2009 – Der Blick in die Glaskugel ist vernebelt

Von Werner Rohmert

Für uns ist Historisches geschehen. Zum ersten Mal wurden wir für Optimismus gescholten. Meist werden wir für unsere fehlende Bereitschaft, auf jeder Welle zu schwimmen, abgemahnt und erleiden die Tragik des Realisten: Hat er Recht ist es nicht gut, hat er Unrecht, kann er sich auch nicht freuen. Macht man einmal eine Positiv- Prognose mit religiösen Zügen, trifft es auch noch doppelt. Geht es schief, freut es niemanden, kostet uns selber Geld und daneben lagen wir auch noch.

Zumindest mit Freude, in den honorigen Kreis der Falsch-Prognostiker aufgenommen zu werden, fanden wir unsere volkswirtschaftliche Positivprognose des letzten Jahres in der Immobilien Zeitung moniert. Natürlich blicken wir kurz zurück auf den Zusammenhang. Aber das kann keine Entschuldigung sein. In unserer Entscheidung, welche Richtung die Wirtschaft einschlagen würde lagen wir im Ergebnis falsch. Trotzdem wurden Sie als Leser nicht falsch geleitet. Seit 3 Jahren schleppen wir ein Crash-Szenario in unseren Ausblicken mit. Letztes Jahr setzten wir als Prämisse unserer Prognose:

„Anders als sonst sehen wir zwei eher getrennte Entwicklungslinien. Wir gehen davon aus, dass die Finanzkrise nicht zu einer Weltwirtschaftskrise wird. Dann geht es besser als Prognosen im Verunsicherungsrausch aufzeigen. Oder es geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 bis 10% richtig schief.“ „… bislang ist eine mögliche Kette aus Subprime- Verunsicherung, fehlende Realisierbarkeit von Sicherheiten durch Tranchierung und Verbriefung … und ein Platzen der Kreditkartenblase durch eine Überreizung des Systems durch die zinsbedingte breite Konsumentenkrise noch nicht berücksichtigt.“ „… Ein solches Szenario mit Wahrscheinlichkeiten zu versehen und durch Erwartungswerte die Gesamt-Prognose zu verwässern ist jedoch unsinnig.“ Im Immobilien Jahrbuch formulierten wir im Januar mit etwas mehr Platz: „ … gibt es ein realistisches und logisches Stör-Szenario mit einer Art globalem „Domino Day“, bei dem die weltwirtschaftlichen Dominostein-Felder ausgehend von den USA mit einer Verzweigung nach Asien und Europa der Reihe nach fallen.

Dieses globale Krisen-Drehbuch ist nicht mit Wahrscheinlichkeiten oder Vergangenheitserfahrungen zu fassen.“ Soweit ich das überblicken kann, waren wir wohl die einzigen, die mit dem Schwerpunkt Immobilien ein Crash-Szenario immer „mitzogen“. Mit gefalteten Händen und Blick auf die Fundamentaldaten der deutschen Wirtschaft schlugen wir uns auf die Seite der Optimisten und haben uns „deshalb mit 2,25% bis 2,5 % (Wachstum) des BIP“ uns an die Spitze der Prognostiker gelegt. Schief gegangen!

Unser Immobilien-Fazit des vergangenen Jahres können wir aber 1:1 in die neue Prognose übernehmen. Wir können uns auch damit trösten, dass wir uns in bester Gesellschaft professioneller Auguren und sogar der Wahrsager-Zunft befinden. Nicht ein einziger Wahrsager, die ja sonst den unsinnigsten Möglichkeitsrahmen ausschöpfen, wurde von seinen übersinnlichen Kräfte so beseelt, dass er die aktuelle Finanzkrise vorhergesehen hätte. Mit der aktuellen Devise „Sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit“ arbeiten wir an unserem Wirtschafts- und Immobilienausblick für das laufende Jahr. Vielleicht wissen wir in zwei Wochen mehr.

Andererseits hat es gut getan, mal nicht täglich von der FTD mit den maximalen Möglichkeiten des Katastrophen-Drehbuchs vertraut gemacht zu werden. Und im Moment lenkt die FTD mit dem aufmunternden Hinweis „EU fürchtet Gaskollaps“ ein wenig von den wirtschaftlichen Problemen ab. Gleichzeitig betet das Handelsblatt: „Banken kehren zurück an den Markt“. Mit unseren Immobilienvorhersagen lagen wir nicht falsch. Die angekündigten Preiskorrekturen bei sportlichen Käufen sind da, auch wenn erst wenige Umsätze stattfanden. Einen breiten Preiseinbruch hat es bei Wohnen und Gewerbe bei „normalen“, nutzerorientierten Immobilien nicht gegeben. Der Wegfall der internationalen Investmenteuphorie, die für uns sowieso nie nachvollziehbar war, hat zu sinkenden Multiplikatoren Richtung eines von früher bekannten Wertes geführt. Die Vermietungsmärkte haben sich bis zum Jahresschluss gut gehalten. Geld ist genügend im Investmentmarkt, aber es wartet. Das ändert aber nichts daran, dass wir uns den Jahresauslauf anders vorgestellt haben. Das Zahlenwerk liegt im Plan, aber die Richtungspfeile zeigen krasser nach unten als wir uns das vor einem Jahr vorstellen konnten.

