Orlando Real Estate – Was kommt nach der großen Investmentwelle …

Von Werner Rohmert über einen Vortrag von Michael Ullmann, GF Orlando Real Estate

Die Frage, wie es in Deutschland weitergeht, beschäftigt auch die Profis. Orlando-GF Michael Ullmann hat vor kurzen mit einem Vortrag vor dem immpresseclub e. V., der Arbeitsgemeinschaft deutscher Immobilienjournalisten, unsere Aufmerksamkeit geweckt. Ullmann machte prägnant deutlich, dass Deutschland auf der einen Seite ein lohnendes Investitionsziel ist für einen Investor, der Sondersituationen ausnützt und bereit ist, durch Arbeit an der Immobilie deutliche Wertsteigerungen zu erzielen, dass aber auf der anderen Seite die eher makroökonomischen, pauschalen Kaufargumente internationaler Investoren bei einem eher wenig versprechenden Zahlenwerk für Deutschland nicht ohne Arbeit am Objekt aufgehen können. Refurbishment, Redevelopment, Reletting, Retenanting, Repositioning und Restructuring sind die Schlüsselaktivitäten.

Als 2003 deutsche Unternehmen noch mögliche internationale Investoren kostspielige Due Diligences durchführen ließen, um einfach mal den Marktwert ihrer Portfolios zu bestimmen, und als 2004 über Deals geredet, aber erst einmal nur Wohnungsbestände sich drehten, lächelten die Insider. Als die Wohnungsportfolios dann doch über die Theke gingen und auch Gewerbe-Nachfrage deutlich wurde, war es schwer zu verstehen, warum jemand – bezogen auf den qm – für Häuser mehr als für Wohnungen und für Pakete mehr als für Einzelhäuser und für Portfolios mehr als für Pakete zahlten. Dann kam die Welle. Alle verdienten an ihr. Aus Lächeln wurde Verständnis. Der Ärger über verpatzte Chancen blieb aus, da deutschen Unternehmern sowieso die Finanzierung gefehlt hätte. Wenn ein deutscher Unternehmer 2003 zu seiner Bank gegangen wäre und um einen nicht haftenden (non recourse) Kredit für 40 000 Wohnungen gebeten hätte, wäre er wohl mit einer Zwangsjacke in ein neues Domizil gebeten worden. Zu Ullmannn’s Thesen:

Warum wurde Deutschland auf einmal so attraktiv? (Zur Vergrößerung bitte auf die Graphiken klicken!) Wie der Chart zeigte, dümpelte das Transaktionsvolumen zwischen 1999 und 2005 zwischen 5 und 8 Mrd. Euro. Das Interesse von Opportunity Funds war nahe null. Ab 2005 kam es dann zu Abschlüssen, wobei die Investments von Opportunity Funds fast den kompletten Ausschlag des Gesamtmarktes erklären. Neben der besonderen Zinssituation, die ein Leverage von Immobilienkäufen ermöglichte, war eine wichtige These der internationalen Investoren, dass Deutschland im internationalen Vergleich unterbewertet sei. Die Quadratmeterpreise seien in London, Paris oder Madrid weit höher als in Deutschland.

Die Gegenthese von Michael Ullmann besagt, „es gibt genug Büros“. Trotzdem wird kräftig weiter gebaut. 7,7% des Bestandes befindet sich derzeit in weiterer Entwicklung. Im Vergleich mit den reiferen Metropolen London (4,2%) und New York (2,2%) ist das Volumen hoch. Lediglich Madrid kommt auf den gleichen Entwicklungsanteil. In Moskau und wahrscheinlich auch in der Vielzahl osteuropäischer Metropolen sieht es mit einem Entwicklungsanteil von 58% bezogen auf den Bestand naturgemäß anders aus. Allerdings besitzt das riesige Moskau gerade einmal die Hälfte der Büroflächen von München.

Relativiert man die Kennzahlen, so regt das Ergebnis zum Nachdenken an. Der Bestand an Bürofläche pro Einwohner liegt in München mit 14 qm pro Einwohner dreieinhalb Mal so hoch wie in London (4 qm/Einw.), knapp dreimal so hoch wie in New York (5 qm/Einw.), mehr als zehnmal so hoch wie in Moskau und immerhin viermal so hoch wie in Madrid.

