Handelsimmobilien: Das Geschäft läuft langsamer, aber es läuft weiter rund

Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Dierk Ernst, stellvertretender Vorsitzender des ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) sieht die Subprime-Krise vor allem philosophisch: „Wenn starker Wind weht“, so zitiert er während des Deutschen Handelsimmobilienkongresses in Berlin ein chinesisches Sprichwort, „bauen die einen Mauern, die andern Windmühlen.“ Oder anders ausgedrückt: Große Herausforderungen sind gleichzeitig auch große Chancen, die eine Branche wie die Immobilienwirtschaft für sich nutzen kann. So wurde auch der ZIA 2006 von namhaften Immobilienunternehmen als eigenständige Interessenvertretung der Branche mit Sitz in Berlin unter dem Dach des BDI gegründet. Als „German Property Federation“ soll er sich demnächst auch als Spitzenverband mit europäischer Vernetzung etablieren, da wichtige Ziele nur im Verbund mit anderen wichtigen Marktakteuren erreicht werden können.

Denn der deutsche Markt für Handelsimmobilien, darin sind sich die Experten einig, bleibt auch 2008 im Fokus der Investoren, weil harte Wirtschaftsdaten wie Auftragseingänge und Industrieproduktion laut Ernst gestiegen sind und auch weiterhin die Hoffnung besteht, dass die Einkommen der privaten Haushalte wachsen – hoffentlich stärker als die Preissteigerungen. „Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind Immobilien in Deutschland nach wie vor günstig bewertet und auch die Mietpreisentwicklung verheißt noch deutliches Aufwärtspotenzial“, fasst Ernst zusammen. Viele Immobilien hätten ihren Wert bisher nicht verloren und würden ihn auch nicht verlieren. Doch das Marktumfeld wird belastet, etwa durch die geplante Reform der Erbschaftssteuer, die Immobilienerben und Immobilienunternehmen benachteiligt, vor allem aber durch die Einführung der „Zinsschranke“ im Zuge der Unternehmenssteuerreform, mit der die Branche aus Ernst Sicht nicht leben kann: Besonders betroffen seien fremdkapitalorientierte Immobilienunternehmen wie Bauträger und Projektentwickler.

Hier stünden hohen fremdfinanzierten Vorlaufkosten lange Jahre keine entsprechenden Erträge gegenüber. „Keiner weiß so recht, wie dieses Problem zu lösen ist“, so Ernst nüchtern. „Ganz wichtig ist das Vertrauen in den deutschen Markt“, ergänzt denn auch Gisbert Beckers, Geschäftsführer Redos Real Estate GmbH in Hamburg, und die Zinsschranke sei ein solcher Bruch mit dem bestehenden System, dass sie große Wirkung auf die ausländischen Partner haben werde. Die Hamburger Redos fungiert als strategischer Partner und Co-Investor von international tätigen Unternehmen wie Apollo Real State Advisors , UBS, Henderson und Citibank. Die Gruppe bietet alle Leistungen rund um die Einzelhandelsimmobilie wie gemeinsame Investments mit Partnern in Projektentwicklung und Restrukturierung, den Kauf von Unternehmen mit Immobilienbestand oder sie übernimmt das Asset Management.

Ein guter Gradmesser für die Marktveränderungen seit Beginn der Kreditkrise im vergangenen Sommer ist laut Beckers der Verkauf des Karstadt-Portfolios: Seit dem ersten Verkauf des Pakets 2006 an den Whitehall Fund habe sich der Wert verändert und das Konsortium von einem auf vier Teilnehmer vergrößert. Doch generell bleibt auch Beckers für den deutschen Markt zuversichtlich: „Top-Einzelhandelsimmobilien erzielen immer noch Top-Preise.“ Nur in B-Lagen und bei heterogenen Portfolien sei ein Preisverfall zu befürchten.

Innerhalb Europas spricht für Deutschland laut Beckers, dass der hiesige Markt genauso wie Großbritannien über die kritische Größe verfügt und es hier – anders als im verschlossenen Frankreich – leichter ist, in die entsprechenden Netzwerke zu gelangen. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen seien hierzulande sicherer als beispielsweise in Spanien oder Italien. Von der Mipim hat Beckers die Einschätzung mitgebracht, dass in Zukunft vor allem die Russen die Märkte bestimmen würden. „Das sind die Investoren, mit denen wir künftig zu tun haben werden.

