Insolvenzverwalter: Dawnay, Day gefährdet Hertie-Sanierung

Von Ruth Vierbuchen

Hertie-Insolvenzverwalter Biner Bähr ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Nicht nur, weil die Sanierung von Nachbarschaftswarenhäusern, die vom Strukturwandel besonders stark betroffen sind, derzeit mit zu den schwierigsten Aufgaben gehört.

Auch die Tatsache, dass der Hertie- Gesellschafter, die britische Dawnay, Day, selbst in der Insolvenz steckt und immer wieder für Überraschungen gut ist, macht die Sanierung nicht leichter (vgl. Handelsimmobilien Report Nr. 38 v. 16.1.2008).

Nach gründlicher Prüfung, so stellte Bähr bei Vorstellung seines neuesten Sanierungskonzepts jetzt fest, wurden 54 Filialen ermittelt, die als überlebensfähig gelten. 19 Standorte, dazu gehören Aschaffenburg, Bocholt, Delmenhorst, Duisburg-Walsum, Erkrath, Eschweiler, Essen-Altenessen, Essen-Borbeck, Hamburg- Langenhorn, Hameln, Herdecke, Herne, Kassel, Köln-Chorweiler, Lünen, Marl, Mettmann, Mölln und Niebüll, werden aufgegeben. Zudem soll die Hertie-Zentrale in Essen verschlankt werden, so dass 520 Vollzeitstellen wegfallen werden.

Wichtige Voraussetzung für die Fortführung der 54 Filialen ist laut Bähr jedoch, dass bis Ende Februar 2009 eine Einigung mit einem potenziellen Investor gefunden wird. Und ein solcher dürfte auch an den Immobilien interessiert sein. Doch während Bähr im Rahmen einer übertragenden Sanierung eine Gesamtlösung anstrebt, d.h. er will den Geschäftsbetrieb nebst Immobilien an einen Investor verkaufen, macht ihm die Entscheidung der Briten, die 62 der 73 von Hertie betriebenen Filialen, die ihr gehören, einzeln verkaufen wollen, das Leben schwer.

Dawnay, Day hat bekanntlich Atisreal mit der Vermarktung beauftragt. Und nachdem Atisreal- Geschäftsführer Christoph Meyer bereits Ende November 2008 die geplanten Einzelverkäufe an regionale Investoren angekündigt hatte, präsentierte er nun drei neue Käufer. So erwirbt der Projektentwickler und Investor Phoenix development, Bonn, das 8 500 qm große Hertie-Haus in Wesseling zwischen Köln und Bonn. Ein Joint-Venture der Münchener Bucher Properties GmbH und dem Düsseldorfer Entwickler von Einzelhandelsimmobilien, Development Partner AG, hat Kaufverträge für die Filialen in München-Giesing und München-Laim abgeschlossen.

Laut Meyer zeigen die „aktuellen Verkäufe, dass auch während der Finanzkrise in interessante Immobilien investiert wird“. Dass Handelsimmobilien in innerstädtischen Top-Lagen immer noch gut laufen, bestätigen auch Maklerunternehmen wie Brockhoff & Partner, Kemper’s Jones Lang LaSalle, Comfort oder Lührmann. Gleichwohl räumt Meyer ein, „dass auch bei den Hertie-Verkäufen die schwierige Finanzierungslandschaft zu längeren Bearbeitungszeiten bei Investoren und finanzierenden Banken führt“.

Bislang hat er sechs der 62 Hertie-Häuser verkauft. Im November hatte Atisreal mit dem regionalen Entwickler KTM (Koparal, Tschirpig, Meyer) aus Braunschweig einen Interessenten für die Hertie- Filiale in Wolfenbüttel präsentiert und bereits im Frühjahr 2008 zwei Häuser in Berlin verkauft. Alle Filialen sind von der Schließung nicht betroffen.