Entscheidend für die Miete, die Nutzer zahlen können, ist allerdings die Wertschöpfung, die in den Büros erzielt werden kann. Hier schneidet der Vergleich für München grauslich ab. Knapp 3 000 Euro BIP werden in München pro qm Büro erarbeitet. In London ist es mit etwa 16 000 Euro mehr als fünfmal so viel. Auch in New York wird fast das Vierfache BIP erwirtschaftet. Sogar in Madrid ist es immer noch Faktor 3. Und der Moskauer erarbeitet über 23 000 Euro pro qm Bürofläche, wobei allerdings hier die Besonderheiten eines jungen Büromarktes zu berücksichtigen sind. Dies schlägt sich naturgemäß in den Mieten nieder. Nachhaltige Mietsteigerungen können bloß aus der Nutzernachfrage kommen.

Bei Einzelhandel, Hotels und sogar Wohnen sieht es nicht besser aus! Der Autor hatte Sie bereits Mitte der Neunziger Jahre in Der Platow Brief gefragt, wie es „gut gehen solle“, dass Einzelhandelsflächen stetig um durchschnittlich über 2% pro Jahr wachsen, während rückläufige demografische Impulse, unzureichende Entwicklung der Einkommen, ein in einer reifen Volkswirtschaft abnehmender Anteil der Einzelhandelsausgaben am Gesamtkonsum und den damals schon abzusehenden technologischen Veränderungen durch Kommunikation und Internet dem gegenüber stehen. Meine damaligen Thesen lassen sich heute in die Zahlen von Michael Ullmann gießen. Die realen Einzelhandelsumsätze sind seit 1993 weitgehend konstant. Entsprechend ergibt sich ein kontinuierlicher Rückgang der Flächenproduktivität, also des Umsatzes pro qm, auf inzwischen etwa 75%. Bei Hotels sieht es nicht viel anders aus. Hier laufen Entwicklungen der Übernachtungen und Entwicklungen der Bettenanzahl bei annähernd gleicher Bettenauslastung weitgehend parallel. Und blickt man auf die Entwicklung der Kaufpreise von Neubauwohnungen, so stellt man fest, dass in den letzten 16 Jahren selbst in der „Boomtown“ München wenig geschehen ist. Obwohl die Einwohner um 6,2% zugenommen haben, haben die Kaufpreise in mehr als 15 Jahren seit 1991 um gerade einmal um insgesamt 5,2% zugelegt. Wechseln Sie dann noch von der Boomtown auf den statistischen Durchschnitt, so ergibt sich tatsächlich ein nominaler Verlust.

Weitere wichtige Thesen der internationalen waren die Früchte, die die Reformpolitik tragen würde. Tatsächlich ist zurzeit ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit mit entsprechender Wirkung auf die Nachfrage von Büroflächen festzustellen. Vor konjunkturellem Hintergrund dürfte die Bewegung aber langsam den Tiefpunkt erreichen. Gleichzeitig legt die Staatsquote seit dem Regierungswechsel wieder zu.

Der dritte Investitionsgrund für die Goldsucher der Oppurtunity Funds war „Deutschland als Leverado“. In dem deutschen Finanzierungsparadies gab es nach amerikanischen Vorbild, allerdings ohne amerikanische Margen, nicht haftende, „non recourse“ Kredite, die sogar bezogen auf erstklassige Büroimmobilien einen Zinsspread von 1,5-2,0% aufwiesen. Bei Wohnportfolios waren in der Anfangsphase sogar Spreads von 3 oder mehr Prozent drin. Bei gestiegenen Preisen und gefallenen Renditen ist inzwischen der Schnittpunkt erreicht. Den Banken werden die Risiken bewusster. Sind vor 2 Jahren noch Finanzierungen mit 10% oder sogar weniger Eigenkapital auf Einkaufspreis zuzüglich Erwerbsnebenkosten bekannt geworden, so dürften heute eher 20-30% Eigenkapitalanforderungen die Regel sein.

Auch das Thema des Inflationsschutzes von Immobilen wurde oft herangezogen. Inzwischen wird aber immer klarer, dass in den letzten 15 Jahren eben kein Inflationsschutz mit Immobilien mehr erzielbar war (siehe Indexentwicklung BulwienGesa/Bundesbank). Während die Wohnungsstatistik noch ganz annehmbar aussieht, ist der Index von Gewerbemieten und ‑preisen dramatisch abgestürzt. Im Fazit ist klar, dass lediglich volkswirtschaftliches Wachstum oder Flächenknappheit für Mietsteigerungen und damit für Preissteigerungen sorgen kann.