Blicken wir vorab aber einmal auf die Ausgangslage:

Deutschland wird von zwei volks- und immobilienwirtschaftlichen Tsunamis in die Zange genommen. Das entspricht unserem „Domino-Day“-Ablaufplan des letzten Jahres. Der eine Konjunktur- und Immobilien-Tsunami kommt aus den USA und erreicht uns in Kürze über Großbritannien und Westeuropa. Das betrifft direkt auch die Immobilieninvestmentmärkte und über Konjunkturwirkungen die Vermietungsmärkte. Der andere erreicht uns wieder ausgehend von den USA über Asien und die osteuropäischen Wachstumsmärkte, die hohes Wachstum für den sozialen Frieden brauchen und denen jetzt speziell im Immobilienbereich und vielleicht auch volkswirtschaftlich die Investoren verloren gehen. Bei vergleichbaren Preisen/ Renditen sind London, Paris oder New York besser kalkulierbar und bieten ein sicheres Erholungspotential.

Die deutsche Ausgangslage ist im internationalen Vergleich relativ gut, da weder die Volkswirtschaft noch die Verbraucher auf immobilienfinanziertem Pump gelebt haben und das Wachstum gänzlich ohne immobilienwirtschaftliches Konjunktur-Tuning erzielt wurde. Damit gibt es keine eigendynamischen immobilienwirtschaftlichen Implosionsiongefahren durch eine Schere zwischen Wert- und Einkommensentwicklung wie in fast allen anderen Industrienationen. Die Preisbereinigung bei institutionellen und vor allem internationalen Investmentzielen findet weitgehend in den Büchern statt und lässt die Volkswirtschaft anders als in den USA, wo sie auf breiter Front das Finanzsystem treffen, nicht erzittern. Andererseits wäre es vermessen zu glauben, ein internationales Konjunkturdesaster ginge an einer Exportnation vorbei. Indirekt haben wir über die Exporte genauso von den kreditgetunten Konjunkturentwicklungen gelebt wie die direkt Begünstigten selber.

Über die Destabilisierung des Finanzsystems und Abbruch des Geldschöpfungsprozesses durch Vertrauensverlust im Bankensystem ist die Bandbreite eines denkbaren Negativ-Szenarios in Bezug auf Dauer und Tiefe des Konjunkturtals so groß wie nie seit dem Krieg. Zum ersten Mal seit den Zeiten Friedrichs des Großen 1789 ist – abgesehen von kriegsbedingten Verwerfungen – lt. FAZ seit September der deutsche Pfandbriefmarkt quasi tot. Der erkennbare best case für 2009 ist eine kurze, harte Rezession mit anschließendem kräftigen Aufschwung, der durch verzögert wirkende Konjunkturmaßnahmen im investiven Bereich noch übersteigert wird.

Dann müssten wir zwar wieder mit Inflation leben, aber das stört die Immobilienwirtschaft nicht. 2009 gibt es aber jeden Fall von der Nutzerseite Druck auf die Immobilie. Gleichzeitig geht das Kapital auf Schnäppchensuche. Den worst case einer anhaltenden Systemstörung hat allerdings wohl noch niemand durchgerechnet. Wir tun das auch nicht. Das deutsche Problem: Blauäugige, politische „Gutmenschen“ möchten die neuen Konjunkturmilliarden in volkswirtschaftlich sinnvolle Bereiche wie Umweltschutz, Infrastruktur oder Bildung lenken. Das verhindert natürlich, dass das Geld einfach nur aus dem Fenster geworfen wird. Andererseits übersieht es, dass „Investieren“ Zeit, Arbeit und Know-how erfordert. Letzteres ist regelmäßig nicht da. Zum Abarbeiten großer Investitionsbudgets fehlt das Personal. Die Wirkung von Investitionspaketen tritt regelmäßig erst ein, wenn sich die Wirtschaft sowieso schon wieder im Aufschwung befindet und puscht sie dann nur in die nächste Überhitzungsphase.

