Immobilien-Branche im Umweltschutzwa(h)n(del) – Green Buildings für den nächsten Hype

Von Werner Rohmert, Herausgeber „Der Immobilienbrief“

Tankstellen, Presse und Endzeitpropheten fossiler Grundstoffe zeigen uns die Unaufhaltsamkeit steigender Preise auf. Ginge es nach dem Club of Rome, würden wir allerdings heute schon Fahrrad fahren. Die Immobilienwirtschaft hat eine neue Welle: Green Buildings.

Die Energiepreise befinden sich in einer anscheinend unaufhaltsamen Aufwärtsspirale. Der Konsument und die Konjunktur leiden. Die Branche sieht sich vor einer Revolution. Das Energiesparen kommt! Spätestens jetzt, nach den letzten schweren Monaten, dürfte vielen Hauseigentümern klar werden, dass der eher mathematische Umgang mit Energie nach dem Motto „was rechnet sich?“ vor einem Wendepunkt steht. Erst kürzlich verabschiedete die Regierung das Klimaschutzpaket. Energieeffizienz und Green Building heißen die Schlagwörter, die den Paradigmenwechsel in der Immobilienbranche einleiten sollen. Die Novität des ganzen liegt allerdings eher an der Jugend der Betrachtenden als an den Realitäten. Im Editorial habe ich kurz in mein eigenes Benzin-Portmonee geblickt. Für mich war Benzin nie billiger als heute.

Getroffen sind über die Energiekosten vor allem die Mieter an der Belastungsgrenze und deren Vermieter. Wir sparen im Neubau doch sowieso schon. Der volkswirtschaftliche Energieverbrauch ist heute so hoch wie 1968. Vor 5 Jahren schon machten Fachleute klar, dass der Energieverbrauch eines Büroneubaus bei 10 bis 20% einer Energieschleuder der 60er Jahre liegt. Über 70% aller Ölkontrakte sind finanzgetrieben und nicht verbrauchsorientiert. Vor 3 Jahren lag der Finanzanteil noch bei ca. 35%. Spricht das für Preisstabilität? Jede Gebäudeempfehlung hat eine 30-Jahres-Perspektive zu berücksichtigen. Hat schon einmal jemand psychologisch untersucht, ob sich die reichen Matadore von 2038 noch in Energiespar-Burgen von gestern wohl fühlen werden? Eines ist jedoch sicher. Die Energiepreise werden langfristig steigen. Fraglich ist allerdings, ob die realistische Basis für zukünftige Preissteigerungen bei 80, 130 oder 150 Dollar pro Barrel liegen wird. Und wenn die Basis im Zuge weltwirtschaftlicher Beruhigung nach dem Hustenanfall des Marktes doch wieder bei 80 Dollar landen wird, werden sich einige Green Builder daran verschlucken. Am Ende werden wieder viele gut meinende (Energie-) Hype-Jünger eine Opferwelle anstoßen. Zum Thema „Energiepass“ haben wir uns schon 2004 kritisch geäußert. Im Moment sieht er eher nach Lachnummer aus.

Allerdings ist die Gesamtsituation nicht zum Lachen. Blickt man auf die Aufgaben im Altbaubestand, die der Gesetzgeber fördern könnte oder wird, dürfte es manchem um seine Altersversorgung bange werden. Die Realität regional breiter, anhaltender Wertverluste in der Kombination mit nicht rechenbaren Investitionszwängen wird viele Altersvorsorge-Berechnungen mit vermieteten Immobilien zur Makulatur werden lassen. Mieterhöhungsmöglichkeiten gehen an der Realität der Mieterbelastbarkeit vorbei. Nicht nur Fondsflopps, sondern die nach allen 93er Kriterien richtigen Immobilien-Entscheidungen mit anhaltender Vollvermietung werden zum Altersvorsorge-Sargnagel. Was wird mit den großen Wohnungs AG’s geschehen, wenn die Energiesparkeule dann zuschlägt, wenn das Asset-Management schon den letzten freien Mieterpfennig aus der Tasche gezogen hat?

Auch im Bestand vieler Architektenpreis gekrönter Glaspaläste und Klimatisierungsrekordhalter „internationaler Standards“ der 80er, müssen die Mieten sinken, um überhaupt Mieter gewinnen zu können. Nicht nur Nebenkosten, sondern auch das Image wird viele Mieter abhalten. Und ob die Mietrechtssprechung die Unkündbarkeit langfristiger Mietverträge in Energiesündern bei z. B. imageorientierten Unternehmen durchstehen wird, kann durchaus hinterfragt werden. Solch eine Immobilie dürfte seinem Anleger wohl kaum noch attraktive Renditen bringen. Die Lebenszyklen werden kürzer.