Das Transaktionsvolumen bei Einzelhandelsimmobilien schätzt der Redos Manager – nach dem Rekordwert von 18,6 Mrd. Euro 2006 und 11,2 Mrd. Euro 2007 – in diesem Jahr auf etwa 15 Mrd. Euro (siehe JLL-Grafik).

Vor allem, weil die Eigenkapital-Investoren zurückkommen, die ihre Chancen nutzen können. Sie finden neue Portfolio-Transaktionen zu besseren Einstiegskonditionen. Zumal nach den vielfältigen Unternehmens-Akquisitionen im Einzelhandel selbst ein Refinanzierungsbedarf bestehen dürfte, der aus Beckers Sicht durch den Verkauf von Immobilien gedeckt werden wird. Da der Marktmechanismus „Akquisition-Weiterverkauf-Refinanzierung“ nicht mehr funktioniert, „wird die Arbeit mit der Immobilie zum Schlüssel der Wertsteigerung“, ist Beckers überzeugt. Andererseits sieht er enormen Druck auf den teuer erworbenen Portfolios und die Notwendigkeit zur Neubewertung und Refinanzierung.

Dass viele Immobilienpakete wieder auf den Markt kommen werden, glaubt auch Christian Ulbrich, CEO Germany der Jones Lang LaSalle (JLL) GmbH in Frankfurt, der gleichfalls den Trend „back to the fundamentals“ beobachtet und die Notwendigkeit, „ganz tief mit den Immobilien zu arbeiten“. Dabei ist mit Blick auf das Thema Wert- und Mietsteigerungspotenzial der langfristige Mietvertrag aus seiner Sicht heute nicht unbedingt der beste Mietvertrag. „Das Erkennen und Realisieren von Wertsteigerungspotenzialen während der Haltedauer wird für den Erfolg zum entscheidenden Kriterium“, schätzt Ulbrich. Revitalisierungszyklen würden bei sinkender Flächenproduktivität an Bedeutung und Tempo gewinnen. Da die Kreditvergabe zögerlicher und nur in eingeschränkter Form erfolgen wird und das Einpreisen von Risiken Entscheidungsprozesse und Transaktionen verlangsamt, werden laut Ulbrich die Transaktionen 2008 tendenziell zögerlicher verlaufen, kleiner sein und die Preisgestaltung wird im Vordergrund stehen.

Doch von Vorteil dürfte sein, dass sich im Verlaufe des Jahres 2008 bei den Preisen Klarheit einstellen wird und damit das angeschlagene Vertrauen wieder gestärkt werden dürfte. Mittelfristig, davon ist JLL-Manager Ulbrichs überzeugt, werde die Bedeutung gerade der Handelsimmobilien zunehmen. Gerade hochwertige Handelsimmobilien in den Metropolen würden eine sehr gute Performance zeigen. Jones Lang LaSalle hat diese Markteinschätzung durch die jüngsten Übernahmen von Brune Consulting und Kemper’s deutlich unterstrichen.

Und wie sieht der Einzelhandel das Spiel der Investoren um Exit-Strategien, Revitalisierungszyklen, Wertsteigerungspotenzial und Mieterhöhungen? Große Sorge bereitet der Branche das anhaltende Flächenwachstum, wie Horst Lenk, Vizepräsident des HDE, deutlich macht. Allein 2007 entstanden über 1 Mio. qm zusätzliche Handelsfläche, obwohl Deutschland mit einer Pro-Kopf-Verkaufsfläche von 1,43 qm bereits zur Spitzengruppe in Europa gehört. Deshalb ist es aus Sicht des Handelsverbands wichtig, genau abzuwägen, ob wirklich jede Kleinstadt ein Shopping Center benötigt, ob die Balance zwischen Innenstadt und Peripherie gewahrt wird, dass der Fokus von der Flächenausweiterung stärker auf die Bestandserhaltung gerichtet wird und dass in Innenstadtlagen ein gesunder Branchenmix geschaffen wird. Dazu gehört neben attraktiven Handelsmarken auch der Facheinzelhändler. Um diese Mischung zu erhalten ist jedoch eine kreative Mietgestaltung notwendig, denn nicht jeder Fachhändler kann die Mieten gehobener Mode-Labels zahlen. Hier liegt noch ein weites Aufgabengebiet.

Quelle: Handelsimmobilien Report, Nr. 20, 25.04.2008