Bulgarien/Rumänien: Fokus auf die kleineren Städte

Von Ruth Vierbuchen

Für Alexander Otto, Vorsitzender der ECE-Geschäftsführung gehören Länder wie Bulgarien, Rumänien, Russland, Ukraine oder Türkei zur „zweiten Phase“ seiner Auslandsstrategie. Auf sie richtet sich der Fokus der ausländischen Investoren und Entwickler, seit die Länder der „ersten Phase“ wie Tschechien, Ungarn, Slowakei oder Polen, bzw. deren Metropolen, erste Ermüdungserscheinungen erkennen lassen: „Budapest zeigt Sättigungstendenzen, doch es wird weitergebaut“, titelte Gfk-Geomarketing in einem Marktbericht, oder „Center-Boom in Bratislava: Ab durch die Decke?“ Seit diese Länder am 1. Januar 2005 der EU beigetreten sind, zeigen die Schlagzeilen der GfK-Reports, dass die Entwicklung schon weit vorangeschritten ist, und sich Chancen für moderne Center und Galerien nur noch in den Metropolen bieten, wenn sie die Entwicklungen der ersten und zweiten Generation vom Markt verdrängen können, weil die Qualität unzureichend ist.

Mit einer Shopping-Center-Fläche von 189,4 qm je 1 000 Einwohner in Tschechien, 115,4 qm in Ungarn oder 116, 7 qm in Polen haben diese Länder schon den Anschluss an den europäischen Durchschnitt von über 170 qm gewonnen oder sind bereits deutlich auf dem Weg dahin.

Für die Länder der „zweiten Phase“ prognostiziert DEGI Research bis 2009 überdurchschnittliche Netto-Anfangsrenditen zwischen 6 und über 7% in Russland, Ukraine und der Türkei und von über 5,5% in Rumänien und Bulgarien. Auf der EXPO REAL, der 11. Internationalen Fachmesse für Gewerbeimmobilien, vom 6. bis 8. Oktober 2008 in München, werden u.a. diese Länder im Investment Locations Forum vorgestellt. 290 Mio. Menschen leben in diesem Raum und gemeinsam sind ihnen ein hohes Kaufkraftwachstum und eine vergleichsweise niedrige Ausstattung mit Shopping-Center-Flächen, die weit unter dem Durchschnitt der EU liegen, teilweise sehr weit. Zwischen 16 und 25 qm liegen die Schätzungen für die Ausstattung mit Shopping-Centern je 1 000 Einwohner in Rumänien, Gfk Geomarketing beziffert die Pro-Kopf-Ausstattung für die bulgarische Hauptstadt Sofia, die mit ihren vier Shopping-Centern im Landesdurchschnitt noch recht gut da steht, mit nur 0,06 qm, ein Wert „der im europäischen Vergleich am unteren Ende der Skala“ rangiert.

Doch das eröffnet Entwicklungspotenzial, zumal beide Länder durch ihren Beitritt zur EU am 1. Januar 2007 – im Gegensatz zu den drei anderen – den Investoren noch relativ klare wirtschaftliche, rechtliche und politische Rahmenbedingungen bieten können. Das zeigte sich schon durch das wachsende Interesse im Vorfeld des Beitritts. Ein Wirtschaftswachstum, das vom Beratungsunternehmen CB Richard Ellis (CBRE) für Bulgarien im ersten Quartal 2008 mit 7% beziffert wird, Brutto-Löhne, die jährlich um 6% steigen sowie die niedrigste Einkommenssteuer der EU von 10%, belegen, dass die Kaufkraft in Bulgarien wächst und damit die Nachfrage nach Konsumgütern, die – wie im Osten generell – von westlichen Marken dominiert werden. Das gilt insbesondere für den Großraum Sofia, in dem die Bevölkerung demnächst auf zwei Millionen Menschen steigen wird.

Und auch der Immobilienmarkt wächst in Bulgarien. Im ersten Halbjahr 2008 betrug das Transaktionsvolumen laut CBRE 745 Mio. Euro, 29% mehr als im Vorjahreszeitraum. Der größte Teil (59%) entfiel – erwartungsgemäß – auf Sofia und auf den Bereich Einzelhandel mit fünf Deals – vor Büros mit vier Deals. Dominierten im ersten Halbjahr 2007 noch die Ausländer vor allem aus Groß-Britannien, Österreich und Luxemburg mit 96% das Geschehen, haben sich die Gewichte 2008 zugunsten der einheimischen Unternehmen (52%) verschoben. Auf Ausländer entfallen noch 47% des Transaktionsvolumens.