Welche Pläne Development Partner/Bucher mit den beiden Filialen verwirklichen werden, machen die Partner von den Plänen des Insolvenzverwalters abhängig, wie Development- Alleinvorstand Winfried Siebers im Vorfeld mitteilte. Die liegen nun auf dem Tisch und bieten Raum für Verhandlungen. Grundsätzlich sind Development Partner/ Bucher an einer Entwicklung der Objekte interessiert. Dass bei der Sanierung des operativen Hertie-Geschäfts bisher Fortschritte erzielt wurden und dass die Geschäftsführung gemeinsam mit den 3 400 Mitarbeitern für den Fortbestand des Unternehmens kämpft, hatte Bähr bereits in einem früheren Schreiben an die Bürgermeister der Städte, in denen das Unternehmen Filialen betreibt, mit Blick auf die Verkaufsaktionen von Dawnay,Day/Atisreal bekräftigt.

Doch der von Dawnay,Day betriebene Einzelverkauf der Filialen birgt aus seiner Sicht die Gefahr in sich, dass sich die Investoren die Rosinen aus dem Paket herauspicken und ein Großteil der Filialen auf der Strecke bleibt. Atisreal seinerseits betont, dass kleine und mittelgroße Entwickler, die an den Immobilien interessiert sind, auch dann zugreifen würden, wenn Hertie als Mieter ausfalle. Für solche Fälle planten sie eine Sanierung und Neuvermietung. Das muss sich nun zeigen. Schwierig ist die augenblickliche Gemengelage bei Hertie vor allem auch mit Blick auf die Mietverträge und die Höhe der geforderten Mieten.

Während Atisreal- Geschäftsführer Meyer in einem früheren Schreiben an die Bürgermeister der Hertie- Standorte betont hatte, dass die mit Hertie vereinbarten Mieten „ausgesprochen günstig“ seien, bezieht Bähr eine ganz klare Position: „Unabdingbare Voraussetzung für eine dauerhafte Sanierung der als fortführungsfähig angesehenen 54 Hertie-Filialen bleibt eine Anpassung der Objektmieten auf ein marktübliches Niveau“. Denn während Branchenexperten einen Mietzins von 5% des Umsatzes als marktüblich ansehen würden, so seine Argumentation, würden bisher Mieten von bis zu 20% des Umsatzes verlangt. Hertie-Geschäftsführer Mark Rahmann geht noch weiter: „Die viel zu hohen Mieten in der Vergangenheit sind ein wesentlicher Grund für die Insolvenz des Kaufhauskonzerns“, stellt er fest.

Insolvenzverwalter Bähr macht denn auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens umfangreiche Rückzahlungsansprüche gegenüber den Hertie-Gesellschaftern geltend. Begründung: Die überhöhten Mietzahlungen seien in einer Zeit erfolgt, als die Hertie GmbH von ihren Gesellschaftern den Zufluss von Finanzmitteln benötigt hätte, und nicht, dass über die hohen Mieten noch Mittel aus dem Unternehmen abgezogen würden. Zu hohe Mieten hatten auch die Geschäftsführung von Sinn-Leffers im Sommer 2008 bewogen, wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anzumelden und die Verträge neu zu verhandeln. Im Zuge der Insolvenz zahlte Hertie in den 62 Filialen von Dawnay,Day keine Miete, da die Briten Schuldner sind und gegenüber den Gläubigern nicht bevorzugt werden dürfen. Es sei Hertie mit Blick auf diese Rückzahlungsansprüche gar nicht erlaubt, Mieten an die Gesellschafter zu zahlen, so Bähr. Die Verträge wurden von den Briten inzwischen gekündigt.

Insolvenzverwalter Bähr hat nun seine Pläne offen gelegt, und vieles hängt davon ab, ob sich Dawnay,Day noch zu einem abgestimmten Verhalten durchringt. Für Bähr ist der Gedanke unerträglich, dass die Rettung am Ende an der Blockadepolitik des Finanzinvestors und seiner Gläubiger scheitern könnte.

HIR, Nr. 39

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