Handel und Wandel – Studentenwettbewerb für die Re-Vitalisierung eines Handelsplatzes in Hamburg

Von Dr. Gudrun Escher

Wenn es ein eindrucksvolles Beispiel in Deutschland gibt für ein herunter gewirtschaftetes, weil schon lange nicht mehr zeitgemäßes Einkaufszentrum, dann ist es der Komplex „Hamburger Straße“ im Hamburger Stadtteil Barmbeck Süd. Das älteste Einkaufszentrum der Hansestadt hat 53.000 qm Verkaufsfläche, ist 600 Meter lang und war am 8. Mai 1970 eröffnet worden. Jetzt, 38 Jahre später, haben sich Studierende von fünf Architekturfakultäten in einem Ideenwettbewerb exemplarisch Gedanken gemacht, ob es für einen solchen Standort eine Zukunft geben kann.

Die Aufgabenstellung haben das Gremium Architektur des Kulturkreises der Wirtschaft im BDI unter Vorsitz von Eckart John von Freyend und der führende Shopping-Center-Spezialist ECE in Hamburg erarbeitet. Für den Kulturkreis war es ein weiterer Durchlauf des Studentenwettbewerbs unter dem Titel „Vision-Stadt21“. Dabei stand nun, nach Themen wie „Schrumpfende Städte“ und „Stadt-Transformationen durch Nutzungsänderungen“, erstmals der Handel im Mittelpunkt. Bei der ECE sah man darin die Chance für einen neuen Denkansatz

Die Gemengelage an der Hamburger Straße ist schwierig, denn es handelte sich von Beginn an nicht um einen einheitlichen Komplex, sondern die Kombination von verschiedenen Kauf- und Bürohäusern in einer langen Aufreihung in der Hand verschiedener Grundeigentümer, darunter eine Eigentümergemeinschaft und Banken. Die ECE begann 2007, sich für die Hamburger Straße zu engagieren. In einem 50:50-Joint-Venture wurde die neue Eigentümergesellschaft New Heliopolis KG für das Objekt gebildet, Partner ist die Bruhn-Gruppe mit Hermann Friedrich Bruhn jr., Sohn des Begründers des Zentrums und Teileigentümer auf dem Areal.

Bei der Übernahme waren die Verkaufsflächen nur zu 65% belegt. Das soll sich nun ändern, wie der Vorsitzende der ECE-Geschäftsführung Alexander Otto auf der jüngsten MIPIM in Cannes betonte. 200 Mio. Euro sollen bis 2010 in das Objekt investiert werden. Die Erneuerungspläne aus der hauseigenen Architekturabteilung für die Mall entlang der mehrspurigen Hamburger Straße liegen vor, mit dem Bau im Teilbereich der früheren Karstadt-Filialen wurde bei laufendem Betrieb begonnen. Schon aus Kostengründen wird der Baubestand weitgehend erhalten, aber z.B. die verglaste Einkaufspassage, die vor dem Eingang des ehemaligen Peek & Cloppenburg-Traktes endete, als neue Mall durchgängig gemacht und erweitert. Ziel ist es, die bestehende Struktur zu optimieren und mit einer Fassadenverkleidung die Straßenfront optisch aufzuwerten. Nur der Gebäudeteil für den künftigen Food Court wird neu eingefügt. Baulich zugehörig, jedoch nicht Teil des Einkaufszentrums im Besitz von Helios sind die Bürotürme im südlichen Bereich, die von der Stadt Hamburg für ihre Kulturbehörde und von einigen Firmen genutzt werden. Als Frequenzbringer sind sie für das Center wichtig. Sobald die ersten Bauabschnitte abgeschlossen sind, sollen erste Neumieter einziehen.

Der Bereich Einzelhandel und der Bautyp des Einkaufszentrums werden in der professionellen Architekturdiskussion bisher völlig vernachlässigt. Deshalb befürwortet Wolfgang Christ, der den Kulturkreis bei seinen Architekturprojekten berät, die Einrichtung eines gesonderten Lehrstuhls an einer Hochschule, genauso wie auch der Wohnungs- oder Industriebau gelehrt würde. Während auf Seiten der Entwickler nicht zuletzt durch Kongresse und Lehrgänge an Business-Schulen eine hohe Kompetenz gegeben sei, hätten die Verantwortlichen in den Kommunen wie auch die Architekten diesem geballten Know-how nur wenig entgegen zu setzen, d.h. es fehlten die Grundlagen zur wirksamen Beeinflussung. So war es ein Ziel dieses Wettbewerbs, das Thema überhaupt in die Hochschulen zu tragen und Anregungen zu liefern.