Die ersten Ergebnisse der Investments werden sich in diesem Jahr schon zeigen: Laut Colliers International Bulgaria wird es einen Fertigstellungsboom bei Shopping-Center-Flächen geben und 201 000 qm neu auf den Markt kommen. Doch in der Pipeline ist noch mehr: Die Hamburger ECE ist mit zwei Projekten dabei: Mit der Osteuropa-erfahrenen Sparkassen Immobilien AG aus Österreich entwickelt sie das Serdika Center mit einem 50 000 qm großen Shopping-Center sowie 35 000 qm Bürofläche, das 2009 eröffnet wird. Mit der Advance Properties Ltd wird der Europe Park Sofia, ein multifunktionales Stadtquartier mit Einkauf, Büros, Wohnungen, Hotel und Kinos sowie dem Europe Tower als Highlight, gebaut. Auf 65 000 qm bringt es das Europe-Shopping-Center. Noch größer ist die Mall des französischen Hypermarktbetreibers Carrefour mit 70 000 qm Fläche, die noch 2008 eröffnet werden soll oder die Entwicklung auf Sofias Bahnarealen der spanischen Riofisa mit 80 000 qm. Da weitere Center geplant sind und auch Fachmärkte, Discounter, Verbraucher- und Hypermärkte entstehen, schätzt Gfk Geomarketing, dass sich beispielsweise in Sofia ein intensiver Wettbewerb entwickeln wird. Die Erfahrung aus anderen mittel- und osteuropäischen Metropolen wie Prag zeige, dass nur gute Konzepte an sehr guten Standorten noch Erfolg versprechen. Nach Einschätzung von CBRE konzentrieren sich die Investoren inzwischen auch verstärkt auf regionale Städte – secondary cities – wie Varna, Burgas, Pleven, Sliven, Stara oder Zgora, wobei auch hier Shopping-Center im Fokus stehen. Die Netto-Anfangsrenditen von Prime-Shopping-Center liegen laut CB Richard Ellis bei 7%.

In Rumänien mit der Hauptstadt Bukarest wurde die Entwicklung der ersten Shopping-Center nach westlichem Vorbild schon sehr viel früher vorangetrieben als in Bulgarien, wie GfK Geomarketing berichtet. Nicht nur in der Metropole mit ihren etwa 9 bestehenden Zentren und den mehr als 10 geplanten Anlagen, sondern auch in anderen Städten waren bereits moderne Center-Anlagen entstanden. Seit zwei bis drei Jahren richtet sich der Fokus nun auch stärker auf die regionalen Städte. Ein Prozess, der sich laut Jones Lang LaSalle (JLL) in Rumänien schneller vollzieht als in Zentraleuropa. Nicht zuletzt deshalb, weil in dem sehr aktiven rumänischen Markt gute Projekte knapp werden und sich die Entwickler langfristig ausrichten müssen. JLL erwartet, dass Rumänien in den nächsten Jahren der drittaktivste Entwickler-Markt in den CEE-Staaten sein wird. Bis Ende 2008 dürften 19 Shopping-Center mit über 600 000 qm Verkaufsfläche fertig werden, wodurch die Ausstattung Rumäniens auf 52 qm pro 1 000 Einwohner steigen wird.

Dabei dürften die Unterschiede zwischen den Städten groß sein. In Bukarest wird die Ausstattung mit Shopping-Center-Fläche 217 qm erreichen. Allerdings: Warschau bringt es auf 500 qm. Die Dynamik, mit der sich der Shopping-Center-Markt in der Metropole Bukarest in den nächsten Jahren entwickeln wird, dürfte nach Einschätzung von GfK Geomarketing allerdings erheblich höher sein als die Wohlstandsgewinne, so dass sich der Center-Wettbewerb intensivieren wird und die Zeiten der Pioniergewinne zu Ende gehen.

Rumänien ist mit 22 Mio. Einwohnern das siebtgrößte Land in der EU und mit 9 Mio. Beschäftigten und Löhnen die jährlich um 18% steigen sowie einer Bevölkerung, in der der Anteil junger Menschen höher ist als in anderen westeuropäischen Ländern, ein wichtiger Zukunftsmarkt. Für westeuropäische EU-Länder ist das Land zudem die Basis für das Geschäft in der Schwarzmeer-Region. Seit 2001 ist das BIP laut GfK Geomarketing mit realen Zuwachsraten von 4,1 bis 8,5% gewachsen. Und Jones Lang LaSalle schätzt das weitere Wachstum bis 2010 auf jährlich 5% – auch wenn die Ausgangsbasis recht bescheiden und die Inflation relativ hoch ist. Von Vorteil für ausländische Investoren ist zudem, dass die Korruption, mit der Bulgarien noch stärker zu kämpfen hat, leicht eingedämmt werden konnte.

Der rumänischen Shopping-Center-Markt im allgemeinen wird nach Einschätzung von Jones Lang LaSalle mittelfristig keine Sättigungsphase erreichen, da die regionalen Städte zunehmend an Bedeutung gewinnen und die sehr starke Nachfrage des Einzelhandels, der in den traditionellen Einkaufsstraßen nicht die adäquate Flächen findet, die Entwicklung befeuern wird. Auch die absolute Größe der Center wird steigen. Einige liegen bei 50 000 qm und mehr. Aber auch Größenordnungen von 162 000 qm wie beim Collosseum, das von Modus entwickelt wird, oder das 100 000 qm große Park Lake Plaza von Caelum Development, das 2010 eröffnet wird. Beide stehen jedoch in der 1,9 Mio. Einwohnerstadt Bukarest.

Insgesamt schätzt Jones Lang LaSalle das Wachstumspotenzial der rumänischen Wirtschaft sehr hoch ein, was den Konsumgüter- und Retail Investment-Markt begünstigen wird. Da das Interesse der Investment-Fonds unvermindert groß ist, dürften auch die Renditen stabil bleiben. Wie die weitere Entwicklung auf dem Balkan im Detail voranschreiten wird, thematisiert auch die EXPO REAL in verschiedenen Veranstaltungen. Zahlreiche Aussteller präsentieren Projekte aus diesen Ländern.

Quelle: HIR, Nr. 31, 26.09.2008

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