Einzelhandel: Energieeffizienz scheitert noch zu oft am Marketing

Von Maximilian Pisacane, Wirtschaftsjournalist

An den einladend offenen Regalen entlang, die Ware fein präsentiert – durch Licht in Szene gesetzt und die Lüftung sorgt für ein angenehmes Klima. Doch das alles fördert im Supermarkt nicht nur den Absatz von Waren, sondern verursacht auch Kosten – angesichts der hohen Energiepreise immer weiter steigende Kosten. Und hier liegt für den Einzelhandel noch viel Einsparpotenzial. So zeigt der Metro-Nachhaltigkeitsbericht, dass sich alleine durch den Einsatz von Schiebetüren bei Kühlschränken schon 15 % der Energie einsparen lässt. Ein Problem also, das es vor allem für großflächige Handelsimmobilien zu lösen gilt. Denn gerade Heizung, Kühlung, Lüftung und Licht verursachen die höchsten Kosten bei Shopping Centern, Super- und Fachmärkten sowie SB-Warenhäusern.

Ein Shopping Center mit beispielsweise 18.800 qm Gesamtfläche hat einen Energieverbrauch von jährlich 250 Kilowattstunden je qm.

„Je nach geologischen und architektonischen Gegebenheiten kann der End-Energieverbrauch bei Shopping Centern auf bis zu 100 Kilowattstunden je qm gesenkt werden“,

sagt Professor Dirk Bohne, Leiter des Instituts für „Entwerfen und Konstruieren“ an der Leibnitz Universität Hannover und Lehrstuhlinhaber für das Fach Gebäudetechnik sowie Gesellschafter der Prof. Dr.-Ing. Dirk Bohne Ingenieure GmbH, Düsseldorf und Siegen. Etwa durch den Einsatz von oberflächennaher Geothermie wie Wärmepumpen oder die richtige Gebäudedämmung lässt sich also viel Geld sparen.

Ähnliches weiß sein Kollege über Supermärkte zu berichten:

„Bis zu 30 % der Primärenergie bei Supermärkten ab 800 qm könnten kurzfristig eingespart werden. Langfristig sind mit nachhaltigen Konzepten bis zu 50 % realistisch“,

sagt Diplom Ingenieur York Ostermeyer, Mitarbeiter in der Abteilung Baukonstruktion am „Institut für Entwerfen und Konstruieren“ der Leibniz Universität Hannover:

„Die Heizung könnte bei den meisten Märkten sogar komplett eingespart werden.“

Beispielsweise indem die Abwärme der Kühlmöbel dem Markt nutzbar gemacht wird.

 „Ein großer Teil der entstehenden Abwärme wird aktuell noch verschwendet. Diese Wärme lässt sich ebenso nutzen, wie die aus der Beleuchtung resultierende Wärme – einfach durch intelligente Dämmung, Wärmeableitung und Speicherungssysteme“,

erklärt Ostermeyer. So könnte die Nutzung von Erdgas zur Beheizung von Supermärkten überflüssig werden.

Experte Bohne weiß: Die größten Energiefresser bei Shopping Centern sind die Kühlung, die Luftaufbereitung und der Lufttransport sowie die Beleuchtung. Während es für die Nutzung von Umweltenergie mehrere Möglichkeiten gibt, wie z.B. die Kühlung durch Grundwasser oder Erdsondenfelder, bereitet die Beleuchtung noch einige Probleme.

„Gerade von der LED-Technik sind wir enttäuscht“, sagt Bohne, „hier hatten wir uns mehr versprochen. Denn auch diese Leuchten erzeugen (noch) viel Wärme – zwar nicht am Leuchtkörper, dafür aber bei der Elektronik“.

Bei so viel Einspar-Potenzial, warum werden dann Konzepte zur Energieeffizienz so wenig eingesetzt? An den Kosten kann es nicht liegen.

„Die Kosten für Energieeffizienz-Maßnahmen, wie beispielsweise die Kühlung durch Grundwasser, können sich innerhalb von 3 bis 5 Jahren amortisieren, sofern die geologischen Bedingungen stimmen“,

sagt Bohne. Angesichts der langen Laufzeiten von Shopping Centern von 15 bis 20 Jahren bis zur ersten Renovierung oder Revitalisierung also ein überschaubarer Zeitrahmen. Ein konkretes Beispiel nennt Ostermeyer:

„Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, Kühlung und Abwärme-Nutzung, wie sie beispielsweise der Rewe Markt in Berlin auf der Oberweißbacher Straße installiert hat, amortisieren sich nach ersten Hochrechnungen über den aktuellen Verbrauch bereits nach drei Jahren.“

Wenn die Energiepreise steigen, dann lohnt es sich sogar noch früher.

Was steht also dem nachhaltigen Wirtschaften im Wege?

„So manche Marketingvorstellung geht an Gesichtspunkten der Energieeffizienz vorbei“,

bemängelt Bohne. Gemeint ist die satt angestrahlte Fleischtheke oder die Effektbeleuchtung, bei der extrem hohe Wärmeabgaben von bis zu 200 Watt je qm in Kauf genommen werden.

Auch Ostermeyer kritisiert so manche Marketingstrategie, die Themen wie Energieeffizienz und erzielbare Kostensenkungen im laufenden Betrieb immer noch außen vor lässt.

„Offene Kühlregale sind dabei noch das offensichtlichste Beispiel“,

sagt Ostermeyer. Doch er bemerkt auch Ansätze eines Wandels:

„Der steigende Energiepreis bewirkt in diesem Bereich zunehmend ein Umdenken bei allen Beteiligten.“

Immerhin könnte die Kostenersparnis – angesichts steigender Lebensmittelpreise – auch an die Kunden weitergegeben werden. Ihnen wird es nach einer gewissen Phase der Umgewöhnung wohl kaum etwas ausmachen, ein Kühlregal zu öffnen, wenn ihnen klar wird, dass sie durch die Energieeinsparung für den Yoghurt oder das Steak weniger bezahlen müssen. Denn bekanntlich spielt der Preis bei vielen Kaufentscheidungen der sparsamen Bundesbürger eine entscheidende Rolle – das sollte dann auch die Marketing-Abteilungen überzeugen.

Quelle: HIR, Nr. 26, 18.07.2008