Mit Moderner Sklaverei zu Glanz und Glorie – Menschenrechtsorganisation kritisiert Arbeitsbedingungen in Dubai. Ein Bericht über die Zustände auf den Baustellen im Emirat.

Von Beatrix Boutonnet, Wirtschaftsjournalistin

Dubai liefert der Welt ständig Rekorde: Mit dem Burj Dubai das höchste Gebäude, mit dem Burj al Arab das einzige 7-Sterne Hotel der Welt, und die Mall of Arabia soll mit 2.200 Geschäften alle Shopping-Superlative toppen. Doch hinter den immer höheren Wolkenkratzern und luxuriösen Einkaufstempeln – zu Stein gewordene Symbole der Macht und Stärke des Wüstenstaats – lauern viele Probleme. Hinter der Glitzerfassade ist der Reichtum Dubais flüchtig. Das wird nur allzu gern auch von den Profiteuren des Booms übersehen.

Finanzinvestoren, Bauunternehmer und Finanzvermittler können, so scheint es, gar nicht mehr aufhören, Dubais Qualitäten in den Himmel zu loben. Ein wahres Eldorado im Wüstensand sei im Entstehen. Das Risiko sei minimal, da sich die Kaufpreise in wenigen Jahren vervielfacht haben werden – und all das gibt es fast steuerfrei. Kritiker des arabischen Wirtschaftswunders hätten schlicht und ergreifend einfach keine Ahnung, was in Dubai abgeht, so ihr vernichtender Tenor. Und die Anleger? Sie vertrauen darauf, das Geschäft müsse alleine deshalb schon in Ordnung sein, wenn nur der Prospekt gut gemacht ist, die Rendite stimmt und das staatliche BaFin-Siegel darauf prangt. Doch während auf Produkten wie Fußbällen inzwischen häufig der Vermerk angebracht ist „nicht von Kinderhand genäht“, fehlt der ethisch-soziale Aspekt bei Finanzprodukten oft noch völlig. Dabei lauern hinter den überdimensionierten Wachstumsphantasien und dem all zu schnellem Reichtum neben der zunehmend befürchteten spekulativen Blase noch deutlich mehr Schattenseiten.

Tausende Bauarbeiter kommen jedes Jahr aus den Armenhäusern Südostasiens in das Emirat und erhoffen sich in Dubai ein besseres Leben. Häufig bleibt ihnen in den ersten zwei Jahren von ihrem Lohn kaum etwas übrig, denn sie müssen ihren Vermittlern, die sie herbrachten, die Gebühr dafür abstottern. Sie arbeiten bei sengender Hitze für Dubais Glanz und Glorie, um das einstige Beduinen-Emirat zu einem futuristischsten Drehkreuz des Mittleren Ostens ausbauen.

Die Reichen leben abgeschirmt auf aufgeschütteten Inseln in Form von Palmen wie „The Palm Jumeirah“ oder auf der künstlichen Insel-Welt „The World“ und tun gerne so, als wüssten sie nicht, wer auf den Baustellen arbeitet und wer sie rund um die Uhr bedient. Viele Arbeiter schuften auf den Baustellen oft ohne Sicherheitsvorkehrungen. Illegalerweise behalten manche Firmen sogar die Pässe ein, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, um die Arbeiter davon abzuhalten, sich davon zu machen und andere Jobs zu suchen. Sie prangerten diese Art der Mitarbeiterbehandlung als moderne Sklaverei an. Allein 2004 starben in Dubai 880 ausländische Bauarbeiter durch ungeklärte Unfälle, so ihr ernüchternder Bericht. http://hrw.org/photos/2006/uae1106/). Frau und Kinder nachholen dürfen die meisten Arbeiter nicht. In Dubai ist Familienleben für Ausländer nur erlaubt, wenn sie über 1.500 Euro verdienen. Das gelingt Arbeitern nur selten. Die Löhne für Bauarbeiter, so der Bericht von Human Rights Watch, liegen zwischen 106 und 250 Dollar pro Monat.

Von dem mageren Löhnen bleibt ihnen durch den aktuell schwachen Dollar jetzt sogar noch weniger, denn die heimische Währung Dirham ist an den Green-Back gekoppelt. Auch die Inflation macht ihnen Sorgen. Alles wird teurer. Wie in vielen Ländern Asien ist die Inflation inzwischen auch das größte volkswirtschaftliche Problem in der Golfregion. 2006 lag sie bei 9,3 Prozent. Für dieses Jahr, so die Analysten, sind zwölf Prozent durchaus realistisch.

Wesentlich besser geht es den Einwohnern von Dubai. Seine knapp 200.000 Einheimischen verwöhnt der Scheich. Steuern zahlen sie kaum. Das Wort des Pferdeliebhabers, Dichters und Geschäftsmanns ist in Dubai Gesetz. Von Demokratie ist es weit entfernt, auch wenn davon im Alltag wenig zu spüren ist. Das Steuerparadies gibt sich sehr geschäftsmäßig, kosmopolit und modern. Letztendlich bestimmt aber alles, was geschieht, Dubais Herrscher in letzter Instanz.

Er will Erfolgsgeschichte schreiben – für sich, für Arabien, für den Islam. Und dafür ist nur das Beste und Größte gut genug. Dafür folgt er minutiös und genau einem riesigen Masterplan, der Dubai bis 2010 mindestens 15 Millionen Besucher bescheren soll. Für die Inselkonstruktion holte man sich Experten aus Holland. Doch das maritime Gleichgewicht leidet durch das künstlich aufgeschüttete Land. Algenbildung und tote Fische sind die Konsequenzen.

Neben dem Tourismus soll die Finanzbranche zweites Standbein werden, gilt doch der Nahe und Mittlere Osten als der Finanzmarkt der Zukunft. Auch als Zielgruppe für Banken sind Muslime attraktiv: Die weltweit rund 1,2 Milliarden Muslime verfügen Schätzungen zufolge über 200 bis 500 Milliarden Dollar Vermögen. Ein lukrativer Markt. Das einzige Problem: Der Koran verbietet gewisse Formen der Geldanlage. So sind Zinsen nicht gestattet. Auch Versicherungen sind im Islam verboten. Sie gelten als „Wette gegen den göttlichen Willen". Lassen sich Zinsen gar nicht vermeiden, so der Koran, sollen sie für wohltätige Zwecke gespendet werden. Vielleicht ist dieser Passus des Korans in Dubai noch nicht bei allen angekommen, sonst hätten die vielen unterbezahlten Arbeiter mehr Chancen auf ein besseres Leben, und Dubai statt der künstlichen Schönheit auch eine Seele.

Quelle: Der Fonds Brief, Nr. 65, 30.05.2008