Das hilft kurzfristig nicht bei der Problemlösung. Steuersenkungen mit der Gießkanne helfen auch nicht weiter. Den neuen Arbeitslosen, die sich psychologisch schlecht fühlen, helfen sie nicht. Der Selbstständige hat bei zukunftswirksamen Steuersenkungen 2009 immer noch mit satten Nachzahlungen aus den guten Jahren 2007 und 2008 und gleichzeitig kräftig erhöhten Steuervorauszahlungen zu kämpfen. Ihm helfen die Tropfen aus der Gießkanne erst 2010 oder 2011, wenn er sie nicht mehr braucht. Der Arbeitnehmer mit gefüllter Lohntüte wird den Effekt nach Progressionseffekten entweder überhaupt nicht spüren oder er wird Angstsparen einleiten. Das hilft auch nicht.

Die Senkung der Lohnnebenkosten erhöht zwar die langfristige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, führt aber in Zeiten unzureichender Auslastungen weder zu Neueinstellungen, noch zu verminderten Freisetzungen. Das erhöht entweder nur den Gewinn oder senkt die Verluste. Aktuell ist es genauso blödsinnig, wie die Reform der Krankenversicherung, die auch niemand intellektuell nachvollziehen kann. Damit bleiben unter kurzfristigen Konjunkturaspekten, wie immer die beiden ungerechtesten Lösungen. Zum einen könnte Geld an die Bevölkerungsgruppen gegeben werden, die sowieso nicht sparen können oder sparen wollen. In Fällen ungerechter Not führen erhöhte Transfers zu sofortigem Konsum und zu menschlichen Effekten, die jede Alternative in den Schatten stellen. Und wenn Transfers an den Kreis der „Nicht-Wollenden“ gehen, führt das auch zu sofortigem Konsum. Berücksichtigen Sie bitte, dass es Brauereien und Spirituosenherstellern auch immer schlechter geht.

Zum anderen bleibt nur irgendein Ableger des Fördergebietsgesetzes mit spürbaren sofortigen steuerlichen Anreizen des Geldausgebens und der spürbaren Absatz- Förderung von Produkten, die entweder schon auf Halde stehen oder technologisch auf Halde gebaut werden. Die Gefahr besteht allerdings in Erhaltungssubventionen, die volkswirtschaftlich immer von Übel sind. Ob aber die Verteufelung einer luxuriösen Automobil-Palette zukunftweisend ist, bleibt fraglich. Auch die Ami-Dinos haben schließlich Autos gebaut, die der Markt haben wollte. Auch in der Zukunft wird es immer Bevölkerungsschichten geben, die auf den Rücksitzen eines Golf-Diesel die Beine nicht übereinander schlagen können, denen der Benzinpreis völlig schnuppe ist (vergl. Editorial und Leitartikel zu Benzin- und Ölpreisentwicklung aus „Der Immobilienbrief“ 169 vom 27.6.08).

Für manche Menschen sind Autos auch ein so wichtiges Konsumgut, dass sie auch zukünftig bereit sein werden, für schöne Autos viel Geld zu bezahlen. Vorläufiges Fazit: Wir gehen mit Wunschdenken ins neue Jahr. Unsere Ausgangslage ist volks- und immobilienwirtschaftlich vergleichsweise gut. Unternehmen haben sich eine erstklassige Wettbewerbsposition erarbeitet. Auch in einer Rezession wird sich die reife deutsche Volkswirtschaft als überraschend stabil herausstellen.

Wichtigster Stabilisierungsfaktor bleibt der Konsum. Auch der Staatsverbrauch wirkt expansiv. Export und Ausrüstungsinvestitionen werden leiden. Für die Immobilie muss aber vor Rezessionshintergrund immer wieder plakativ betont werden, dass sie unabhängig vom Eigentümer immer noch am selben Platz steht und meist anständig vermietet sind. Ein Crash-induzierter Transaktions-Boom zu Ausverkaufspreisen ist in Deutschland nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Neue Inflationsängste, die kurzfristig in der Rezessionsphase aber unbegründet sind, und die neue Unsicherheit werden der Immobilie relativ schnell wieder einen höheren Stellenwert als Altersvorsorge und institutionelle Anlage einräumen als bisher. Das wirkt mittelfristig stabilisierend. Kurzfristig fallen aber wichtige Investmentnachfragergruppen wie z. B. die Offene Fonds aus. Geschlossene Fonds werden mit Ihren Angeboten, die im Peak des Zyklus gekauft wurden, jedoch Probleme bekommen und mit neuen Konzepten und Produkten kommen müssen. Das werden nicht alle können.

Quelle: DIB, Nr. 183

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