Hattingen hat mehr als nur Flair: Neues Shopping Center lockt Filialisten an Trotz Zurückhaltung der Banken sind gute Immobilien-Geschäfte möglich

Von Randolph Calderoni, Einzelhandelsspezialist bei Brockhoff & Partner

Während sich viele Innenstädte des Ruhrgebiets eher durch städtebauliche Farblosigkeit auszeichnen, basiert der Bekanntheitsgrad der 57 000 Einwohner zählenden Stadt Hattingen auf ihrem einzigartigen historischen Stadtzentrum. Nicht nur die rund 150 vorbildlich restaurierten Fachwerkhäuser machen den besonderen Reiz der Innenstadt aus, sondern auch die gute Mischung aus Einzelhandel und konsumnahen Dienstleistungen gepaart mit einer regional bekannten Gastronomieszene. Rund 175 Einzelhandelsgeschäfte, 65 Dienstleistungs- und 55 Gastronomiebetriebe bestimmen das Bild in den Erdgeschosslagen.

Das Einzelhandelsangebot in der Hattinger Innenstadt ist traditionell durch einen guten Mix aus bekannten Filialisten und inhabergeführten Fachgeschäften geprägt. Magnetfunktionen übernehmen bisher das Hertie-Warenhaus an der Großen Weilstraße und Woolworth im Bereich der mittleren Heggerstraße. Zwischen diesen beiden Häusern erstreckt sich die 1a-Lage Gelinde – Obermarkt – Heggerstraße. Hier sind seit langem Filialisten wie Deichmann-Schuhe, Bonita-Mode, Stadtparfümerie Pieper, Tschibo, Hussel, Blumen Risse, CitiBank und dm ansässig.

Seit etwa drei Jahren ist ein wachsendes Interesse weiterer Filialisten und Marken-Shops am Standort Hattingen erkennbar, was sich an den vielen Neu-Eröffnungen in der Innenstadt ablesen lässt. Im Verlauf der 1a-Lage entwickelte sich z.B. der Obermarkt – ein historischer kleiner Platz mit Fachwerkbauten und Verweilmöglichkeiten – zu einem attraktiven Einzelhandelsstandort. Hier ist seit Herbst 2006 u. a. die Mayer‘sche Buchhandlung ansässig, in direkter Nachbarschaft haben Street One, Douglas Parfümerie, Barrique, Wissmach Mode und ara Schuhe eröffnet – alle neu im Bereich des Obermarktes, dessen Qualität durch die Stadtparfümerie Pieper und Bonita abgerundet wird. Auch in der Heggerstraße, die sich im unteren Bereich ebenfalls als 1a-Lage darstellt, haben sich mit Nanu-Nana, Bijou Brigitte und Apollo-Optik neue Filialisten niedergelassen.

Doch auch außerhalb der 1a-Lage ist Bewegung festzustellen. In der oberen Heggerstraße – ein Bereich, mit geringerer Frequenz am Ende der Fußgängerzone, befürchtete man Anfang 2007 im Zuge der Schließung eines alteingessenen Kleinkaufhauses einen Trading-Down-Effekt. Doch das Schweizer Mode-Unternehmen Vögele eröffnete hier bereits im April 2007 ein attraktives Modehaus. Dieser neue Magnetbetrieb und Unternehmen wie Wirth schreiben + schenken, Fielmann Optik, Lederwaren Lingenberg sowie der neue CECIL Store dürften verhindern, dass sich der Leerstand einer größeren Verkaufsfläche auf der oberen Heggerstraße verfestigt. Die Große Weilstraße – genau am anderen Ende der Haupteinkaufslage und bislang zwischen Hertie und Bahnhofstraße eher durch inhabergeführte Fachgeschäfte geprägt – weist mit Jack Wolfskin und Gerry Weber zwei internationale Marken-Stores auf.

„Die Entscheidung für den Bau eines innerstädtischen Einkaufszentrums war gewiss mit ausschlaggebend für das wachsende Interesse bekannter Filialisten am Standort Hattingen“, sagt Astrid Hardtke, Ansprechpartnerin für den Bereich Einzelhandel beim Fachbereich Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Touristik der Stadt Hattingen: „Die kleinteiligen historischen Baustrukturen, die das besondere Flair Hattingens ausmachen, haben aber in der Vergangenheit die Schaffung ausreichend großer Verkaufsflächen mit modernen Flächenzuschnitten behindert.“ Mit dem Bau des Reschop-Carrés (Bild) – die Eröffnung ist für März 2009 geplant – zwischen Hertie und der stark befahrenen B 51, auf dem Areal des ehemaligen Busbahnhofes, wird dieser Nachteil zukünftig ausgeglichen. Das Projekt wird von der CONCEPTA Projektentwicklung aus Düsseldorf realisiert. Mit insgesamt rd. 12 000 qm Verkaufsfläche und einer offenen Architektur ergänzt das Reschop-Carré das Einzelhandelsangebot der Innenstadt und stellt gleichzeitig ein Stück Stadtreparatur am Rande der historischen Altstadt dar. Laut CONCEPTA basiert der städtebauliche Entwurf von Chapman Taylor auf der Grundidee eines offenen Stadtraumes als verknüpfendes Element zwischen Innenstadt, Südstadt, S-Bahn-Haltestelle und dem neuen Busbahnhof. Fünf Einzelgebäude gruppieren sich um einen städtischen Platz. Die Magnetmieter im Einkaufszentrum und somit zukünftig für die gesamte Innenstadt sind u. a. Saturn, H & M sowie C & A. Diese Branchen sind in Hattingen noch unterrepräsentiert.

Trotz der aus Sicht des Einzelhandels „schwierigen“ Lage von Hattingen zwischen den Oberzentren Bochum, Essen und Wuppertal baut der Einzelhandelsstandort seine Wettbewerbsposition sukzessive aus. Mit der Eröffnung des Reschop-Carrés soll die noch unterdurchschnittliche Kaufkraftbindung in Hattingen von 66 % deutlich erhöht und die Kaufkraftabschöpfung im überörtlichen Einzugsgebiet mit ca. 110 000 Einwohnern gesteigert werden. Zudem erfolgt seit Jahren eine konsequente Ansiedlungssteuerung durch Politik und Verwaltung, bei der die Stärkung der Innenstadt oberste Priorität hat. Einzelhandelstrukturuntersuchung (1999), Rahmenplan Innenstadt (2004) und Masterplan Einzelhandel (in Erarbeitung) bilden die Grundlagen des kommunalen Handelns.

Ein Stadtmarketingverein, getragen von Privatwirtschaft und Stadt, koordiniert seit zwei Jahren Veranstaltungen und Aktionen, die auch überregional auf den Standort aufmerksam machen. Die Wirtschaftsförderung der Stadt kümmert sich um Fragen der Einzelhandelsentwicklung. Ihr Ziel ist es, noch bestehende Lücken im Angebotsmix (u. a. Sportartikel) mittelfristig zu schließen.

Quelle: Der Handelsimmobilienreport, Nr. 18, 28.03.2008