Deutschland steht bei internationalen Händlern hoch im Kurs

Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Der deutsche Einzelhandel gehört – trotz Konjunkturaufschwung seit 2006 und sinkender Arbeitslosigkeit – nicht zu Deutschlands Boombranchen. Zuletzt haben die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes vor Augen geführt, wie stark die Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Energie- und Lebensmittelpreise die Einzelhandelskonjunktur abgewürgt hat. Um nominal 1,2% und real 2,2% ist der Einzelhandelsumsatz 2007 gegenüber Vorjahr zurückgegangen.

Damit ist die Branche weit davon entfernt, den Anschluss an den konjunkturellen Aufschwung zu gewinnen. Dennoch drängen ausländische Einzelhandelsunternehmen verstärkt auf den hiesigen Markt, wie beispielsweise das Beratungsunternehmen CB Richard Ellis (CBRE), das aktuell sechs Interessenten betreut, seit geraumer Zeit beobachtet. Und auch der Hamburger Immobiliendienstleister Colliers Grossmann & Berger registriert in den Top-City-Lagender Hansestadt einen starken Andrang großer ausländischer Marken.

Dabei gilt der deutsche Einzelhandelsmarkt mit seiner Preisaggressivität als einer der schwierigsten der Welt. Namhafte Einzelhändler wie Wal-Mart, Intermarché, romodès oder Marks & Spencer haben ihre Segel nach kurzer Zeit wieder gestrichen. Mit einem Umsatzvolumen von über 390 Mrd. Euro ist Deutschland jedoch der größte Einzelhandelsmarkt in Europa und die Bundesbürger die vermögendsten Europäer, sodass internationale Einzelhandelskonzerne, die in Europa expandieren wollen, an diesem Markt nur schwer vorbeikommen. Und es gibt sie durchaus, die erfolgreichen Konzepte ausländischer Einzelhändler, wie Karsten Burbach, Head of Retail Germany bei CB Richard Ellis deutlich macht. Und zwar dann, wenn sie wie etwa der schwedische Möbelanbieter IKEA ein einzigartiges, innovatives Konzept bieten und mit ihren Mitnahmemöbeln etwa die Sparsamkeit der Bundesbürger und ihre Vorliebe fürs Heimwerkern ansprechen. Oder Hennes & Mauritz, die bei ihren preisgünstigen Kollektionen stark auf modische Aspekte setzen, die im typisch deutschen Einzelhandel oft zu kurz kommen. Das gleiche gilt für die spanische Inditex, die mit ihrem Mode-Label Zara neue modische Akzente setzt und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.

Mit innovativen Ideen können sich global aufgestellte Handelskonzerne in Deutschland also durchaus auch in den Einstiegspreisklassen behaupten, wo der Wettbewerb aus Karsten Burbachs Sicht durchaus angespannt ist. Jedoch: „Oberhalb dessen bis hin zum Luxussegment gibt es reichlich Spielraum für neue Retailer“, weiß der CBRE-Experte aus Erfahrung.

Der größte Teil der Interessenten, die hier Fuß fassen wollen, kommt aus dem Modebereich – einschließlich Accessoires. Diese Branche ist per se „schon sehr internationalgeprägt“, so Burbach. Wachsendes Interesse zeigen jedoch auch Unternehmen aus dem Segment Einrichtung und Wohnaccessoires. So vermittelte CBRE in Hamburg jüngst eine Ladenfläche an die skandinavische Iittala für ihre Homeware-Design-Produkte. Aber wie bei den Investoren sind auch hier die Interessenten aus den USA und Großbritannien derzeit am aktivsten.

Begünstigt wird die Globalisierung der deutschen Einzelhandelsszene durch die Konsummuster „junger Konsumenten, die tendenziell internationaler denken als ältere“ hat Burbach beobachtet. Diese internationale Angleichung der Konsummuster unter jungen Leuten hat auch der Otto Versand schon vor Jahren registriert.

Dass die Globalisierung nicht zwingend zu einer globalen Harmonisierung der Handelsstrukturenführen wird, also zu einer gewissen Eintönigkeit, dagegen spricht aus Burbachs Sicht schon die Tatsache, dass beim Einzelhandel der Trend seit Jahren hin zur Segmentierung und Individualisierung der Angebote geht. Konkret: Konzepte richten sich an eine eng definierte Zielgruppe – und auch nationale Gepflogenheiten spielen dabei eine Rolle, wie beispielsweise die europaweit operierende C & A-Gruppe aus ihren Textilkaufhäusern weiß. Kollektionen können – bei aller Globalisierung – nicht eins zu eins auf alle Länder übertragen werden. Deshalb werden aus Burbachs Sicht nur „die international operierenden“ Unternehmen Erfolg haben, die ihre Konzepte ein Stück dem nationalen Geschmack anpassen.

Da der deutsche Einzelhandelsmarkt seit Jahren kaum mehr wächst, wird die Expansion internationaler Filialisten aber zu Lasten anderer Spieler gehen. Das sind vornehmlich die kleineren Unternehmen, der Facheinzelhandel, der seit Jahren an Terrain verliert. So schätzt auch Olaf Petersen von GfK Geomarketing auf der Quo Vadisin Berlin, dass der Wettbewerb im deutschen Einzelhandel unter dem Einfluss der ausländischen Unternehmen „ausgesprochen hart bleiben wird“.

Bei der Expansionsstrategie gehen die Internationalen oft unterschiedliche Wege. So suchen die einen laut Burbach nur einen einzigen Standort in München, Hamburg oder Berlin, andere prüfen alle funktionierenden Innenstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern wie der US-Accessoires-Anbieter Claire‘s.

Demnach wird die Globalisierung der deutschen Einzelhandelsszene voranschreiten und auch die Investoren werden ihr Interesse nicht so schnell verlieren. Burbach schätzt, dass sich die Aktivitäten ausländischer Investoren „nach einer gewissen Sonderkonjunktur in den vergangenen zwei bis drei Jahren, langfristig auf hohem Niveaueinpendeln“ wird. Dafür sprechen das „wirtschaftliche Potenzial Deutschlands“ und die Berechenbarkeit des Marktes durch die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sowie das restriktive deutsche Stadtplanungs- und Baurecht. Denn die rigide Genehmigungspraxis bei großen Einzelhandelsflächen sichert den Wert und die Konkurrenzfähigkeit bestehender Objekte. Last not least schätzt die internationalen Investoren die deutschen Handelsunternehmen als Mieter mit hoher Bonität.

Quelle: Handelsimmobilien Report, Nr. 15, 15.02.2008