Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft beziehen Position zum Energiekonzept der Bundesregierung

Die Vision der Bundesregierung, bis 2050 alle Gebäude – auch bereits bestehende – auf einen CO2-freien Verbrauch umzustellen ist nur möglich, wenn ein wirtschaftlich umsetzbarer Weg gefunden wird. Das Wirtschaftlichkeitsgebot muss oberste Priorität haben, denn es kämen Kosten in Höhe von mehreren Billionen Euro auf Hauseigentümer und Mieter zu, die nicht von ihnen alleine zu schultern wären. Ohne Anreize rückt die Erfüllung der Klimaschutzziele in weite Ferne. Davor warnte heute die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) im Vorfeld der morgigen Haushaltsberatungen zu den CO2-Gebäudesanierungsprogrammen der KfW sowie der Kabinettsitzung zum Energiekonzept der Bundesregierung am 28. September. Während alle über die Atomlaufzeiten diskutierten, liege die Brisanz im Gebäudebereich. Die sieben Mitgliedsverbände der BSI decken rund die Hälfte aller Mietverhältnisse in Deutschland ab.

Neueste Berechnungen der BSI belegen die immense Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei energetischen Sanierungsmaßnahmen. Für ein typisches Mehrfamilienhaus mit 16 Wohneinheiten bedeutet dies beispielsweise energetische Sanierungskosten in Höhe von circa 680 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, wenn man den Standard Effizienzhaus 55 und die zusätzliche Einbindung erneuerbarer Energien zugrunde legt. Der Aufwand für Einfamilienhäuser ist sogar noch größer, so dass man im Mittel von 750 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ausgehen muss. Bei circa 3,5 Milliarden Quadratmetern Wohnfläche bundesweit entsteht aus den im Energiekonzept empfohlenen Nachrüstverpflichtungen ein Investitionsbedarf von 2,6 Billionen Euro allein im Wohnungsbereich.

„Es ist vollkommen unverständlich, dass der Entwurf des Energiekonzepts im Gegensatz zu anderen Sektoren, kein Ziel für den Gebäudesektor insgesamt formuliert, sondern verbindliche Ziele für die einzelnen Gebäude festlegt. Auch der Automobilindustrie schreibt die Politik nicht vor, dass sie 2050 nur noch emissionsfreie Autos bauen darf, obwohl der Fahrzeugbereich von wesentlich kürzeren Innovations-Zyklen geprägt ist. Eine Sanierung von Bestandsgebäuden auf das für 2050 vorgesehene Ziel ‚Nullemission’ ist derzeit technisch und wirtschaftlich Leuchtturmprojekten vorbehalten und in der Breite nicht darstellbar“, kommentierte Jens-Ulrich Kießling, Vorsitzender der Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) und Präsident des Immobilienverbandes IVD.

Die BSI betonte, dass höhere Anforderungen nur mit einer deutlichen Erhöhung der Förderung umsetzbar wären.

„Ohne umfassende Anreize wie die CO2-Gebäudesanierungsprogramme ist die Sanierung der Wohnungsbestände auf hohen energetischen Standard unrealistisch. Allein die Klimaschutzziele für 2020 – das Nullemissions-Haus noch nicht eingerechnet – sind nur mit einem jährlichen Fördervolumen von mindestens fünf Milliarden Euro zu erreichen. Zwar kündigt die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept eine deutliche Verbesserung der CO2-Gebäudesanierungsprogramme der KfW an, gleichzeitig diskutiert sie aber im Rahmen des Sparpakets eine Kürzung der Mittel für 2011 auf rund 450 Millionen Euro. Eine Weiterführung der Programme ab 2012 ist bislang noch völlig unsicher“, kritisierte Lutz Freitag, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.

Dabei wäre der Ausbau der Förderprogramme in zweierlei Hinsicht sinnvoll: Der Klimaschutz würde vorangebracht und das Wirtschaftswachstum stimuliert, denn die staatlichen Fördermaßnahmen finanzieren sich in diesem Bereich praktisch selbst. Jeder Euro Förderung stößt Investitionen in Höhe von etwa 8,50 Euro an. Allein die Umsatzsteuer bringt dem Fiskus mit 1,62 Euro mehr, als ihn die Förderung kostet. Die BSI appelliert an die Politik, dies in ihren morgigen Haushaltsberatungen zu den CO2-Gebäudesanierungsprogrammen der KfW zu berücksichtigen.

„Bevor neue Ziele festgelegt werden, sollten die Evaluierungsergebnisse der EnEV 2009 abgewartet werden. Immobilien sind keine Autos, bei denen man alle fünf Jahre ein neues, sparsameres kaufen kann“, kommentierte Walter Rasch, Präsident des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. „Wenn die Sanierungsquote von Gebäuden erhöht werden soll und energetische Maßnahmen am gesamten Gebäude durchgeführt werden sollen, können die Maßnahmen nicht als Betriebskosten abgesetzt werden. Daher sollte der steuerliche Lebenszyklus einer Immobilie auf maximal 25-30 Jahre festgeschrieben werden. Unberücksichtigt bleibt bislang auch, dass hochwertiger Ersatzneubau, der sowohl energetischen als auch demografischen Anforderungen gerecht wird, manchmal die bessere Alternative sein kann. Hierfür benötigen wir Neubau-Anreize“, erklärte Rasch weiter.

Zu begrüßen ist aus Sicht der BSI das Vorhaben, mietrechtliche Hürden bei energetischen Maßnahmen zu beseitigen. Es sei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern nötig, um gemeinsam den Klimaschutz im Gebäudebereich voranzubringen.

Die Positionen der BSI zum Energiekonzept im Überblick:

Energiekonzept: Höhere Förderung statt höherer Anforderungen
BSI: bisheriger Weg war erfolgreich

Energiekonzept: Verlängerung der Laufzeiten finanziert Energieeffizienz
BSI: mindestens fünf Milliarden Euro Fördermittel jährlich für 2% Sanierungsrate im Gebäudebereich nötig

Energiekonzept: Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist und bleibt Grundlage energetischer Modernisierung
BSI: wirtschaftliche Umsetzung des Energiekonzepts ist alternativlos

Energiekonzept: Effizienzsteigerung vor Einsatz erneuerbarer Energie
BSI: EEWärmeG in EnEV integrieren – Länderöffnungsklausel schließen

Energiekonzept: Monitoring im Gebäudeeffizienzbereich setzt Evaluation des IEKP fort
BSI: Federführung beim BMVBS und der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Energiekonzept: "Nullemission" bis 2050 als Vision
BSI: kein verbindliches Ziel in EnEV 2012

Energiekonzept: Steuerliche Anreize von besonderer Bedeutung
BSI: steuerliches Bonus- und Malussystem fragwürdig

Energiekonzept: 500 Millionen für Energieeffizienzfonds
BSI: Aussagekräftige Energieberatungen statt veränderte Energieausweise

Energiekonzept: Energetische Städtebausanierung wichtige Begleitmaßnahme
BSI: langfristig und stetig anlegen

Energiekonzept: Mietrechtsreform an ehrgeizige Zielstellung anpassen
BSI: mietrechtliche Hürden bei energetischen Maßnahmen beseitigen

Energiekonzept: Rechtssicheres Contracting
BSI: Contracting für die Bestände ermöglichen, für die keine Regelung besteht

BSI: Bestandsersatz erleichtern
 

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