Deutschland: Einzelhandel – Die Provinz rüstet auf

Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Seit die Investoren ihren Fokus auch auf die kleineren Städte richten, beginnt so manche Kommune nachzurechnen, wie wohlhabend ihre Bürger sind und wie viel – oder wenig – von diesem Geld in den örtlichen Einzelhandel fließt. Jahrelang haben die Städte es einfach hingenommen, dass sich ihre Bürger am langen Samstag ins Auto setzten, um in der nächsten Metropole auf Shopping- und Erlebnis-Tour zu gehen – als Benzin noch bezahlbar war. Mit dem vielfältigen Einzelhandelsangebot konnte keine Mittelstadt mithalten. Eine Metropole wie Köln zieht in einem Radius von 100 km Kaufkraft ab.

Zweifellos hat das Wegsterben des traditionellen Facheinzelhandels sowie die mangelnde Bereitschaft der Immobilieneigner nachhaltig in die Attraktivität ihrer Läden zu investieren, dazu geführt, dass das Handelsangebot in vielen kleineren Städten regelrecht verarmt ist. Hinzu kommen Fehler der Stadtväter, die zu oft dem Drängen der Lebensmittelfilialisten nachgeben und die Ansiedlung an der Peripherie genehmigen, statt die Belebung ihrer verödeten Innenstädte zu forcieren.

Das wachsende Interesse der Handelsfilialisten auch an kleineren Städten gibt den Kommunalpolitikern nun die Chance, ihr Einzelhandelsangebot nachhaltig aufzubessern, da auch immer mehr Investoren bereit sind, mit dem Bau innerstädtischer Shopping Center die notwendigen Großflächen zur Verfügung zu stellen. Dass die Eigentümer der umliegenden Einzelhandelsgeschäfte meist erst nach langem Zaudern bereit sind, etwas für die Aufwertung ihrer Standorte zu tun und dass nicht schon seit Jahren Instrumente wie Business Improvement Districts eingesetzt werden, um die Kleinstädte aufzuwerten, ist bedauerlich. Nun sorgt der Druck der Investoren dafür, dass sich etwas verändert.

Ein interessantes Beispiel ist die Bayer-Stadt Leverkusen, die mit Hilfe der ECE, des Investors Credit Suisse Asset Management und der innerstädtischen Rathaus-Galerie daran geht, ein Einzelhandelsangebot auf Metropol-Niveau anzusiedeln, um dem benachbarten Köln Paroli zu bieten. Wenn es den Initiatoren gelingt, eine offene, ansprechende Einkaufswelt mit gutem Angebot und Gastronomie zu etablieren, sollte es Leverkusen durchaus gelingen, der Kölner Hohe Straße wieder einen Teil der verlorenen Kaufkraft abzutrotzen.

Denn viele Metropolen profitieren bisher von ihrer schieren Größe, weil das riesige Einzugsgebiet für den Einzelhandel eine sichere Bank ist, und nicht, weil die Städte mehr Flair bieten. So zeigt auch der Blick auf die recht karge Hohe Straße, dass in der engen Gasse kein Raum ist für gastronomische Außenbestuhlung und attraktive Straßen-Cafés, die heute zum Erlebnis-Shopping gehören. Auch die Kaufinger/Neuhauser Straße in München spiegelt nicht die „Gemütlichkeit“ wider, die der Stadt nachgesagt wird. Von der Düsseldorfer Schadowstraße ganz zu schweigen. Wenn die Provinz jetzt weiter aufholt, dann werden die Karten neu gemischt.

Quelle: HIR, Nr. 24, 20.06.2008

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