Shopping-Center-Entwicklung – Von den Frauen lernen

Von Ruth Vierbuchen

In der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung übernahmen Männer bekanntlich die Jagd und Frauen das Sammeln von allem Ess- und Verwertbarem. Dass diese alten Gewohnheiten das Verhalten von Männern und Frauen auch heute noch prägen, darauf verwies David Bosshart, CEO vom Gottlieb Duttweiler Institut in seinem Vortrag über „Die Zukunft der Handelsimmobilie 2020“ während des German Council Congresses in Berlin. Während Frauen gerne auf Entdeckungstouren gehen, um zu erforschen, was es alles gibt, wählen Männer bevorzugt den direkten, geraden Weg.

Diese Unterschiede im Verhalten haben auch erhebliche Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten und die Welt der Shopping-Center – und damit letztlich auf die Akzeptanz der Einkaufswelten unter Glasdach. Denn, so gibt Bosshart zu bedenken:

„Überwiegend Männer planen die Shopping Center, Männer bauen sie, Männer bestimmen den Mietermix, Männer bestimmen die Sortimente, Männer bestimmen das Design, aber einkaufen tun überwiegend Frauen – kann das gut gehen?“

Dieses Dilemma wird auch aus Sicht von Hubertus Kobe, Geschäftsführer DTZ Retail Services, oft noch zu wenig berücksichtigt. Der Shopping-Center-Spezialist DTZ Retail Services, der europaweit für 270 Shopping Center das Asset Management betreibt und weltweit 2,5 Mio. qm Einzelhandelsfläche unter Beratungsvertrag hat, beschäftigt deshalb auch einen hohen Anteil an Frauen, um deren Vorstellungen von und Ansprüche an Shopping-Center gezielt in die Projekte einfließen zu lassen. Kobes Konsequenz aus diesem Wissen: Man solle eine Mall nicht gerade bauen, sondern gebrochene Strukturen wählen – ohne dabei aber unübersichtlich zu werden. Der Kunde – insbesondere also die Kundin – wolle entdecken.

So sah beispielsweise der Projektentwurf, den DTZ Retail Services (damals noch als HBB/Donaldsons) 2006 für die neue Shopping-Galerie in Ludwigshafen präsentierte, eine gebrochene Wegführung vor, so dass sich für den Besucher der Mall die Perspektive auf den Rhein, der durch die seitliche Glasfront zu sehen war, ständig änderte. Bekanntlich entschied sich die Stadt Ludwigshafen nach einem umfangreichen Wettbewerbs- und Auswahlverfahren für den Entwurf der Hamburger ECE. Ihre Auswahlkriterien waren der Angebotsmix, Architektur, Größe und die damit einhergehende Gestaltung des öffentlichen Raums sowie die Anbindung an die Innenstadt.

Bei seinen Shopping-Centern beispielsweise in Großbritannien setzt DTZ gezielt auf gebrochene Strukturen. Ein konkretes Beispiel dafür ist etwa das von ihr gemanagte The Oracle in Reading. Das Center mit etwa 90 Geschäften wurde um einen Fluss herum gebaut. Auch das 110 000 qm große, typisch britische Shopping-Center „The Bullring“ in Birmingham, das viel Kaufkraft in die Stadt gezogen hat und dessen Sogwirkung bis nach London reicht, unterscheidet sich laut Kobe sehr deutlich von hiesigen Shopping-Centern. Hier war DTZ auch an der Entwicklung beteiligt.

The Bullring befindet sich im Herzen der Stadt, neben dem Bahnhof und dem ehemaligen Marktplatz für Rinderhandel. Daher leitet sich auch der Name ab. Das Areal bietet eine Besonderheit, die jeden Betreiber erfreut: Es gibt einen Höhenvorsprung von 28 Metern, so dass jede der 3 Etagen einen ebenerdigen Ausgang hat. Somit gibt es im Grunde drei erste Etagen, sodass es eigentlich keine schlechten Lagen gibt, was den Wert der Immobilie steigert. Als Ankermieter fungieren hier die britischen Warenhäuser Selfridges mit 30 000 qm Verkaufsfläche und einer sehr ausgefallenen Architektur sowie der Wettbewerber Debenhams.

Auch „The Bullring“ ist keine gerade Mall. Sie weist mit ihren drei Ecken wiederum eine gebrochene Struktur auf. Die Gänge sind sehr breit und durch das Glasdach fällt Tageslicht in die Geschäftsräume. Hier macht man sich die Erkenntnis zunutze, dass Tageslicht eher zum Einkauf motiviert als Kunst-Licht. Typisch für das Center sind auch die unterschiedlichen Gestaltungen der einzelnen Ladenfronten – in Deutschland wird vor allem auf eine einheitliche Außenfront gesetzt.

Dass sich britische Center stark von deutschen unterscheiden, liegt aber auch in den länderspezifischen Unterschieden z.B. den Kaufgewohnheiten. Mehr als in Deutschland ist Shopping in Großbritannien eine Freizeitbeschäftigung, was ganz leicht mit den viel liberaleren Ladenöffnungszeiten inkl. Sonntagsöffnung auf der Insel, zu erklären ist. Erst Ende der 1980er-Jahre wurde das Ladenschlussgesetz in Deutschland – zunächst mit Einführung des „langen Donnerstags“ – und nach langwierigen Reformen schließlich mit der Öffnung bis 22 Uhr – außer sonntags, liberalisiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war Shopping in Deutschland vor allem von Hetze und Überfüllung geprägt.

So konnte sich in den britischen Shopping-Centern auch eine ausgeprägte Event- und Freizeitkultur mit einem hohen Gastronomie-Anteil entwickeln. Shoppen wird als ganzheitliches Event gesehen. Der Gastronomie-Anteil liegt laut Kobe heute bei 30%. Diese Zielmarke streben deutsche Entwickler und Betreiber, die den Wert der Gastronomie als Freizeitgestaltung zur Erhöhung der Verweildauer erkannt haben, auch an. Bisher liegt der Gastronomie-Anteil noch bei durchschnittlich 10%. Hinzu kommt, dass Shopping-Center in Großbritannien eine lange Tradition haben, während in Deutschland immer noch die große Zahl der Fußgängerzonen im Mittelpunkt steht.

Die größere Konsumfreude der Briten lässt sich schon an den durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Einzelhandel ablesen: Sie lag (bezogen auf 2005) auf der Insel bei 6 700 Euro, in Deutschland bei 5 400 Euro. Dass die Briten grundsätzlich optimistischer sind als die Deutschen, dürfte auch eine Rolle spielen. Der Vergleich mit dem „erfahrenen“ Shopping-Center-Land Großbritannien zeigt, dass hierzulande noch viel Potenzial für die Individualisierung von Shopping-Centern besteht. Das könnte z.B. bei der Revitalisierung der in die Jahre gekommenen Zentren umgesetzt werden.

Quelle: HIR, Nr. 36

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