Europäische Shopping-Center – Zwischen Uniformität und Individualität

Von Ruth Vierbuchen

Passt ein Format auf alle europäischen Shopping-Center der neueren Generation in West- und Osteuropa? Diese Frage, die Jones Lang LaSalle (JLL) anhand von 21 europäischen Shopping-Centern mit mehr als 30 000 qm Verkaufsfläche, die zwischen Januar 2007 und Februar 2008 entstanden sind, untersucht hat, lässt sich mit „Ja“ und „Nein“ zugleich beantworten. Einbezogen wurden auch Zentren mit mehr als 45 000 qm, die Ende 2009 fertig werden. Zweifellos gibt es Grundmerkmale, die das Gerüst der neuen Shopping-Center-Generation bilden. Gleichzeitig stemmen sich die Kunststädte unter Glas aber gegen die Uniformität, die entsteht, wenn sich überall die gleichen Filialisten ansiedeln  und suchen deshalb nach Individualität.

Während in Deutschland vielfach darüber diskutiert wird, dass im Shopping-Center der Neuzeit der typische Lebensmittelanbieter z.B. im Format des SB-Warenhauses als Ankermieter ausgedient hat, weil die Center mehr in Richtung Trading-up gehen, kommt JLL in seiner europäischen Untersuchung zu den Ergebnis, dass Verbrauchermärkte – die Variante zwischen Supermarkt und SB-Warenhaus – in mehr als drei Viertel der zwischen 2007 und 2008 entwickelten Projekte eine zentrale Rolle als Ankermieter spielen. Ein weiterer wichtiger Baustein sind die Textilanbieter, deren Bedeutung laut JLL weiter steigt:

„In über 70% der untersuchten Neuentwicklungen werden Textilanbieter als Anker- oder Schlüsselmieter präsentiert.“

Überraschen kann das allerdings nicht, denn Shopping-Center sind die Abbilder der Innenstädte und die Textilbranche gilt zusammen mit Schuhen als wichtige innerstädtische Schlüsselbranche. Was in der Innenstadt als Zugpferd funktioniert, funktioniert auch im Center. Dabei unterstützen die Globalisierung europäischer Mode-Labels und das europaweit wachsende Markenbewusstsein der Verbraucher den Trend. Vor allem wenn internationale Handelskonzerne einen Markt neu betreten, in dem sie noch nicht so bekannt sind, setzen sie bei der Expansion gerne auf Shopping-Center.

Besonders aktiv zeigt sich die schwedische Bekleidungskette H & M als großflächiger Ankermieter. Und auch die spanische Inditex-Gruppe mit ihrer Marke Zara oder die deutsche Peek & Cloppenburg sowie Next setzen auf Centerflächen. Der britische Primark-Konzern will nach dem erfolgreichen Entrée in Spanien nun in Deutschland, Portugal und den Benelux-Staaten Fuß fassen. Auch osteuropäische Anbieter wie Reserved aus Polen suchen den Erfolg im Westen.

Genauso wie in den deutschen Innenstädten sind auch in Shopping-Centern Textilien und Schuhe somit die stärkste Branche mit 48% der Fläche. Auf Rang zwei folgen mit 12% Restaurants und Cafés. Jeweils 8% entfallen auf Kosmetik, Telekommunikation sowie Uhren- und Schmuck. Große Unterschiede zwischen den West- und Ost- Zentren haben die Forscher beim Thema Ankermieter nicht gefunden.

Auch die Tatsache, dass Shopping Center beim Thema Freizeit in 85% der Fälle auf Kinos setzen, die zudem als Ankermieter noch die Verbrauchermärkte übertreffen, variiert nicht zwischen Ost und West. Allerdings bildet Deutschland eine Ausnahme. Kinos haben hier nicht diese Zugpferd-Funktion. Generell spielen Kinos jedoch eine wichtige Rolle beim Thema „Third-Place“, das in Shopping-Centern immer wichtiger wird. Denn, um von der reinen Funktion als Einkaufswelt weg zu kommen und die Verweildauer zu verlängern, setzen die Betreiber auf Freizeit und rüsten die Kinoangebote mit den neuesten Technologien auf. Es werden sportliche und kulturelle Aktivitäten geboten, Aquarien aufgestellt oder wie im Berliner Alexa die weltgrößte Modellbahn-Ausstellung geboten.

„Erfolgreiche Center leben von einer einzigartigen Identität“,

stellt Jones Lang LaSalle dazu fest. Design, Bauqualität und ein vielfältiges Freizeitangebot dürften künftig die entscheidenden Erfolgsmerkmale sein. Dass die Entwickler in ganz Europa auch mehr Wert auf architektonische und bauliche Qualität legen, führt dazu, dass selbst Luxusmarken das Shopping-Center durchaus als Standortoption in Erwägung ziehen.

Mfi-Erlangen Arcaden mit Photovoltaik-AnlageGroße Unterschiede gibt es zwischen Ost und West jedoch beim Standort. Weil oft die innerstädtischen Flächen fehlen, entstehen 60% der Zentren in Osteuropa an der Peripherie. Im Westen werden heute 65% der Center in der Innenstadt gebaut und ein weiteres Drittel zumindest im innenstadtnahen Bereich. Darin spiegelt sich auch die politisch gewollte Renaissance der Innenstädte wider.

Mit den steigenden Energiekosten können sich auch die Shopping-Tempel dem Zwang zum Energiesparen und dem Einsatz alternativer Energiequellen nicht entziehen. Die portugiesische Sonae Sierra, British Land, Redevco und Unibail Rodamco setzen auf Nachhaltigkeitsstandards bei neuen Projekten. Auch die Düsseldorfer Metro und die Essener Mfi setzen alternative Energiegewinnung ein. Aus Sicht von Jones Lang LaSalle wird die Europäische Gesetzgebung das „grüne Bauen“ noch forcieren.

Quelle: HIR, Nr. 29, 29.08.2008

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