur Übertreibung in die eine oder andere Richtung neigen – also in einen irrationalen Prozess übergegangen sind -, markieren nämlich gewöhnlich Trendwenden. Die Zunahme der Indexwerte und der Stimmungsbilder geht aktuell synchron zum einen mit der Unsicherheit der Finanzmärkte, zum anderen mit der Erholung der Immobilienmärkte.
Neu ist in Deutschland dabei, dass diese Produkte gesponsert werden von (Immobilien-) Unternehmen. Hier ist indes Vorsicht angebracht: Wo beginnt die PR und wo hört sie auf? Dass man dem Kind einen neuen, gesponserten Namen geben darf, ist kein Problem in Zeiten, in denen Fußballstadien nach Versicherungskonzernen oder Milchproduzenten heißen. Wie sieht es aber mit der Repräsentativität der Befragten aus? Experte wird man ganz schnell, wenn man seine Meinung via online Voting abgeben darf. So haben wir in Deutschland mittlerweile einen bunten Strauß von – insgesamt sinnvollen – Immobilienindex-Strukturen. BBRExpertenpanel, BulwienGESA German Property Index, E&G-DIMAX, Immo Index/Dt. Börse, natürlich die IPD-Produktfamilie, DEIX, SZ Immobilienindex, King Sturge Immobilien Konjunktur-Index oder der Jüngste im Bunde, der DMX, der Deutsche Büro Mietpotenzial Index, von alstria office REIT-AG und IPD. Sie alle dienen der Transparenz. Von der Vielzahl der jungen Triebe im Datenwald werden sich letztlich nur einige wenige durchsetzen können. Hier wird der Wettbewerb erst noch einsetzen müssen. Der Rest wird eingehen als verkapptes PR-Instrument. Und genau so sollten diese auch interpretiert werden. Schön, dass es sie gibt, aber fundamentale Informationen daraus abzuleiten, hieße letztlich einem Herdentrieb Vorschub zu leisten. Möge die Branche hier ein offenes Auge haben auf signifikante Datenreihen und kurzfristige subjektive Markteinschätzungen.
Quelle: DIB, Nr. 168, 13.06.2008