Merrill Lynch bringt Immobilienaktien ins Straucheln

Von Werner Rohmert, Herausgeber "Der Immobilienbrief"

Merrill Lynch hatte in einer zweiseitigen Kurzanalyse Ende Juli über den LEG Verkauf einen Abwertungsbedarf bei Gagfah und Deutsche Wohnen gesehen. Die Reaktion der Börse kam prompt. Der Kurs der Gagfah, der Anfang 2007 noch bei 25 lag, sackte auf 9 Euro. Der Kurs der Deutschen Wohnen AG stürzte auf knappe 8 Euro. Anfang 2007 lag er noch bei über 50 Euro. Wenn Sie unsere LEG-Analyse am 27.6.08, DIB Nr. 169 bzw. eine Woche vorher in Platow gelesen haben, hatten Sie noch eine Ausstiegschance vor dem letzten Merril Lynch Absturz.

Wir hatten Ihnen schon vorgerechnet, dass der Kaufpreis für die LEG bei etwa 580 Euro pro qm Wohnfläche gelegen hat. Unser Fazit:

„Die börsennotierte Gagfah mit NRW-Besitz hat ihre Wohnungen mit 845 Euro/qm bewertet. Kein Wunder, dass sich einzelne Fortress-Fonds von den Gagfah-Aktien trennen.“

Zur Erinnerung: Ein Fortress-Fonds hatte über 6% verkauft. Bereits letztes Jahr hatten wir vor den Bewertungen bei Gagfah und Deutsche Wohnen gewarnt. Die Deutsche Wohnen ließ sich mit 956 Euro bewerten! Grund für Merrill Lynch, die Aktien der Gagfah und Deutsche Wohnen mit einem Kursziel von nur noch 6 bzw. 3 Euro anzusetzen.

Im Prinzip scheinen aber die meisten Portfolio-Einkäufe ab 2006 auch der anderen Immobilien AG’s vor diesem Hintergrund sehr optimistisch gepriced zu sein. Wir hatten Sie oft genug kopfschüttelnd unterrichtet. Viele Portfolio-Deals gingen für die 14-fache bis zur 19-fachen Jahresmiete (Patrizia) über die Theke. Die LEG hat gerade knapp die 9-fache Jahresmiete gekostet!

Zwar sind nach immobilienwirtschaftlicher Theorie Wohnungen im Ruhrgebiet mit Wohnungen im Rhein-Main Gebiet und in Berlin nicht vergleichbar, aber das scheint Analysten kaum zu kümmern. Zu Recht, wie wir meinen; denn Immobilienwerte spielen nur eine Rolle, wenn sie realisierbar sind. Bei reinen Finanztraktionen, die den Portfoliodeals zu Grunde liegen und bei Abkoppelung der Portfoliopreise von Einzelprivatisierungsmöglichkeiten spielt nur noch die Rendite und erst langfristig die Immobilienperspektive eine Rolle. Gerade Berlin mit seiner multikulturellen Bevölkerung war aber vor 4 Jahren noch ein Billigpflaster. Ob die bestehenden Mieter sich von gut verdienenden Beamten und Dienstleistern aus ihren bescheidenen Altbauwohnungen bzw. Wohnungsbaugesellschafts-Wohnungen vertreiben lässt, kann durchaus hinterfragt werden.

Für die Aktienkurse ist besonders lästig, dass mancher gutachterlich vorgerechneter NAV (Net Asset Value), den Analysten gerne zitieren, beim aktuellen Bewertungsklima wie ein Schneemann in der Wüste schmilzt. Insofern stehen eine Reihe von Immobilienaktiengesellschaften, die insgesamt schon in den letzten 12 Monaten abgestraft worden waren, noch einmal auf dem Prüfstand.

So hat die Börse auch direkt die anderen Immobilien AG’s wie IVG oder Colonia Real Estate AG u. a. in Sippenhaft genommen. Dabei wird vielleicht aber über das Ziel hinausgeschossen. z.B. die IVG mit den Wohnungsbewertungsproblemen zu tun hat, bleibt dabei schleierhaft. Beim aktuellen Börsen- und Portfolioklima besteht die Gefahr, dass die Praxis wieder belegt, dass die Immobilienaktiengesellschaft die ungeschickteste Rechtsform zum Halten von Beständen ist. In der Reit-Diskussion hatten wir Ihnen das als „knock out“ des Reit begründet. Bewertungsprobleme dürften die nächsten Bilanzen verdüstern. Das kann zum Einstieg in eine Spirale führen.

Der Preis für die annähernde Selbstaufgabe der „alten“ Deutschen Wohnen, mit der Berliner Gehag zum Preis von 1 000 Euro pro qm zusammenzugehen, könnte nun noch einmal teuer zu stehen kommen. Während die DW für 2007 keine Dividende ausschüttet, was die Aktionäre traditionell nicht schätzen, profiliert sich die Gagfah mit Dividendenkontinuität. Die Aktie ist bei Analysten dennoch in Ungnade. Bei kurzfristig eher ausgepowertem Mietsteigerungspotential versucht die Gagfah recht ehrgeizig die Verwaltungskosten von 486 Mio. Euro auf 400 Mio. Euro zum Jahresende zu senken. Selbst wenn die sportliche Vorstellung klappt, weisen Fachleute darauf hin, dass Sparen bei Verwaltung und Instandhaltung sich schon mittelfristig rächt.

Fazit: Zinssteigerungen, Energie- und Investitionsdiskussionen, Nebenkostenexplo-sion, verminderte Belastbarkeit der Mieter und restriktives Mietrecht mit immer besserer Information der Mieter, dürfte mittelfristig den Portfolioverkauf erschweren. Da hilft auch der Verkauf des Kabelnetzbetreibers AKF der Deutschen Wohnen mit 30 Mio. Euro nur befristet. Bald könnte sich auch die Gier der Finanzinvestoren, mit hohem Leverage zu finanzieren, rächen. Bei der LEG z. B. reicht schon eine Durchschnittszinsänderung von 0,02%, um den aktuellen Gewinn zu schlucken. Wenn dann noch Abhängigkeiten gegenüber einzelnen Banken, die manchmal außerdem noch aus dem Ausland völlig ohne politische Rücksichtnahmen agieren können, eine konjunkturelle Schwäche oder eine ungebrochene Serie von Hiobs-botschaften für den Aktionär wie bei Patrizia hinzukommen, ist Optimismus sicher fehl am Platz. Das Vertrauen in deutsche Wohnimmobilienaktien dürfte bei Anlegern erschöpft sein.

Andererseits, viel schlimmer kann es für die Kurse nicht mehr kommen. Das müsste selektive Chancen ermöglichen. Bei Immobilien AG’s mit aktivem Handels- und Asset Management-Geschäft ohne Bewertungsrisiken und 30% Dividendenrendite – Beispiel Greta AG – ist das Erinnerungsvermögen an anfängliche IPO-Fehler schon beachtlich.

Quelle: DIB, Nr. 170, 11.07.2008