Anders sieht es bei Neubauten aus. Die grundlegenden ökologischen Motive zu planen, zu bauen oder zu investieren stehen am Vorabend einer immobilienökonomischen Revolution. Die Immobilienwirtschaft denkt um. Laut Degi wollen 84% der Investoren in den nächsten 5 Jahren green properties erwerben, mieten oder verwalten. 80% der Gesamtkosten über die Lebenszeit einer Immobilie fallen während ihrer Nutzung an. Davon sind wiederum 50% Energiekosten. Dabei führen lt. Degi 60% weniger Energieverbrauch lediglich zu 5% höheren Planungs- und Baukosten.
Niemand kann aber garantieren, dass heutiges „class A“ in 20 Jahren noch marktgängig ist. Immobilienresearcher Hartmut Bulwien machte in einem Banken Roundtable Anfang der 90er auf unsere entsprechende damalige Frage deutlich, dass die 80er Jahre Immobilien doch jetzt wirklich ausgereift seien und mit den damals wie Blei im Markt liegenden 60er Jahre Immobilien nun doch überhaupt nicht vergleichbar seien. Was ist daraus geworden? Schauen Sie doch heute einmal zurück allein schon auf den flächenoptimierenden Fonds-Schrott der heute gerade 10 oder 12 Jahre alt ist. An der Abrissbirne wird schon gegossen.

Seit 15 Jahren steht deshalb unsere Frage im Raum, wie sich Immobilien mit 4 bis 5% Mietrendite nach Verwaltung bei einer technischen Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren bis zur vorübergehenden Totalsanierung ohne dramatischen Knappheits- und Mietsteigerungsdruck rechnen sollen. Schauen wir zurück: Es hat sich meistens auch nicht gerechnet. Für die letzten 15 Jahre hat unsere Frage zum Teil dramatische Bedeutung gewonnen. Und ohne den emotionalen Globalisierungs-Einkaufs-Boom wären viele ex post Rechnungen trotz guter Ratschläge damaliger Profis grauenhaft geworden.

Anbieter von Immobilienkapitalanlagen müssen nach Degi-Meinung für die Einhaltung von Produktversprechen ständig ihre Methoden zur Erreichung einer stabilen und auch steuerlich attraktiven Sachwertanlage anpassen. Daraus folgt, dass Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft mit der Senkung der Energiekosten anfängt. Dies bedeutet nicht nur Energiesparlampen oder Stromanbieterwechsel. Büro- oder Einzelhandelsobjekte müssen energieeffizient geplant und gebaut werden. Wer seinen Investoren nachhaltige Renditen bringen will, muss zukünftig nicht nur als Schlagwort auf Green Buildings setzen. Durch Energieeffizienzbewertungen werden ältere Immobilien immer schwerer zu vermarkten sein. Energieeffizienz wird zukünftig Einfluss auf die Kreditvergabe haben. In der Immobilienbewertung werden „Nachhaltigkeits- Kriterien“ eine größere Rolle spielen. Gütesiegel wie das LEED Zertifikat (Leadership in Energy and Environmental Design) werden Verkaufsargument. Beim nachhaltigen ökologischen planen, bauen und investieren hinkt Deutschland allerdings lt. Degi noch hinterher. Aus diesem Grund wurde 2007 die „Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ gegründet. Erste Effekte der Green Building Welle werden in 5 bis 10 Jahren messbar sein. Bis dahin wird es spannend zu beobachten, wer auf dieser Welle mitsurft und wer von ihr geschluckt wird – oder wer sich an ihr verschluckt.

„Der Immobilienbrief“-Fazit: Was „grün“ ist, ist heute „in“. Ob das anhält, wenn jeder 100ste Chinese oder Inder endlich den Seelenwunsch nach einer senilen Spritschleuder erfüllen kann und die globale Bedeutung Deutschlands bei der Umweltverschmutzung einmal realistisch gesehen wird, müsste psychologisch untersucht werden, bevor 30-Jahres-Green-Building-Empfehlungen gegeben werden. Werden die Erfolgskonzerne von 2035 wirklich die Energie-Sparburgen von gestern berennen – oder spielen dann ganz andere Attraktivitätsüberlegungen eine Rolle? Die Technik von heute ist doch bis dahin sowieso Geschichte. Vernünftiger Umgang mit Energie im Neubau sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein. Green Building Philosophien schaffen doch nur wieder Immobilien, die morgen schon von gestern sind.

Beim Klimaschutz ist Deutschland Vorreiter. Das ist für das Technologie-Geschäft wahrscheinlich interessanter als beim Vormachen. Der Handel mit Umweltzertifikaten macht jetzt schon deutlich, mit welch hohen Kosten im internationalen Vergleich minimale Einsparungen bezahlt werden müssen. Das Investment wäre woanders vielfach besser aufgehoben, wo noch mit Gründerzeitmethoden die Umwelt verpestet wird. Aber die Politik verbleibt in dem deutschen Wahn, an ihrer Energiepolitik werde die Welt genesen.

Quelle: DIB, Nr. 169, 27.06.2008