Aufgerufen waren Studierende der Architektur im Sommersemester 2008 an den Universitäten Hannover und Karlsruhe, der Bauhaus Universität Weimar, der HafenCity Universität Hamburg sowie der Hochschule der Künste Bremen. Aus 13 Projekten wählte die Jury einen mit 5 000 Euro dotierten Preisträger aus sowie einen Förder- und einen Sonderpreis mit je 2 500 Euro. Der Jury gehörten neben Eckart John von Freyend und Jens Ulrich Maier, Geschäftsführer ECE Projektmanagement, der Oberbaudirektor der Stadt Hamburg Jörn Walter an, dazu als Fachpreisrichter der Architekt Jürgen Hillmer aus dem Hamburger Büro von Gerkan, Marg und Partner, Uwe Brederlau, Lehrstuhl Städtebau der TU Braunschweig, der Architekturkritiker Gerwin Zohlen und der Künstler Rupprecht Matthies.

StadtQuartierShopping Hamburger Straße“ ist der Titel der Preisträgerarbeit von Alessa Brill, Carl Hartmann und Sophie Lutz von der Bauhaus-Universität Weimar. Sie wollen grundsätzlich die Einheit des Einkaufszentrums in Teilkomplexe auflösen. Im Gegenzug schlagen sie bauliche Ergänzungen in mehrfacher Hinsicht vor, so vor allem zwischen der Hamburger Straße und der parallel verlaufenden Oberaltenallee, wo über die Länge des Einkaufszentrums eine unbebaute Insel besteht. Andererseits soll ein Hotel im nördlichen Bereich den Widerpart der Bürotürme bilden und ein Ausbau zu Wohnhöfen den Komplex erweitern.

Wesentliches Moment ist das Ausgreifen in das Umfeld des Quartiers mit der Idee von zwei Stichkanälen, die nach Süden an den Eilbekkanal und nach Norden an den Uhlenhorster Kanal und den Feenteich anschließen würden. Dadurch entstünden auf lange Sicht neu definierte Stadträume, die ihre Verdichtung im Einkaufszentrum finden, und die Weiterentwicklung des Wohnens am Wasser unter dem Motto „Hamburg – Stadt am Wasser“ würde die City zusätzlich mit Leben füllen. Gleichzeitig würden neue Grünzüge die vorhandenen Grünanlagen fortführen und eine unterirdische Tiefgarage entlang der Hamburger Strasse das bestehende Parkhaus ersetzen. Insgesamt soll das Einkaufszentrum, so die Studenten, stärker differenziert und damit urbaner werden.

Mit dieser Ausrichtung greifen sie einen Trend auf, der sich in jüngster Zeit bei Neuentwicklungen tatsächlich erkennen lässt, nicht zuletzt in Hamburg selbst für das Überseequartier in der HafenCity nach Entwurf von Rem Kolhaas. Auch bei der ECE werde diese Strategie verfolgt, so Jan Röttgers:

„Wo das vom Standort her möglich ist, öffnen wir uns stark zur Stadt – viel stärker etwa, als dies Warenhäuser in der Regel tun. Dies wird deutlich durch zusätzliche Eingänge, Läden, die sich sowohl nach innen zur Ladenstraße als auch nach außen zur Fußgängerzone öffnen, oder durch Außengastronomie und attraktive Stadtplätze. Von dieser Offenheit profitieren beide – das Center und die Einkaufsstraßen.“

Die Umstrukturierungen im Alstertal-Einkaufszentrum unter diesem Aspekt haben laut Röttgers zu einer deutlichen Belebung des Quartiers beigetragen.

Der Förderpreis würdigt das strategische Konzept mit dem Titel „einfach.immer“ einer Studentengruppe an der HafenCity Universität Hamburg, das aufzeigt, wie veränderte Ansprüche von Handel und Kunden kontinuierlich in sich verändernden Strukturen Niederschlag finden können. Der Sonderpreis geht an Studierende der Hochschule für Künste Bremen für ihren Entwurf „Kultur im Handel – Nebenwirkungen eines Marktplatzes“ als eine dezidiert künstlerische – und durch bewußte Pointierung kritische – Überformung. Die Preise werden den Gewinnern im Rahmen der Jahrestagung des Kulturkreises am 18. Oktober 2008 in Würzburg überreicht.

Leider, so muss man sagen, kam der Wettbewerb für die Hamburger Straße zwei Jahre zu spät. Hier können die Anregungen nicht mehr aufgenommen werden, zumal die Preisträger in weiten Teilen die Stadt selbst und ihre Bebauungspläne ansprechen. Als im Vorjahr für Leverkusen darüber nachgedacht wurde, wie sich das weitläufige Areal der Bayer-Werke im Zuge der Überführung in einen Chemiepark mit verschiedenen Nutzern öffnen und besser mit der Stadt verknüpft könnte, gab es im Kern vergleichbare Ergebnisse: Das Herausarbeiten von Kraftlinien im Umfeld, Stärken des Standortes selbst durch Qualifizierung und Verdichtung und Schaffung von fußläufigen Verbindungen. Hier besteht durchaus die Chance, dass einzelne Aspekte in eine gerade angelaufene städtebauliche Diskussion einfließen.

Quelle: HIR, Nr. 28, 15.08.2008