Im letzten Jahr wurde auch immer wieder die These laut, „Die Deutschen können kein Asset Management“. . Michael Ullmann entwickelt parallel dazu aufgrund seiner praktischen Erfahrungen die Gegenthese „Tja, aber andere können es auch nicht besser“. Auch "Der Immobilienbrief" hat Sie mehrfach, zuletzt im Anschluss an das Gespräch mit James Lapushner von Morgan Stanley, darauf hingewiesen, dass das direkte Immobilienmanagement doch den Regeln des Marktes unterworfen ist und auch die offenen Immobilienfonds und sonstigen großen Immobilienverwalter über qualifiziertes Personal verfügen. Natürlich kehren neue Besen gut und Fehler, die sich gut als Beispiel für deutschen Dilettantismus eignen, finden sich bei großen Portfolien immer.

Aber inwieweit die zuletzt offen vorgetragenen „innovativen“ Thesen „Auf den Mieter kommt es an“ Neuland sind, mag jeder selber entscheiden. Aus "Der Immobilienbrief"-Sicht gilt:

Wer sich nicht um seinen Mieter kümmerte, war in den Siebziger Jahren ein schlechter Immobilienverwalter, in den Achtziger Jahren ein schlechter Immobilien Manager, in den Neunziger Jahren ein schlechter Property Manager und wird im neuen Jahrtausend ein schlechter Asset Manager sein.

Ob darüber hinaus die Grundthese des modernen angelsächsischen Asset Managements als „Auslagerung von Eigentümerfunktionen auf Zeit“ über mehr als 10.000 km an junge Einheimische, die an allen Varianten des Bestandsdrehens verdienen, sich wirklich als Stein der Weisen herausstellen wird, wurde von uns schon seit längerem bezweifelt.

Wie sieht es weiter in Deutschland aus? Zwar hat sich für Ullmann in Deutschland über Mittelzuflüsse im hohen Milliardenbereich, viel neue Marktteilnehmer, Zunahme der Erwerbstätigen durch Verminderung der Arbeitslosigkeit und die positive Entwicklung deutscher Unternehmen sehr viel getan, jedoch ist die Investmentwelle bereits abgesurft. Übrig geblieben sind ein drastischer Rückgang von Finanzierungen und Transaktionen, die Feststellung, dass es wenig neue Konzepte gibt, sich verschlechternden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und die jetzt erkennbare Entwicklung vieler Immobilienteilmärkte, die hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.

„Welche Strategien können in diesem Umfeld erfolgreich sein?“ Vier generelle Strategien sieht Ullmann für Real Estate Private Equity. Wellenreiten, Emergent Markets, Financial Engineering und Wertschöpfung an der Immobilie sind die Alternativen bzw. sich ergänzende Strategien.

Der Blick richtet sich dabei immer um mehr von der makroökonomischen Ausrichtung der internationalen Player, die „Riding the Cycle“ perfekt beherrschen, schrittweise auf die reine mikroökonomische Betrachtungsweise der einzelnen Immobilie. Das Wellenreiten ist zunächst einmal einer Flaute gewichen. Zu den Emerging Markets zählt Deutschland nun wirklich nicht und bei heutigen Zinsen und Renditen ist Deutschland auch kein Leverado mehr. Damit bleibt lediglich die direkte Wertschöpfung an der Immobilie.

Refurbishment, Redevelopment, Reletting, Retenanting, Repositioning und Restructuring sind die Schlüsselaktivitäten. Natürlich gibt es auch andere Strategien, wie Deutsche Bank Chef Ackermann mit seinem Ruf nach Hilfe für die deutsche Banken deutlich machte, und der Weiterzug der Investorenkarawane nach Asien oder in die Türkei weiter verdeutlicht, jedoch bleibt in Deutschland selber lediglich die harte Arbeit durch sorgfältige Auswahl, Entwicklung von Nutzungskonzepten, Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen und aktive Vermietung.

Oder man wartet auf die nächste Immobilienwelle. Vor demografischen Hintergrund kann das aber leicht zur Daueraufgabe werden.

(Orlando Real Estate: Die von Orlando betreute „Fondsfamilie“ verfügt zurzeit über ca. 205 Mio. Euro Eigenkapital. Die Investoren sind institutionelle Adressen, wie Universitätsstiftungen aus den USA, europäische Pensionsfonds aus den Niederlanden, Dachfonds aus UK, Schweiz und USA sowie private Vermögen bzw. family offices aus Deutschland. Im Fokus stehen ausschließlich Immobilien aus Sondersituationen in deutschsprachigen Regionen. Aktuell prominentestes Projekt mit erstklassigen Mietern ist die Umwandlung der ehemaligen Oberpostdirektion in der Münchener Arnulfstrasse in das „Arte Deco Palais“.)

Quelle: DIB, Nr. 171, 25.07.2008